Mann spielt eine Riesentuba auf einer Bühne

Wo man die Musik in die Hand nimmt

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Im Jahr der Tuba zeigt das Musikinstrumenten-Museum Ausstellungen zum „Tiefen Blech“ und zum Instrumentenbau im geteilten Deutschland. Markneukirchen im Vogtland präsentiert sich dabei als Herz und Seele der deutschen Instrumentenbaukunst

SPK-Präsident Parzinger spricht
Anlässlich der Feierlichkeiten zum Instrument des Jahres 2024, der Tuba, lud die SPK am 24. Juni 2024 zu einem sächsischen Abend ins Musikinstrumenten-Museum nach Berlin ein. SPK-Präsident Parzinger sprach zur Eröffnung. © SPK / photothek / Juliane Sonntag
Podiumsdiskussion
Auf dem Podium ging es um die Frage „Wie weiter mit dem europäischen Instrumentenbau?“. Es sprachen Yvonne Magwas, Kerstin Voigt, Volker Voigt, Enrico Weller und Christian Breternitz. Moderation: Manuel Brug. © SPK / photothek / Juliane Sonntag
Menschen im Publikum klatschen
Dabei waren u.a. Yvonne Magwas, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, SPK-Präsident Hermann Parzinger und Rebecca Wolf, Direktorin des Staatlichen Instituts für Musikforschung (v.l.n.r.). © SPK / photothek / Juliane Sonntag

Was, Paul McCartney hat auf einem Bass aus der DDR gespielt? Ein Beatle mit musikalischer Ost-Vorliebe? Letzteres mag stimmen, ersteres tut es nicht, obwohl – es hätte schon (fast) sein können! Und das kam so: Als der Beatles-Bassist Stuart Sutcliffe 1961 nicht mit seinen Band-Kollegen nach Liverpool zurückkehren, sondern lieber mit seiner Freundin in Hamburg leben wollte, musste Ersatz her. Also sprang McCartney kurzfristig ein, übernahm die Bass-Begleitung und gab auf dem inzwischen legendären Modell 500/1 der Firma Höfner ordentlich Gas.

Letztere wurde vom Gitarren- und Geigenbauer Karl Höfner 1877 gegründet und hatte ihren Sitz in Schönbach, dem heutigen Luby in Tschechien. Nach der Vertreibung aus dem Sudentenland wurde sie 1948 in Franken – erst in Möhrendorf, ab 1950 in – Bubenreuth – neu gestartet. Damit blieb das erfolgreiche Unternehmen weiterhin im Einzugsgebiet des „Musikwinkel“, einer Region zwischen Thüringen, Sachsen, Bayern und Böhmen.

Diese ist bis heute für ihren Instrumentenbau berühmt, der dort seit dem 17. Jahrhundert nachweisbar ist. Es werden nahezu sämtliche Streich-, Zupf-, Holzblas-, Metallblas-, Schlag- und Harmonikainstrumente der europäischen Musik einschließlich Bögen, Bestandteilen und Zubehör gefertigt. Die Instrumente aus dem Musikwinkel stammten logischerweise aus dem Osten wie aus dem Westen, denn das Wissen, die hohe handwerkliche Qualität, das umfassende Know-How und die überragende Qualität machten nicht an den neuen Grenzen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs halt.

Und so hätte die als Beatles-Bass bekannt gewordene Bass-Gitarre durchaus aus Markneukirchen sein können. Hier befand sich schließlich das Zentrum des deutschen Musikinstrumentenbaus. Hundert Firmen unterschiedlicher Größe – vom kleinen Familienbetrieb bis zu einigen Mittelstandsbetrieben – sind dort aktiv, weshalb sich das vogtländische Dörfchen mit seinen 7000 Einwohnern einmal nicht ganz ernst den Titel „Musical Valley“ gegeben hat.

Instrumentenbau vor und hinter dem Eisernen Vorhang

Vom „Instrumentenbau in zwei deutschen Republiken“ erzählt die Spotlight-Ausstellung im Musikinstrumenten-Museum – und zeigt natürlich eine Gitarre „in Violinen-Form“, deren Gestalt der Höfner 500/1 gleicht. Die kompakte Präsentation untersucht die Geschichte des Musikwinkels und illustriert sie mit einer Fülle eindrucksvoller Instrumente aus dem Fundus.

Eine besondere Rolle kommt dabei der Berlinerin Olga Adelmann (1913-2000) zu, der ersten Geigenbauerin Deutschlands, die später als Restauratorin am Musikinstrumenten-Museum wirkte und noch aus der Vorkriegszeit gute Kontakte zu Kolleg*innen auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs pflegte, obwohl ihr mitunter „Fachbücher an der Grenze abgenommen“ wurden, wie sie 1977 auf einer Postkarte an ihren früheren, in Ost-Berlin lebenden Lehrmeister Curt Jung (1899-1984) schrieb.

