Von Kunst, Kultur und Wiederaufbau der Ukraine

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Porträt einer Frau in Schwarz-Weiß

Charlotte Knaup ist Kuratorin und Koordinatorin für Ukraine-Themen in der SPK. Im Interview spricht sie über die Reihe „Making Spaces“ zur ukrainischen Kunst und Kultur, die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Community und die OBMIN-Konferenz zum Wiederaufbau des Landes am 28. und 29. Mai 2024 in Berlin.

© Staatliche Museen zu Berlin / Juliane Eirich

Frau Knaup, seit Januar 2023 gibt es mit „Making Spaces“ eine Programmreihe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Staatlichen Museen zu Berlin, die sich der Kunst und Kultur der Ukraine widmet. Welche Leitgedanken haben zur Entstehung der Reihe geführt? Welche Ziele verfolgt sie?

Knaup: In erster Linie zielt die Reihe darauf ab, Solidarität mit ukrainischen Communities, Künstler*innen und Wissenschaftler*innen zu zeigen. Viele von ihnen sind aufgrund des russischen Angriffskrieges nach Berlin geflohen. Der Titel „Making Spaces“ bedeutet das gemeinsame Schaffen von Räumen, in denen man zusammenfinden kann. Die Reihe wurde zugleich von Beginn an institutionsübergreifend gedacht. Einerseits ergeben sich dadurch Gelegenheiten zum Austausch mit Kolleg*innen aus anderen Häusern, andererseits ermöglicht das auch die Realisierung von einem breiten Spektrum von Formaten, z.B. Gesprächen, Performances, Filmscreenings, Lesungen, usw.

Drei große Themencluster bilden dabei den roten Faden: Individual Histories, Memory and Witnessing, und Communal Histories. - Individuelle Geschichten, Erinnerung und Zeug*innenschaft, und geteilte Geschichten. Um zu untersuchen, wie künstlerische Praxis im Kontext des Krieges fortbestehen kann, gab es zum Beispiel ein Screening und ein Gespräch im Februar 2024 im Hamburger Bahnhof zu den Videoarbeiten „Dedicated to the Youth of the World II“ (2019) und „Dedicated to the Youth of the World III“ (2023) des ukrainischen Künstlerduos Yarema Malashchuk und Roman Khimei. Wir haben über Jugend- und Clubkultur in der Ukraine gesprochen und darüber, was es bedeutet, ihre künstlerische Arbeit in einer Zeit weiterzuführen, in der Orte der persönlichen Freiheit und des künstlerischen Ausdrucks bedroht sind.

Gesprächssituation in einem Museum
Künstler*innengespräch "Über kreative Resilienz" mit Victoria Pidust, Volo Bevza und Anastasia Pasechnik, Museum Europäischer Kulturen
Mann spielt Saxophon
Performance von Mykola Lebed, Hosting Spaces: Finissage "Splitter des Lebens" mit Vitsche, Museum Europäischer Kulturen. Foto: Zhora Yevich
Gespräch in einem Museumsraum
Künstlergespräch "On Queer Archives from Central and Eastern Europe", Künstler Karol Radziszewski spricht über die Geschichten, die gelebt, aber nicht erzählt werden, Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart
Filmstill: Porträt einer Frau
Yarema Malashchuk und Roman Khimei, 'Dedicated to the Youth of the World III' (2023) und 'Dedicated to the Youth of the World II' (2019), Film Still, Screening und Künstlergespräch mit Yarema Malashchuk and Roman Khimei in Zusammenarbeit mit dem Ukrainischen Institut Berlin Ort: Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart

Wie drückt sich die internationale Solidarität mit der Ukraine in der Programmreihe aus, und welche Rolle spielen dabei ukrainische Künstler*innen und Expert*innen?

Sie spielen die Hauptrolle! Jedes Format der Reihe wird zusammen mit ukrainischen Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Expert*innen entwickelt und realisiert. Auch die Recherche zur Reihe begann mit Fragen an die Communities: Wie können wir zusammen arbeiten? Welche Themen sind relevant? Wer möchte wie sprechen und für welche Zielgruppen ist die Reihe besonders wichtig?

Der Offenheit der ukrainischen Künstler*innen-Community und Kolleg*innen aus der Museumswelt ist es zu verdanken, dass die Reihe ihre Form finden konnte. Bereits vor dem Start hatte ich Gelegenheit, viele Künstler*innen und Wissenschaftler*innen aus der Ukraine zu treffen. Auf Basis zahlreicher sehr guter Gespräche ließ sich ein Grundgerüst entwickeln, das nun die verschiedenen Programme der Reihe trägt. Solidarität bedeutet hier, dass ukrainische Künstler*innen und Wissenschaftler*innen mit ihren Themen und Expertisen im Vordergrund stehen.

