Klimawandel, grüne Visionen und viele Anforderungen – Landschaftsarchitektin Maren Brakebusch spricht über Herausforderungen der räumlichen Gestaltung rund um das berlin modern am Kulturforum. Sie verantwortet für VOGT Landschaftsarchitekten die Freiraumgestaltung des Projekts.
Was ist Ihre Idee für die landschaftliche Gestaltung um berlin modern?
Maren Brakebusch: Bei berlin modern gibt es unglaublich viele Bedürfnisse. Gleichzeitig müssen wir mit einem Raum arbeiten, in dem das Gebäude die eigentliche Grundstücksfläche besetzt. Das heißt, wir als Landschaftsarchitekt*innen hatten nur einen engen Handlungsspielraum und nehmen viel stärker die Rolle von Mediator*innen ein, die zwischen den vielen an den Raum adressierten Bedürfnissen vermitteln. Und: Die Debatte über den Freiraum des berlin modern war stets eine, die über den Gesamtraum geführt werden musste. Das Kulturforum ist ein Ort von historischer und politischer Komplexität und befindet sich in einem Transformationsprozess. Von einer starken Introvertiertheit der Nutzungen der einzelnen Häuser verlagern sich diese zunehmend in den gemeinsamen und verbindenden Freiraum. Das berlin modern steht fast sinnbildlich für diesen Wandel.
Auch für uns Landschaftsarchitekt*innen steht neben entwerferischen Fragestellungen sehr stark der gemeinschaftliche Diskurs über die Teilhabe an diesem öffentlichen Raum im Fokus. Das ist eine zentrale wichtige Message von berlin modern – nicht nur durch die Architektur, sondern auch durch die Freiräume und Verbindungen, die es schafft. Uns ist wichtig, einen wiedererkennbaren Ort mit einer hohen Aufenthaltsqualität für die ganze Stadtgesellschaft zu schaffen.
Maren Brakebusch studierte Landschaftsarchitektur an der Leibniz Universität Hannover und ist seit 2022 Professorin für Garten- und Landschaftsarchitektur an der FH Potsdam und Mitglied des Baukollegiums Berlin. Seit 2002 ist sie Teil des Teams von VOGT Landschaftsarchitekten und leitet zusammen mit Thomas Kissling das Büro mit seinen Standorten in Zürich, London, Berlin und Paris. 2016 gewann VOGT zusammen mit dem Architekturbüro Herzog & de Meuron den Realisierungswettbewerb für berlin modern.
Foto: Maren Brakebusch (3.v.l.) beim Befüllen der Zeitkapsel mit den Platanensamen für den Grundstein des berlin modern. SPK / photohek / Thomas Trutschel
Bei der feierlichen Grundsteinlegung von berlin modern haben Sie der Zeitkapsel einen Zweig mit Früchten der berühmten 150-jährigen Platane vom Kulturforum beigelegt. Was macht diesen Baum für Sie so besonders?
Bei unserem Beitrag zur Zeitkapsel beschäftigte uns neben einem Zeitzeugnis vor allem auch der Zukunftsgedanke. Die Platane als klassischer Baum des Südens trägt das architektonische Versprechen eines „Berlins am Mittelmeer“ in sich. Besonders deutlich wird dies nicht nur durch den Baum selbst, sondern im Ensemble mit der benachbarten St. Matthäuskirche, die sich architektonisch an der oberitalienischen Romanik orientiert.
Wichtig war uns, deutlich zu machen, dass dieses Versprechen bald Realität sein wird: Ab 2070 ist damit zu rechnen, dass Berlin klimatisch mit den Regionen des Mittelmeers gleichzusetzen sein wird. Damit müssen wir uns heute in der Planung auseinandersetzen und diesen Wandel bereits mitdenken und gestalten.
Wie berücksichtigen Sie bei der Planung diese Herausforderungen des Klimawandels?
Grundsätzlich sollte eine resiliente Planung heute im Repertoire aller Landschaftsarchitekt*innen sein. Dass es einen menschgemachten Klimawandel gibt und was das für uns bedeutet, wissen wir ja letztlich schon seit mehr als 30 Jahren. Rückblickend aber müssen wir feststellen, dass die Handlungsbereitschaft erst mit den sichtbaren Folgen gestiegen ist, als das abstrakte Wissen körperlich und visuell spürbar wurde.
Wenn wir an einem sehr heißen Tag zum Kulturforum kommen, dann ist das physisch durchaus herausfordernd. Die temporäre Baumschule ist da ein einfaches und anschauliches Experiment und zeigt, wie wertvoll schattenspendende Bäume für das Mikroklima und die Atmosphäre und Raumwirkung sind. Ihre Präsenz wirkt sich positiv auf das eigene Wohlbefinden aus und verwandelt den einstigen reinen Transferort zu einem Ort mit einer hohen Aufenthaltsqualität. Aber der Klimawandel bringt noch weitere Veränderungen mit sich: Neben steigenden Temperaturen steigt die Häufigkeit der Starkregenereignisse, da mehr Feuchtigkeit in der Luft gebunden wird. Diese treffen aktuell auch am Kulturforum auf einen stark verdichteten Stadtkörper, der diese Mengen an Wasser gar nicht aufnehmen kann.
