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Juwelen auf dem grünen Teppich

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Architekturtheoretiker Fritz Neumeyer über den Versuch von Ludwig Mies van der Rohe, dem Tiergarten im Kulturforum eine Reverenz zu erweisen

Der Museumsneubau für die Nationalgalerie von Herzog & de Meuron soll künftig in einer Art Museumsgarten stehen, das Kulturforum soll förmlich erblühen. Die Schöpfer dieser Utopie verweisen auf historische Pläne von Mies van der Rohe, den Tiergarten ins Forum hinüberzuziehen. Was ist da dran?

Neumeyer: Von regelrechten Mies-Plänen kann man nicht sprechen, wohl aber von einer grundsätzlichen Intention. Der Lageplan für die Neue Nationalgalerie aus der Präsentationsmappe von 1963, der sehr großräumig gefasst ist, sieht nicht nur grünen Bewuchs rund um das schwarze Quadrat des neuen Museums vor, sondern auch weit darüber hinaus. Überall sind Baumgruppen zu sehen, die den ganzen Plan fast wie Schäfchenwolken überziehen. Ob diese nun aus dem Tiergarten kommen oder nicht – kann man schlecht sagen. Anfang der Sechzigerjahre gab es in dieser Gegend, wie der Lageplan zeigt, überhaupt keine Stadttextur mehr. Der Krieg hatte nur einige wenige Bauten übriggelassen. Und was macht man mit einzelnen Bauten? Man pflanzt Bäume dazwischen. Neubauten hatte Mies dort vorgesehen, wo jetzt Gemäldegalerie und Kunstbibliothek beheimatet sind, nämlich eine Teppichbebauung mit L-förmigen Hofhäusern. Ähnlich wie das schon im Hansa-Viertel praktiziert wurde, stehen sie, wie auch alle anderen Bauten des Kulturforums, auf dem grünen Teppich. Dieses Bild hat Mies offensichtlich dem ganzen Kulturforum zugrunde gelegt. Dafür spricht auch, dass der kleine Platz vor der Matthäikirche im Plan verschwunden ist. Auch sie steht jetzt auf dem grünen Teppich.

Schwarz-weiß Grundriss einer Stadt
Präsentationsmappe von 1963: Ludwig Mies van der Rohe, Galerie des 20. Jahrhunderts (heute in der Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin). Foto: Hedrich-Blessing, Chicago
Schwarz-weiß Modell eines Gebäudes
Präsentationsmappe von 1963: Ludwig Mies van der Rohe, Galerie des 20. Jahrhunderts (heute in der Kunstbibliothek, Staatliche Museen zu Berlin). Foto: Hedrich-Blessing, Chicago
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Museum der Moderne "berlin modern", Planungsstand April 2023. © Herzog & de Meuron / Louise Bourgeois / Yayoi Kusama

Also gar keine Verlängerung des Tiergartens?

Neumeyer: Eher eine Reverenz. Mies war daran gelegen, eine Verbindung zwischen dem Tiergarten und dem Landwehrkanal herzustellen. Die kleine Straße hinter dem Skulpturengarten sollte mit dichtstehenden Bäumen gesäumt werden, um die Neue Nationalgalerie in Richtung Westen von bestehenden Bauten abzuschirmen. Hier hat man wirklich das Gefühl, es sollte ein exemplarisches Stück Tiergarten hinter das Museum wandern. Die Baumbepflanzung im Kulturforum ist im Plan von Mies dagegen wesentlich lockerer angelegt.

Realisiert wurde nichts. Was sagen Sie zu den heutigen Plänen?

Neumeyer: Die Grundidee eines grünen Kulturforums halte ich für richtig. Ansonsten bliebe für diesen Ort als Alternative nur die Neuerzeugung städtischer Dichte. In den 1990er Jahren haben Manfred Ortner und ich gemeinsam am Planwerk-Innenstadt für die City-West gearbeitet, und wir haben vorgeschlagen, dass man die Bauten des Kulturforums wie Juwelen in einem Samtetui präsentiert – also auf einem grünen Teppich. Es sollte schon damals ein parkartiger Garten werden. Was denn sonst? Der Begriff Forum ist als Bezeichnung ja hier eigentlich ein Etikettenschwindel. Ich frage mich, ob Scharoun nicht mehr wusste oder es ignorierte, was städtebaulich mit einem Forum gemeint ist. Ein Forum konnte nie enststehen, weil dafür die zusammenhängende bauliche Textur fehlt, die einen Raum präzise umschreibt. Diese Textur kann auch der Neubau nicht ersetzen. Die einzige logische Alternative ist es, das Kulturforum als grünen Stadtraum zu begreifen, also als eine Art Campus hochbedeutsamer Kulturinstitutionen. Skeptisch bin ich, was die angedachte Sperrung und Begrünung der Sigismundstraße betrifft. Straßenverbindungen, die zum historischen Grundriss der Stadt gehören, sollte man auch in einem Grünraum respektieren.

Porträt eines Mannes mit Brille

Prof. Dr. Fritz Neumeyer, Jahrgang 1946, ist einer der wichtigsten Experten zum Werk von Ludwig Mies van der Rohe. Der Architekturtheoretiker war von 1989 bis 1992 Professor für Architekturgeschichte an der Universität Dortmund. 1992 übernahm er die Jean-Labatut-Professur in Princeton. Von 1993 bis 2012 war er Professor für Architekturtheorie an der Technischen Universität Berlin. Er beriet die Sanierung der Neuen Nationalgalerie und gehört dem Beirat des Mies van der Rohe Hauses in Berlin-Hohenschönhausen an.

Foto: Privat / Fritz Neumeyer, 2021

Also könnte der Museumsgarten gelingen?

Neumeyer: Das wird man sehen. Die Kunsthalle wird ja erstmal nur mit Grün umschürzt. Zu einem großen Garten gehören aber Räume, gehören Blickbezüge und eher kleine Bauten. Es fehlt ein Raum, der ganz klar figürlich erfahrbar ist, der dem Garten eine Mitte geben und auch eine bindende Funktion zwischen den Bauten ausüben kann. Von dem Magnetismus zwischen Mies und Scharoun, der als Dialog zweier Architekturwelten einst dem Kulturforum die räumliche Spannung gab, sollte man unbedingt noch etwas ahnen können.


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