Der grüne Innenhof des Staatlichen Instituts für Musikforschung ist ein überraschendes Kleinod inmitten des sich verändernden Kulturforums: Hier treffen wir Direktorin Rebecca Wolf zum zweiten SPK-Sommerinterview
Wir treffen uns im sommerlichen Kulturforum – neben Philharmonie und der Baustelle für berlin modern. Vor Ihrem Haus weht die Regenbogenflagge – ganz ohne Diskussion. Was hat denn Ihr Haus mit der Pride zu tun?
Wolf: Die Aktionen zum Berliner Pride Month waren die Idee von Emanuele Marconi, dem Direktor unseres Musikinstrumenten-Museums. Wir haben an zwei Samstagen freien Eintritt für alle, die mit Regenbogenflagge kommen. Dann gibt es noch zwei kostenfreie Konzerte mit queeren Bands.
Wenn man derzeit um sich schaut, zeigt sich, dass es wichtig ist, Flagge zu zeigen gegen LGBTQ-Feindlichkeit. Es ist ein Statement für Vielfalt, die wir wichtig finden und sichtbar machen wollen. Die SPK generell will bei gesellschaftlichen Themen mehr Stellung beziehen und sich klarer positionieren. Und das ist unser Beitrag dazu.
Apropos Vielfalt. Im Zuge der Reform wird nun nur noch von der SPK der 25 Einrichtungen gesprochen. Kommt da das Staatliche Institut für Musikforschung noch vor? Vorher gab es zwei große und drei kleine Einrichtungen. Ändert das etwas fürs SIM und seine Ausrichtung?
Wolf: Dank des Verbundes haben wir doch alle Möglichkeiten, uns zu vernetzen – und das machen wir auch auf vielfältige Weise. Das SIM geht auf keinen Fall unter im Verbund – es kristallisiert sich im Gegenteil heraus, dass unser Hauptthema, die Musik, in vielen Einrichtungen vertreten ist. Diese Gemeinsamkeit ins Bewusstsein zu bringen und zu stärken, ist eine zentrale Aufgabe.
Das machen wir auch schon mit diversen Kooperationsprojekten: Mit dem Geheimen Staatsarchiv „Patente – Musik – Instrumente“, mit dem Kunstgewerbemuseum gab es die wunderbaren Führungen zu „Musik und Porzellan“.
Und aktuell arbeiten wir mit dem Institut für Museumsforschung am Projekt „sense:ability“. Da geht es um die Frage, wie wir Forschung, Wissenschaft und Musikthemen über das Museum, aber auch digital so vielen Menschen wie möglich näherbringen. Auch mit der Musikethnologie im Humboldt Forum gibt es fruchtbaren Austausch.
Aber profitiert denn Ihr Haus wirklich von der Reform?
Wolf: Das ist eine Fangfrage (lacht). Ja, warum denn nicht? Wir haben 2023 auch unser eigenes Strategiepapier verfasst, das natürlich in manchen Dingen mit der Gesamtreform überlappt. Uns geht es hauptsächlich um die Entwicklung von Projekten aus unseren vielfältigen Sammlungsbeständen heraus. Und zum anderen ist die Wissensvermittlung etwas, was ich gerne stark machen möchte. Natürlich auch über internationale Vernetzung.
Das ist ja eines der sieben Wirkungsfelder der SPK, auf das wir einzahlen wollen, wie es so schön heißt. Das andere Wirkungsfeld, zu dem wir uns natürlich besonders zugehörig fühlen, ist das der Forschung. In unserer Fachdisziplin Musikforschung sind wir sowohl berlinweit als auch deutschlandweit und international gut vernetzt.
Muss man sich in diesen für Kultureinrichtungen finanziell schwierigen Zeiten besonders profilieren? Oder reicht einfach gute Arbeit?
Wolf: Ein klares Profil sollte man immer haben oder zumindest darüber reflektieren. Wir sind eine Forschungseinrichtung mit Bibliothek, mit Sammlungen, mit systematischer und historischer Musikwissenschaft genauso wie Vermittlung und Museum. Das ist ein breites Feld und die Erwartungen an uns sind vielfältig.
Wir können jetzt nicht sagen, wir machen ein Jahr lang nur Forschung und schreiben drei Bücher. Es geht eher darum, die Balance zu halten. Ebenso wichtig wie Vermittlung und das Ansprechen von jungem Publikum ist es, ein Ort zu sein für Wissenschaftler*innen, die zu unseren Objekten oder mit unseren Beständen arbeiten.
Die Museumsinsel sorgt mit dem 200. Jubiläum gerade für Aufsehen. Das SIM ist ja Teil des Kulturforums, sozusagen der Museumsinsel der Moderne. Plant man dort ebenfalls ähnliches, um gemeinsam den Standort zu profilieren und die Synergien mit den anderen Anrainern zu nutzen?
Wolf: Das Kulturforum ist ja anders aufgestellt als die Museumsinsel. Hier ist Vielfalt oberste Maxime: Es gibt mehrere Forschungsinstitute und die Stabi, bildende und angewandte Kunst verschiedener Epochen in den Museen, die St. Matthäus-Kirche, das Internationale mit dem IAI und die Philharmonie und uns mit Musik. Das ist einerseits eine Stärke, andererseits eine Herausforderung in puncto Profilbildung.