Welche Perspektiven sehen Sie für „Making Spaces“?

Ich bin zuversichtlich, dass zukünftige Formate in der Reihe weiterhin ein breites Publikum erreichen werden. Besonders freue ich mich auf die kommenden Kollaborationen innerhalb der SPK und mit ukrainischen Künstler*innen und Wissenschaftler*innen. „Making Spaces“ hat mittlerweile aber auch ein Netzwerk hervorgebracht, das über die Reihe hinaus zu spannenden neuen Projekten führen kann. Zusätzlich bietet die Vielfalt der Formate und die institutionsübergreifende Ausrichtung ein flexibles Gerüst, das sich gut auf andere interdisziplinäre und epochal relevante Diskurse oder Themen übertragen lässt, die eine langfristige Aufarbeitung erfordern.

Performance im Museum
Making Spaces im Hamburger Bahnhof - Nationalgalerie der Gegenwart, Performance mit Kvirtet und Untitled Tbilisi. Foto: Robert Schittko / artbeats berlin für Volkswagen Art4All im Hamburger Bahnhof - Nationalgalerie der Gegenwart.
Gespräch im Museum
Making Spaces im Hamburger Bahnhof - Nationalgalerie der Gegenwart, Performance mit Kvirtet und Untitled Tbilisi. Foto: Robert Schittko / artbeats berlin für Volkswagen Art4All im Hamburger Bahnhof - Nationalgalerie der Gegenwart

Unter dem Motto „From Crisis to Future: New Responsibilities for Museums in Ukraine“ haben die Stiftung OBMIN und das Ukrainische Institut in Deutschland mit der SPK für Ende Mai eine Konferenz in Berlin in der James-Simon-Galerie organisiert. Als Kuratorin von „Making Spaces“ werden Sie ebenfalls mit einem Beitrag daran teilnehmen. Worum wird es dabei gehen und wie kam die Zusammenarbeit zustande?

Die Konferenz soll zu gemeinsamen Vorschlägen und Themen für die kommende „Ukraine Recovery Conference“ im Juni 2024 führen und die Vernetzung zwischen deutschen, polnischen und ukrainischen Museen fördern. Die SPK ist an der Organisation mitbeteiligt, eine Verbindung der Stiftung zu OBMIN besteht aber schon länger: Als OBMIN im September 2023 eine Konferenz in Warschau unter anderem mit 40 ukrainischen Museen ausrichtete, war meine Kollegin Claudia Banz aus dem Kunstgewerbemuseum eine der Panelistinnen und sprach dort über die Ausstellung „Retrotopia. Design for Socialist Spaces“. Ich war damals ebenfalls mit dabei.

Aus diesem Austausch hat sich die Zusammenarbeit für die Konferenz Ende Mai entwickelt, die übrigens mit rund einhundert Institutionen das größte Treffen ukrainischer Museen seit Ausbruch des Krieges sein wird. Ich bin Teil des Organisationsteams der SPK und werde außerdem am Panel „The mission of museums to strengthen (civil) society“ teilnehmen. Zusammen mit Yuliia Vaganova, der amtierenden Direktorin des Khanenko-Museums, Bohdan Tyholoz, dem Direktor des Nationalen Literatur- und Gedenkmuseums von Ivan Franko und Elżbieta Kwiecińska von der Universität Warschau werde ich zu der Rolle des Museums in der Gesellschaft sprechen.

Personen auf einem Podium bei einer Konferenz

OBMIN Konferenz Filling Blind Spots, Warschau, Polen, Juni 2023.

Foto: Adam Bury/OBMIN

Welche Bedeutung hat die Veranstaltung für den Wiederaufbau des Landes, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende internationale Geberkonferenz „Ukraine Recovery Conference“ im Juni in Berlin?

Bei „From Crisis to Future“ geht es besonders um die Rolle von Kulturinstitutionen beim Wiederaufbau der Ukraine und eine zukunftsweisende Museumsarbeit. Die ukrainischen Museen haben im Vorfeld der Konferenz zehn konkrete Vorschläge zum Wiederaufbau des Landes erarbeitet. Diese werden neben den Ergebnissen der zweitägigen Konferenz mit in die Arbeit der „Ukraine Recovery Conference“ im Juni 2024 einfließen.

Die URC2024 selbst ist eine Fortsetzung der jährlichen Reihe politischer Veranstaltungen, die der Wiederherstellung und dem langfristigen Wiederaufbau der Ukraine seit dem Beginn des Krieges gewidmet sind. Es ist auch die erste Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine, die in einem EU-Mitgliedstaat stattfindet, mit dem Hauptziel der Mobilisierung weiterer internationaler Unterstützung für den Wiederaufbau, die Reform und die Modernisierung der Ukraine.


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