Fassade eines barocken Schlossen an einer modernen Fassade

Das Schloss zur Welt

Artikel

Lesezeit: ca.  min

Unsere Museen im Humboldt Forum stellen sich der Welt, dabei braucht es Offenheit, Mut und Entschlossenheit, diese Debatten produktiv zu machen

Porträt mit gelbem Rahmen

Hermann Parzinger ist seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

© SPK / photothek / Thomas Trutschel

Seit zwei Jahren ist das Humboldt Forum im wiederaufgebauten Berliner Schloss vollständig eröffnet. Wir haben immer gesagt, dass damit zwar die Etagen 2 und 3 mit den Ausstellungsbereichen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) eingerichtet sind, die Arbeit dort aber erst richtig beginnt. Inzwischen ist hier in der Tat etwas gelungen, was zwar erhofft, aber nicht so schnell erwartet werden konnte.

Ein Ort der Weltkulturen mitten in Berlin

Das Humboldt Forum wurde als ein Zentrum für und mit den Kulturen der Welt erdacht und geplant, als man den Entschluss fasste, die außereuropäischen Sammlungen von Dahlem wieder zurück in die historische Mitte Berlins zu bringen, wo sie einst in der Kunstkammer des alten Schlosses entstanden sind. Dort sollten sie mit den Schätzen auf der Museumsinsel interagieren und Humboldt Forum und Museumsinsel zu einem wahren Ort der Weltkulturen werden lassen.

Je größer die Fortschritte auf der Baustelle waren, umso heftiger tobte der Streit um Bau und Inhalte. War es anfangs eher eine Architekturdebatte (Schloss gegen Palast der Republik), so drehte sich der teils erbitterte Streit der Folgejahre um die Herkunft der Sammlungen, ihre kolonialen Kontexte und den richtigen Umgang damit. Im Windschatten und auch als Ergebnis dieser Kolonialismusdebatte, die zunächst nur Rückgabeforderungen in den Mittelpunkt stellte und vor kultureller Aneignung warnte, ist den Museumsmacherinnen und -machern etwas Wegweisendes gelungen.

Mir ist vor allem daran gelegen, dass unsere Besucher*innen verstehen, wie wir mit den Herkunftsländern und Ursprungsgesellschaften zusammenarbeiten

Internationale Zusammenarbeit und innovative Projekte

Unter dem Titel „Das Kollaborative Museum“ werden am Forschungscampus Dahlem derzeit 23 internationale Projekte durchgeführt, hinzu kommen Veranstaltungen und ein Fellowship-Programm mit 19 Gästen aus aller Welt – von Kenia bis Guatemala, von Nepal bis Mexiko. Es wird gemeinsam geforscht, digitalisiert, vermittelt. Dabei stehen nicht nur das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst im Fokus, sondern die ganze SPK. So hat beispielsweise die ebenfalls zur SPK gehörende Gipsformerei zwei von ihr angefertigte Abgüsse von Objekten aus der Sammlung des Ethnologischen Museums an das guatemaltekische Museo Comunitarío Yalambojoch übergeben; die Originale gingen im Krieg verloren. Die Repliken werden dort künftig dabei helfen, indigenes Wissen zu vermitteln.

Es ist diese Form des Austausches, die das Humboldt Forum verändert und weitertreibt, auch wenn wir noch sehr viel dafür leisten müssen. Mir ist vor allem daran gelegen, dass unsere Besucherinnen und Besucher verstehen, wie wir mit den Herkunftsländern und Ursprungsgesellschaften zusammenarbeiten und was notwendig ist, um die Haltung unserer Partner für alle produktiv zu machen. Dafür braucht es Klarheit, Verständlichkeit und Transparenz, aber auch Mut und Originalität, vor allem aber Enthusiasmus; in den Museen hat sich viel verändert.

Wir wissen, auf welchen Fundamenten das Humboldt Forum steht, den baulichen wie den ideengeschichtlichen. Wir müssen mit dem Ort umgehen – dürfen auch mit ihm hadern – und müssen uns unserer Geschichte stellen. Dabei muss es aber neben der überfälligen Aufarbeitung der Sammlungs- und Institutionengeschichte auch um den Blick nach vorne und um Perspektiven für die Zukunft gehen, die unsere Partnerinnen und Partner in aller Welt mit Recht ebenso einfordern. Die Menschheitskultur ist eine gemeinsame, das Nachdenken darüber sollte es auch sein. Die inzwischen so zahlreich und intensiv gewordenen Kooperationen und Koproduktionen mit Vertreterinnen und Vertretern der Herkunftsländer und Ursprungsgesellschaften ist ungemein bereichernd und zeigen, welche Kraft und welche Perspektiven kultureller Austausch geben kann.

Gewebte Geschichten: Tansania zu Gast im Humboldt Forum

Am 28. November eröffnen wir gemeinsam mit der Stiftung Humboldt Forum die Ausstellung „Geschichte(n) Tansanias“. Ein weiterer Meilenstein! Rund 10.000 Objekte umfasst die Tansania-Sammlung unseres Ethnologischen Museums; einige davon sind untrennbar mit der damaligen Gewaltherrschaft der deutschen Kolonialmacht verbunden. Wir wissen, wie blutig diese Kolonialisierung war, mit welcher Brutalität jegliche Gegenwehr niedergeschlagen wurde. Der Maji-Maji-Krieg forderte 200.000 bis 300.000 Opfer. Dörfer, Felder, Lebensgrundlagen wurden zerstört. Seit gut zehn Jahren arbeiten wir mit unseren tansanischen Partnern daran, einen gemeinsamen Umgang mit dieser Geschichte zu finden.

