Her mit dem schönen Leben: Am 14. September 2025 feierte das Kulturforum Berlin sein alljährliches Sommerfest – drinnen und draußen. Mit Führungen, Workshops, Konzerten und natürlich der durchaus legendären Tafel im Grünen
Ja ja, das Paradies – in unseren durchaus apokalyptisch anmutenden Zeiten (dräuende Klimakatastrophe, bröckelnde Demokratien allerorten) ein hochaktuelles Thema, das irgendwie alle angeht und das Motto des mittlerweile vierten „Tag im Grünen“ am 14. September 2025. Ob gerade das die 15.000 Menschen zum Kulturforum gezogen hat oder der Sonderpreis fürs Tagesticket, die vielen Führungen und Workshopangebote, die Konzerte, die Vielfalt der Sammlungen, die längste Tafel Berlins auf dem Scharounplatz, die große partizipative Abschlussperformance der Yoko Ono-Ausstellung „Bells For Peace“ oder einfach nur der Sonntag – man weiß es nicht. Es war auf jeden Fall wieder voll.
Fast wichtiger als das Paradies selbst als jenseitiger Utopie ist ja eigentlich die Auseinandersetzung für die diesseitige Gegenwart: Also, was ist das Paradies eigentlich? Denn dahinter steht wiederum der Diskurs um die Frage, wie wir leben wollen. Und wie man eine bessere Welt schafft? Die Ausstellungen, Performances und Führungen in den verschiedenen Häusern von Kunstgewerbemuseum bis Kupferstichkabinett zeigten, dass diese Frage schon immer wichtig und aktuell war – und es weiterhin unbedingt ist.
Und vor allem zeigte sich bei den Führungen, dass Kunst in diesem Diskurs eine nicht wegzudenkende Rolle spielt. Egal ob es um Miltons „Paradise Lost“ in der Gemäldegalerie, reale „Gärten Eden“ am Kulturforum, das verschwundene Künstlerparadies „Tiergartenviertel“ in der Kunstbibliothek, Jenseitsvorstellungen oder „Facetten der Liebe“ auf den Meisterwerken der Gemäldegalerie , das Schlaraffenland, das „Paradise in Progress“ in der aktivistischen Kunst des 20. Jahrhunderts in der Neuen Nationalgalerie geht. Besonders gut, weil niedrigschwellig war das Format der 30-minütigen Drop-In-Führungen: Einfach zum richtigen Zeitpunkt am Führungspunkt einfinden und schon gings los in die Sammlungen.
Man konnte beim Tag im Grünen eindrucksvoll erfahren, dass die Behauptung der SPK, als immenser Wissensspeicher eine unfassbare Fülle an Antworten und Diskursen zu bieten, tatsächlich wahr ist. Und dass sich in den vielfältigen Sammlungen eigentlich alles zu jenen Themen erfahren lässt, die die Menschheit seit Anbeginn umtreiben. 2025 war das „Paradies“, die Jahre davor „Versteckte Gärten“ und was auch immer es 2026 sein wird – jedes der verschiedenen Häuser am Kulturforum wird etwas Spannendes dazu sagen können.
Das funktioniert vor allem durch Zusammenarbeit und Verknüpfungen, denn so steht man auf einmal vor Maria Lassnigs durchaus verstörender „Patriotische Familie“ in der großartigen Sammlungsausstellung „Zerreißprobe“ und erkennt Korrespondenzen zum Renaissancegemälde „Venus, Mars und Amor“ (1505) von Piero di Cosimo, das man in der vorherigen Führung in der Gemäldegalerie sehr aufschlussreich (Stichwort „Darüber lachte man in der Renaissance“) erklärt bekommen hatte.
A propos Verknüpfung: Das Kulturforum selbst ist übrigens ein Ort der Verbindung, der allerdings erst durch Trennung entstanden ist – nach dem Mauerbau sollte es die Museumsinsel des Westens werden. Hans Scharoun, quasi planerischer Gründungsvater des Kulturforums, dessen Architekturkunst mit Philharmonie und Staatsbibliothek den Ort prägt, sprach von einem „geistigen Band der Kultur“, das West-Berliner Kulturforum und Ost-Berliner Museumsinsel der Teilung zum Trotz verbinden sollte.
Dieses von Scharoun beschworene, geistige Band – und das spürte man beim Tag im Grünen deutlich – ist zwischen den Häusern in all ihrer Unterschiedlichkeit fest geknüpft. Nirgends sonst in Berlin ballt und verbindet sich auf so engem Raum Musik und Kunst und Design und Wissenschaft.
Und dann sitzen dann die Anrainer*innen gemeinschaftlich an der langen Tafel, auf der – sehr organisch – vor der Philharmonie selbst gestampftes Sauerkraut in Kohlblättern und im selbstgebauten Ofen gebackenes Brot serviert werden. SPK-Präsidentin Marion Ackermann lobt das Demokratische an der Tafel, Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson ist begeistert von der Baumschule, Hannes Langbein von St. Matthäus und Andrea Zietzschmann, Intendantin der Berliner Philharmoniker sprechen großen Dank an alle aus und Nationalgaleriedirektor Klaus Biesenbach lädt alle ein, Glöckchen bei der großen Yoko Ono-Freiluftabschlussperformance „Bells for Peace“ zu schwingen.
Das alles vor der beachtlich in die Höhe gewachsenen Fassade von berlin modern, die zwar noch eingerüstet, aber trotzdem in den Konturen sehr gut erkennbar ist. Noch ist das neue Museum eine Baustelle, aber mit seiner Errichtung wird nichts Geringeres als die Vollendung, ja die Apotheose des Kulturforums assoziiert. Apotheose hin oder her – berlinmodern soll eine große Bereicherung für die Nationalgalerie, für die SPK, für das Kulturforum, für Berlin werden, – weil es ein Haus für Alle wird, dass das Kulturforum noch mehr verbindet, und der Kunst genügend Raum gibt, ihre verbindende und diskursive Funktion voll zu entfalten.