Die eine Architekturikone wurde vom ersten Bauhausdirektor Walter Gropius entworfen, die andere vom dritten und letzten, Mies van der Rohe. Die eine steht in Dessau und beherbergte von 1925 bis 1932 die wohl berühmteste Gestaltungshochschule der Welt, die andere steht am Berliner Kulturforum und präsentiert seit 1968 die erstaunliche Sammlung von Kunst aus dem 20. Jahrhundert.
Die eine feiert dieses Jahr ihr 100. Jubiläum und die andere ist die wohl passendste erste Station für den Auftakt der Feierlichkeiten: Und darum wird vom 13. bis 15 Juni 2025 die Pop-Up-Ausstellung des Bauhaus Dessau unter dem Titel „An die Substanz“ in der Neuen Nationalgalerie zu Gast sein.
Inhaltlicher Schwerpunkt ist die Materialität, also der Einsatz und Umgang mit alten und neuen Materialien wie Glas, Beton und Metall in der Bau-, Technik- und Kulturgeschichte als Erbe des Bauhauses. Gleichzeitig werden Fragen nach neuen Potenzialen in der Baubranche vor dem Hintergrund gegenwärtiger ökologischer Herausforderungen gestellt.
Die Materialität der Moderne wird kostenfrei in Impulsvorträgen und Präsentationen ausgelotet. Daneben gibt es aber auch den interaktiven Workshop „Bauhaus Aktiv“, der jenes Element ins Heute gebracht, das wie kaum etwas für die Revolution in der Gestaltungsausbildung steht, für die das Bauhaus so berühmt ist: der Vorkurs.
Im Vorkurs wurden den Bauhäuslern am Anfang der Ausbildung auf pädagogisch neue und experimentelle Weise die Grundlagen der künstlerischen Gestaltung vermittelt. Und dabei spielte die Materialität natürlich eine große Rolle. Inspiriert von diesen Aufgaben hat das Bauhaus Dessau spielerisch-experimentelle Übungsanleitungen ersonnen, mit denen sich Interessierte dem Bauhaus aktiv nähern können. Die neuen Bauhaus-Übungen sollen allen die Entfaltung der individuellen schöpferischen Fähigkeiten ermöglichen. Beispiel gefällig?
Die Übung „Turmbau“ greift zum Beispiel den Vorkurs von Josef Albers auf, in dem das Material Papier eine besondere Rolle spielte. Studierende machten hier die Erfahrung, dass ein Blatt Papier viel mehr kann als nur flach auf dem Tisch liegen. In Experimenten und Übungen untersuchten die Studierenden zum Beispiel, wie ein Blatt Papier auf der Kante stehen kann. Nun also soll der Neo-Bauhäusler in der Turmbau-Übung versuchen, ein Blatt Papier auf die Kante zu stellen – Falten und Schneiden ausdrücklich erlaubt.
Der Bauhausmeister László Moholy-Nagy sagte 1929, dass „heutige raumerlebnisse auf dem ein- und ausströmen räumlicher beziehungen in gleichzeitiger durchdringung von innen und außen, oben und unten [beruhen], auf der oft unsichtbaren auswirkung von kräfteverhältnissen, die in den materialien gegeben sind.“
Das inspirierte wohl den US-amerikanischen Architekten Richard Buckminster Fuller, der seine ikonische geodätische Kuppel aus Dreiecken konstruierte. Sie gilt als äußerst stabil und dient bis heute als Vorbild für Überdachungen. Diese wiederum inspirierte die bauhaus-aktiv-Übung „Knete und Zahnstocher“: Hier baue man im ersten Schritt aus Knete und Zahnstochern ein Quadrat und ein Dreieck. Dann probiere man aus, welche Form stabiler ist. Im zweiten Schritt baue man nun einen Würfel und ein Tetraeder und schaue auch hier, welcher geometrische Körper haltbarer ist.