Grünes Anrainerprojekt: schattenspendende Bäume für das Klima des Platzes. Die Präsenz der Pflanzen hat auch einen positiven Einfluss auf Atmosphäre und Wohlbefinden.
Foto: SPK / Killisch
Ist es denn möglich, von diesem Regenwasser zu profitieren, das ja gerade in Berlin immer seltener und dafür immer heftiger kommt?
Die Antwort liegt dem in Berlin praktizierten Konzept der Schwammstadt zu Grunde. Das bedeutet, dass man die Möglichkeit schafft, dass der Boden das Wasser aufnehmen und in den Phasen, in denen kein Regen fällt, wieder abgeben kann. Und so sind auch die Außenräume des berlin modern konzipiert: Wir planen mit großen Rigolen (Pufferspeicher), die das Wasser sammeln, um während trockener Phasen umliegende Bäume und die durchgrünten Bereiche zu bewässern. Das Ganze verstehen wir als System. Kein Trinkwasser soll hier verschwendet werden.
In den Zukunftsplanungen ist sicherlich auch spannend, das anzuschauen, was schon mal da war an grünen Visionen für das Kulturforum. Welche Rolle spielen historische Pläne und Überlegungen für Sie?
Ein wesentlicher Aspekt des entwerferischen Prozesses war die Auseinandersetzung mit dem Vorhandenen. Wir versuchen, wissensbasiert zu entwerfen und sind davon überzeugt, dass, wenn man vergangene ebenso wie heutige Fragestellungen an einem Ort übereinanderlegt, so etwas wie ein Wasserzeichen für den späteren Entwurf sichtbar wird. Der Platane zum Beispiel schon immer eine große Rolle als wesentliche Zeitzeugin beigemessen. Auch heute wird sie als Teil des Neubaus verstanden.
Bei unseren Überlegungen war aber auch der großmaßstäbliche Bezug wichtig und hierbei insbesondere die bereits vorhandenen Landschaftsräume: der Tiergarten im Norden und der Landwehrkanal im Süden. Genauso steht es mit der Geschichte des Ortes, also diesem ehemaligen Quartier mit seiner Struktur, mit seinen Straßen und der Frage: Wie geht man mit dem Matthäikirchplatz oder dem Scharounplatz um? Die Visionen waren auch hier nicht steinern, so wie sich das Areal heute letztlich darstellt, sondern eben sehr stark durchgrünt mit Verbindungen zum Tiergarten.
Wie wichtig ist der Dialog mit den unterschiedlichen Anrainern des Kulturforums?
Je mehr wir die Bedürfnisse an diesen Raum kennen, desto präziser kann natürlich auch unsere Antwort sein. Anfangs war der Diskurs über das Kulturforum noch relativ begrenzt, aber durch neue Initiativen, wie der Tag im Grünen oder aber der interdisziplinäre Workshop Grünes Kulturforum brachte alle Anrainer und die beteiligten Sentas- und Bezirks- und Bauverwaltungen zusammen und förderte den Diskurs über die Herausforderungen aber auch Chancen einer Gesamtraumbetrachtung.
Wir haben versucht, diese Impulse aufzunehmen und daraus eine gestalterische Idee zu entwickeln. Das ist nicht leicht: Jeder einzelne Baum muss mehr oder weniger in das Vorhandene eingemessen werden – ein herausfordernder Prozess, der aber extrem wichtig ist. Dass das Baukollegium und der Gestaltungsbeirat Öffentliche Räume sich diesem Raum jetzt annimmt, zeigt gerade seine Bedeutung für die Gesamtstadt.
Das klingt alles noch sehr prozesshaft.
Ja, und das ist, glaube ich, zentral. Wenn wir das Prozesshafte der Stadt nicht mitdenken – gerade in Berlin – dann verbauen wir uns die Chancen für das Übermorgen.
Lässt sich das denn auch auf die Bepflanzung ummünzen?
Resiliente Planung für den Klimawandel heißt nicht, dass ein Schalter umgelegt wird und wir in Berlin plötzlich Mittelmeerklima haben. Der Ostwind aus Sibirien wird natürlich auch weiterhin hier ankommen. Wir müssen also immer überlegen: Was wächst denn 2070 noch und dabei die Erhöhung der Biodiversität, die Lebensgrundlage für die bereits vorhandene Fauna bildet, mitdenken.
Neben der Referenz der angrenzenden Landschaftsräume bilden natürlich auch die Pläne Mies van der Rohes und Scharouns eine wichtige Grundlage für die Wahl der zukünftigen Stadtvegetation am Kulturforum. Baumarten wie Ahorn, Hainbuche und Eiche respektieren das Vorhandene, denken aber auch in der Sortenwahl das Zukünftige mit.
Welche Rolle spielt die Kunst, die ihr Zuhause in berlin modern finden soll, in den Außenräumen?
Der Raum, den wir gestalten, muss auch zukünftig Ausgangspunkt für künstlerische Intervention sein können. Die Kunst hört eben nicht an der Gebäudegrenze auf. Sie hat Ausstrahlungskraft. Und dafür brauchen wir den Raum – gerade um diese spannenden Schnittmengen der Häuser zu entfalten. Bei der Grundsteinlegung mit den beiden künstlerischen Beiträgen wurde das deutlich.