Das Musikinstrumenten-Museum im Westteil Berlins war, wie in der Ausstellung zu lesen ist, „ein wesentlicher Dreh- und Angelpunkt zum Wissensaustausch auch über die geschlossenen Grenzen hinweg“. Diese Kommunikation wurde aufrechterhalten, obwohl auf beiden Seiten staatliche Eingriffe erfolgten. Im Westen war dies die gezielte Ansiedlung vor allem sudetendeutscher Instrumentenbauer in Mittelfranken – wie die erwähnte Firma Höfner. Auf der anderen Seite wurden im ostdeutschen Vogtland in den frühen 1950er-Jahren Mitglieder der 1943 gegründeten MIGMA (Musikinstrumentengenossenschaft Markneukirchen) in den volkseigenen Betrieb (VEB) Musima (Musikinstrumentenbau Markneukirchen) eingegliedert. Werk- und Produktionsstätten wurden zum Teil beschlagnahmt und dem staatlich gelenkten Großbetrieb zugeschlagen, um nun in kollektivierter Produktionsweise Streich- und Zupfinstrumente in hoher Stückzahl herstellen zu können.

Personen sprechen über eine im Museum ausgestellte Gitarre
Am sächsischen Abend präsentierten sich Instrumentenbauer*innen und Musiker*innen aus der Region Markneukirchen. © SPK / photothek / Juliane Sonntag
Zwei Frauen im Gespräch
SIM-Direktorin Rebecca Wolf im Gespräch mit Besucher*innen, Instrumentenbauer*innen und Musiker*innen. © SPK / photothek / Juliane Sonntag
Zwei Personen sprechen über eine auf dem Tisch liegende Geige
Am sächsischen Abend präsentierten sich Instrumentenbauer*innen und Musiker*innen aus der Region Markneukirchen. © SPK / photothek / Juliane Sonntag
Drei Personen unterhalten sich über eine Geige
Gäste, Instrumentenbauer*innen, Musiker*innen und Besucher*innen kamen am Abend ins Gespräch. © SPK / photothek / Juliane Sonntag
Zwei Personen im Gespräch
Instrumentenbauer*innen, Musiker*innen und Besucher*innen kamen am Abend ins Gespräch. © SPK / photothek / Juliane Sonntag

Instrumentenbau im Vogtland als immaterielles Kulturerbe

Mit der Expansion elektronischer Instrumente entwickelte sich ein zusätzlicher Markt, auf dem die Nato-Staaten mit denen des Warschauer Paktes in Sachen technologischer Fortschritt wetteiferten. Im nordrheinwestfälischen Minden verfolgte Rainer Böhm ab den 1960er-Jahren das Konzept des beginnenden Do it yourself-Trends.

Böhm bot Instrumente zum Selberbauen an, die dadurch preisgünstig waren und den Kundenkreis erweiterten. Mit ihren gestaffelten Manualen und mit den Namen ihrer vielen Schieberegler weisen die Böhm-Orgeln auf ihre Abstammung von der Kirchenorgel hin.

Zu bewundern ist ferner die rote elektronische Kleinorgel „Weltmeister TO 200/5“ vom vogtländischen VEB Klingenthaler Harmoniewerke aus dem Jahr 1969, die mit ihrer gestalterischen Leichtigkeit und ungewohnten Buntheit etwas vom Aufbruchsgeist der 1960er-Jahre ausdrückt und an die Popmusik denken lässt, die damals – zumindest in manchen Ländern – entstand. Von den Beatles war zum Beispiel 1969 „Come together“ in den Charts – mit einem markanten Bass(!)-Riff von Paul McCartney, der überdies den Moog-Synthesizer (!) bediente.

Die UNESCO nahm den vogtländischen Musikinstrumentenbau in Markneukirchen und Umgebung 2014 in das Verzeichnis für „Immaterielles Kulturerbe“ auf. Markneukirchen als das Herz und die Seele des Ganzen wurde deshalb mit einer Veranstaltung im Musikinstrumenten-Museum gewürdigt. Die angereisten Handwerker standen für Gespräche zur Verfügung, sie hatten Instrumente dabei und erklärten, wie die bei ihnen hergestellt werden.