Wir Anrainer treffen uns dazu schon länger regelmäßig und besprechen, wie wir dem Publikum unser gemeinsames Potenzial vermitteln können – mit gutem Output: Seit ein paar Jahren veranstalten wir beispielsweise sehr erfolgreich den „Tag im Grünen“. Dieses Jahr findet er übrigens am 14. September zum Thema „Natur und Paradies“ statt.
Hier im Haus hatten wir im letzten Dezember ein Symposium und Konzert zu „40 Jahre SIM am Kulturforum“. Das hat den Wandel des Kulturforums auch nach dem Mauerfall dokumentiert – vor 40 Jahren war das SIM das letzte Gebäude am Rande West-Berlins.
Und 2025 sind wir sehr zentral, zum Humboldt Forum sind es mit dem Rad nur zehn Minuten. Und darum gibt es auch regen Austausch mit der Musikethnologie des Ethnologischen Museums. Dort und bei uns gibt es Sammlungen zu Musik, Instrumente und Aufnahmen, wir sind Musikforschende.
Darum haben wir letztes Jahr auch eine Konferenz veranstaltet, gemeinsam mit Humboldt Universität und UdK zur Institutsgeschichte während der Berliner Teilung. Es ist sehr produktiv und wichtig, dass wir unsere Expertisen zusammenbringen – das interessiert sicher auch das Publikum. Und so kann sich das Kulturforum dem Humboldt Forum auch noch mal musikalisch nähern.
Ist der Schreibtisch der neuen Präsidentin auch zu Ihnen gewandert? Und falls ja, wie war das Aufeinandertreffen von SIM und Marion Ackermann?
Wolf: Das Feedback war sehr positiv und Frau Ackermann hat sich viel Zeit genommen. Das hat mich gefreut, denn es ist ja nicht selbstverständlich, dass eine Kunsthistorikerin so großes Interesse an Themen der Musik hat und selbst schon viel in dem Bereich gemacht hat.
Es gibt sehr viele Optionen, um Bildende Kunst und Musik zusammenzubringen, beispielsweise jetzt die Glocken in der Yoko Ono Ausstellung in der Neuen Nationalgalerie. Das finde ich super, denn das hat einfach Potenzial. Es gibt so viele Einrichtungen der SPK, die mit Musik zu tun haben. Das noch mal klarer zu bündeln, lohnt einfach in jeglicher Hinsicht.
Marion Ackermann hat ja jüngst in einem Interview gesagt, kulturelle Bildung sei ihr eine Herzensangelegenheit und sie wolle mehr Angebote für die diverse Stadtgesellschaft schaffen. Eigentlich Punkte, in denen im SIM schon viel passiert, oder?
Wolf: Die kulturelle Bildung hier im Haus ist toll etabliert. Es kommen nicht nur Schulkinder zu uns, sondern auch Uni-Seminare, die dezidiert alle Abteilungen besichtigen möchten. Von der kulturellen Bildung ist es nicht so weit zur Wissensvermittlung in Sachen Musikforschung.
Ich finde es wichtig, dass wir auch dem wissenschaftlichen Bereich unserer Arbeit den gebührenden Platz einräumen. Also wie schaffen wir es, hier Räume für den wissenschaftlichen Austausch zu schaffen? Wir hatten Anfang des Jahres ein sehr schönes Experimentalkonzert zusammen mit den Kolleg*innen der Audiokommunikation der TU Berlin. Im Anschluss gab es dazu Fragebögen, die spontan ausführlich diskutiert wurden. So soll das sein, dass die Menschen reflektieren, miteinander ins Gespräch kommen, aber eben auch ein tolles Konzert erleben können. Die Mischung macht's.
2024 gab es ja mit dem Markneukirchenabend im SIM eine schöne Kooperation mit Sachsen. Sind weitere Länderkooperationen geplant?
Wolf: Der sächsische Abend war natürlich ein Highlight und in Folge sind schon verschiedene Interessenten an uns herangetreten. Über den Landesmusikrat Berlin sind wir in Kontakt mit anderen Landesmusikräten.
Wir sind da aktiv bei den „Musikalischen Stolpersteinen“, bei dem sich Schulklassen mit Komponist*innen und Musiker*innen beschäftigen, die während der NS-Zeit verfolgt wurden. Es entstehen zusammen mit dem RBB Podcasts, die auch bei uns im Museum hörbar sein werden. Die Idee ist natürlich schon, dieses Konzept auch für andere Landesmusikräte in Deutschland interessant zu machen und so an das föderale Programm anzuknüpfen. Überdies bin ich im Beirat des „Jugendensemble Alte Musik“: ein weiteres Projekt, das Potenzial hat, über Berlin hinauszuwachsen.
Weiterführende Links
- Website des SIM
- Thema „Das SIM wird 100!“
- „Herzblut an den Fingerspitzen“: Magazinbeitrag zum Projekt Sense:ability (2024)
- „Geniale Erfinderinnen“: Magazinbeitrag zum Projekt „Patente und Musik“ (2023)
- „Zurück zum Beton, äh zur Natur“: Magazinbeitrag zum „Tag im Grünen“ am Kulturforum (2022)
- „Wo man die Musik in die Hand nimmt“: Magazinbeitrag zum Sächsischen Abend (2024)
- „Wie man Porzellan zum Klingen und Musikinstrumente zum Erzählen bringt“: Magazinbeitrag zum Projekt „Porzellan und Musik (2020)
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