Leicht war das angesichts der begangenen Verbrechen nicht. Die Kuratorinnen und Kuratoren des National Museum of Tanzania, der Stiftung Humboldt Forum und aus den Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz schreiben denn auch zu ihrer Ausstellung: „Unsere Aufgabe ist es, in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kritisch nachzufragen: Wer schreibt wessen Geschichte und warum? Wie können Prozesse der Versöhnung, der Wiedergutmachung und Restitution gegenwärtig und in Zukunft gestaltet werden? Mit dieser Ausstellung hoffen wir, einen solchen Prozess anzustoßen und gemeinsam neue Perspektiven auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu eröffnen.“

Ohne Einverständnis keine Präsentation!

Grundsatz bei der Ausstellungsvorbereitung

Was wird unter diesen Umständen zu erwarten sein? Die Ausstellung zeigt 5.000 Jahre ostafrikanischer Geschichte und erzählt die komplexen und zeitlich weit zurückreichenden Geschichten jener Gemeinschaften, die auf dem Gebiet des heutigen Staates Tansania lebten und leben. Gemeinsam hat sich das Kuratorenteam darauf geeinigt, nicht mehr von „Objekten“ zu sprechen, sondern korrekter von „cultural belongings“, also von kulturellen Dingen, die mit Menschen verbunden sind.

Details der Ausstellung
Blick in die Ausstellung "Geschichte(n) Tansanias" © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Szenografie: APC Architectural Pioneering Consultants / Studio Gründer Kirfel, Foto: David von Becker
Mann sitzt an einem Tisch und hält Foto eines Amulets hoch
Community Consent Conference im Dezember 2023 im National Museum of Tanzania in Dar es Salaam im Zusammenhang mit der Ausstellungsproduktion für das kollaborative Ausstellungsprojekt „Geschichte(n) Tansanias“. Diskussionen über Cultural Belongings (hier: Ruga Ruga Amulet, Ident-Nr. III E 1287) © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Nicholas Calvin Mwakatobe
Ausstellungsdetail
Ausstellungsdetail, Foto: David von Becker
Mann sitzt auf einem Motorrad. Mit bunten Stoffen behangen
Hemedi Kiduku (Tänzer) in einem Kostüm aus Lumpen, das er normalerweise bei seinen Tanzauftritten trägt. © Vanessa Mwingira, Pan African Music
Foto eines Ausstellungsstücks
Ausstellungsdetail, Foto: David von Becker

Die Nachfahren sehen darin vielfach keine Museumsobjekte, sondern sensible Dinge, die für sie große Wirkkraft besitzen und vor ihrer Präsentation im Humboldt Forum bestimmten Ritualen unterzogen wurden. Ohne Einverständnis keine Präsentation! Dies war der vielleicht wichtigste Grundsatz bei der Ausstellungsvorbereitung. Zusätzlich führte das kuratorische Team Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Gemeinschaften sowie mit Nachfahren ehemaliger Vorbesitzer. Es folgte eine Konferenz im National Museum of Tanzania, wo über das Projekt, das Humboldt Forum und das Ethnologische Museum debattiert wurde.

Ohne zu viel vorwegzunehmen: Mit einer spektakulären, raumgreifenden Gestaltung wird diese Ausstellung zu einem eindrucksvollen und kraftvollen Auftritt im Humboldt Forum, der die Bedeutung Tansanias und Ostafrikas für die Weltgeschichte offenlegt. Entwicklungen zwischen 3000 vor Christus und 1000 nach Christus haben dort durch Interaktionen von Wildbeutern, Viehzüchtern und Feldbauern ein hochkomplexes Mosaik aus Sprachen und Gemeinschaften entstehen lassen.

Hinzu kam die Einbettung dieser Region in das Handelsnetz des Indischen Ozeans. An der ostafrikanischen Küste florierten Handelsstädte, deren Bevölkerung als Mittler zwischen dem maritimen Raum und dem Landesinneren fungierten. Gleichzeitig hielten islamische Religion und Kultur Einzug. Lange war diese Welt um den Indischen Ozean ein Raum intensiven, friedlichen Austauschs. Dies änderte sich ab dem Ende des 15. Jahrhunderts, als zunächst Portugiesen und später andere europäische Mächte mit Gewalt in diese Gebiete vordrangen und sie in Besitz nahmen, ehe Unterdrückung, Ausbeutung und Fremdbestimmung mit der Unabhängigkeit 1964 endeten.

Man kann sich nur wünschen, dass diese neue Ausstellung gut besucht wird und Debatten auslöst: über Europa und Afrika, Vergangenheit und Verantwortung, über das Gemeinsame in dieser einen Welt. Das ist die Aufgabe des Humboldt Forums.

Geschichte(n) Tansanias

Ort

Wechselausstellungsfläche, 2. OG, Humboldt Forum

Öffnungszeiten

  • ab Fr, 29. November 2024
  • Mo, Mi, Do, Fr, Sa, So: 10:30 – 18:30 Uhr
  • Di: geschlossen

Eintritt frei

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Berliner Morgenpost (4.12.2024)


Weitere Artikel zum Thema