Von der Militärmusik in die Orchestergräben: Die Tuba

Live-Musik gab es auch, zur besonderen Freude des Publikums und von Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Rebecca Wolf, Direktorin des Staatlichen Instituts für Musikforschung, Kim Grote, Direktor des Musikinstrumenten-Museums in Markneukirchen, Yvonne Magwas, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Bundestagsabgeordnete für das Vogtland, Kerstin Voigt, Metallblasinstrumentenmacherin, Volker Voigt, CEO der Buffet Crampon Deutschland GmbH, Enrico Weller, Professor am Studiengang Musikinstrumentenbau der Westsächsischen Hochschule Zwickau, Christian Breternitz, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Kurator am Institut für Musikforschung, und des Musikkritikers Manuel Brug, der die Podiumsdiskussion „Wie weiter mit dem europäischen Instrumentenbau?“ leitete.

Inspiriert vom diesjährigen „Jahr der Tuba“ sind im Steinfoyer unter dem Titel „Tiefes Blech“ zahlreiche kostbare Blechblasinstrumente aus eigenem Bestand ausgestellt: Von der Ophikleide – einem historischen Blechblasinstrument aus der Familie der Klapphörner – über das Serpent – ein historisches Blechblasinstrument aus der Zinken-Familie – bis zur ältesten Basstuba der Welt, 1839 in Berlin von Johann Gottfried Moritz gebaut, und verschiedenen anderen Versionen der Tuba. Als deren Urahnin gilt die Bass-Tuba, die Wilhelm Wieprecht und Moritz erfanden und dafür 1835 ein preußisches Patent bekamen. Anfangs überwiegend in der Militärmusik vertreten, fand sie dank Komponisten wie Richard Wagner bald den Weg in die Orchestergräben rings um den Globus.

Mit Tradition und Innovation an der Spitze bleiben

Schönste Ergänzung erhielten all die wertvollen Exponate am Markneukirchen-Abend freilich durch eine der größten Vertreterinnen ihrer Art: Die vogtländische Riesentuba mit 2,05 Meter Höhe, 11,20 Meter Rohrlänge, über 50 Kilogramm schwer. Wenn alle vier Ventile betätigt werden, wird eine Luftsäule von annähernd zwanzig Metern in Schwung gebracht. Diese Subkontrabass-B-Tuba wird durch ein Spezialgestell gestützt, denn auf den Knien kann man sie nicht halten. Mächtig golden und wie ein freundliches Geschöpf von einem anderen Stern strahlte sie auf der Bühne und füllte den ganzen Raum mit ihrer glänzend-voluminösen Pracht.

Ausgewählte Menschen können darauf sogar spielen, als wäre das die einfachste Sache der Welt – wie Jörg Wachsmuth, Solotubist der Dresdner Philharmonie und Virtuose auf der Riesentuba, die den Namen „Ilse“ trägt. Wenn er zum „Hummelflug“ von Nikolai Rimski-Korsakow ansetzt und für die über 100 Takte nur knapp 54 Sekunden benötigt – ein herkömmlich konzertierendes Orchester braucht dafür etwa drei Minuten –, scheint die gewaltige „Ilse“, jeder Erdenschwere ledig, durch die Decke zu schweben.

So viel kaltes Metall und so ein warmer Klang! Und dann dieses Tempo, das jeder Hummel die flinkesten Sechzehntelnotenbeine aller Zeiten macht! Markneukirchen steht eben an der Spitze – und will das auch bleiben, um mit Tradition und Innovation und mit Lust und Liebe nach Noten die Musik in die Hand zu nehmen.

Gitarre im Museum
Markneukirchen im Vogtland präsentierte sich als Herz und Seele der deutschen Instrumentenbaukunst. © SPK / photothek / Juliane Sonntag
Geigenkopf-Detail
Markneukirchen im Vogtland präsentierte sich als Herz und Seele der deutschen Instrumentenbaukunst. © SPK / photothek / Juliane Sonntag

Ausstellungen im Musikinstrumenten-Museum

Ausstellung: Tiefes Blech. Eine kurze Geschichte der tiefen Blechblasinstrumente

Ausstellung: Instrumentenbau in zwei deutschen Republiken
 

  • Musikinstrumenten-Museum, Ben-Gurion-Straße, 10785 Berlin, Tel. +49 (30) 254 81-178, www.simpk.de/museum
  • Öffnungszeiten: Montag: geschlossen, Dienstag: 9–13 Uhr, Mittwoch+Freitag: 9–17 Uhr, Donnerstag: 9–20 Uhr, Samstag+ Sonntag: 10–17 Uhr
  • Öffnungszeiten 23. Juli bis 30. August 2024: Montag: geschlossen, Dienstag+ Mittwoch+Freitag: 13–17 Uhr. Donnerstag: 13–20 Uhr, Samstag+ Sonntag: 10–17 Uhr

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