Grabungsfläche in der Drohnenaufnahme

Auf den Spuren Teobert MalersArchäologische Projekte in Campeche

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Vor mehr als 100 Jahren reiste der deutsch-österreichische Architekt und Fotograf Teobert Maler (1842-1917) zu den Ruinen der klassischen Maya in Mexiko. Eine Ausstellung im IAI stellt archäologische Forschung in Yucatán und Malers Wirken in einen größeren forschungsgeschichtlichen Zusammenhang. Zur Eröffnung reiste die Leiterin der mexikanischen Partnerinstitution INAH an.

Mehr als 100 Jahre nach den Reisen des deutsch-österreichischen Architekten und Fotografen Teobert Maler (1842-1917) zu den Ruinen der klassischen Maya im mexikanischen Bundesstaat Campeche arbeiten dort heute Wissenschaftler*innen des IAI und des Instituto Nacional de Antropología e Historia (INAH) an zwei Fundorten. Die Ausstellung des IAI präsentiert Ergebnisse der seit 2012 in Kooperation mit dem INAH laufenden archäologischen Forschung auf der Halbinsel Yucatán und stellt diese in einen größeren forschungsgeschichtlichen Zusammenhang.

Gruppenfoto im Freien
In den Projekten arbeiten Archäolog*innen, Keramikspezialistinnen, Physische Anthropologen, Vermesser, Studierende, Ruinenwächter, Grabungsarbeiter und religiöse Spezialisten der lokalen Maya zusammen. Foto: Dzehkabtún, Team, 2017. © IAI
Historisches Foto eines zugewucherten Maya-Palastes (Ruine)
Dzehkabtún Palast. Foto: Teobert Maler, 1887. IAI, Nachlass Teobert Maler, N-0040 s 52). © IAI
Gruppenfoto vor einem historischen Steingebäude im Dschungel
Deutlich werden die Bezugspunkte zu vorhergehenden wissenschaftlichen Arbeiten an den beiden Fundorten auf der Halbinsel Yucatán und zu historischen Materialien u.a. in den Sondersammlungen des IAI wie dem Nachlass von Teobert Maler. Foto: Santa Rosa Xtampak, Team, 2021. © IAI
Historisches Foto eines Steingebäudes im Dschungel
Santa Rosa Xtampak, Schlangenmaulgebäude. Foto: Teobert Maler, 1891 (IAI, Nachlass Teobert Maler, N-0040 s 101). © IAI

Die Ausstellung

Auf großformatigen Tafeln stehen historisches Bildmaterial, Kartierungen und Übersichten zur Forschungsgeschichte im Dialog mit Farbfotografien von Grabungsarbeiten inmitten der sie umgebenden Landschaft, Portraits der beteiligten Menschen und Details freigelegter Funde. Sichtbar werden so auch die Vielseitigkeit und die Herausforderungen der archäologischen Arbeit, die in Kooperationsprojekten von IAI und INAH unter der Leitung von Iken Paap (IAI) und Antonio Benavides Castillo (INAH) in Dzehkabtún und in Santa Rosa Xtampak stattfinden konnten. Auf den Rückseiten der Tafeln stehen Portraits lokaler Mitarbeiter*innen stellvertretend für die vielen Menschen, die die Arbeit des IAI vor Ort ermöglichen und in den wissenschaftlichen Publikationen der Ergebnisse oft unsichtbar bleiben. Konzept, Koordination und Texte stammen von Iken Paap (IAI), für das Design war Dirk Böing (böing gestaltung, Berlin) verantwortlich.

Zur Eröffnung der Ausstellung mit einem Grußwort des mexikanischen Botschafters in Deutschland S.E: Francisco Quiroga spannte Adriana Velázquez Morlet, Leiterin des Zentrums Campeche des Instituto Nacional de Antropología e Historia (INAH) einen Bogen von den ersten archäologischen Forschungen im 19. Jahrhundert hin zu aktuellen Projekten und wissenschaftlichen Fragestellungen.

Blick in eine Fotoausstellung
Ausstellungseröffnung am 15.10.2024 im IAI. © IAI, Foto: Ole Heinrich / bundesfoto
Personen schauen auf eine Leinwand
Adriana Velázquez Morlet hob bei der Ausstellungseröffnung am 15.10.2024 die Bedeutung der Kooperation mit dem IAI in der gemeinsamen Forschungsarbeit, als stabilem Partner in langfristigen Projekten sowie als bedeutendes Wissensarchiv für die archäologische Forschung hervor. © IAI, Foto: Ole Heinrich / bundesfoto
Frau unterhält sich bei einem Rundgang durch die Ausstellung
Bei einem Rundgang durch die Ausstellung nutzten Interessierte die Möglichkeit, mit Projektleiterin Iken Paap (IAI) in den Dialog zu treten. © IAI, Foto: Ole Heinrich / bundesfoto

Entschlüsselung der Vergangenheit und Dokumentation für die Zukunft

Seit 2012 arbeitet das IAI zusammen mit dem INAH an den beiden Fundorten Dzehkabtún und Santa Rosa Xtampak im mexikanischen Bundesstaat Campeche.

Für Dzehkabtún war eine Leitfrage, was in den letzten Jahrzehnten vor dem Untergang der Stadt geschehen ist und was letztlich dazu geführt hat, dass sie um 950 n. Chr. verlassen wurde. In Santa Rosa Xtampak, dem größeren Fundort und neben Edzná bedeutendstes Zentrum der klassischen Maya auf der zentralen Halbinsel Yucatán, standen neben der Erarbeitung einer stratigraphisch abgesicherten Chronologie regionale und überregionale Vernetzungen der Siedlung im Mittelpunkt.

Dzehkabtún

Das Areal mit dem Fundort Dzehkabtún war lange Zeit von einer Hacienda als Zuckerrohrplantage und Viehweide genutzt worden und ist stark von Zerstörungen durch Steinraub und Plünderungen betroffen. Heute – 40 Jahre nach Auflassung der Hacienda – sind die Ruinen von dichtem, hohen Gras und Gestrüpp überwachsen.

Von 2012 bis 2018 wurden mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in einem Kooperationsprojekt von IAI und INAH mehrere Gebäude im monumentalen Zentrum und in der Peripherie der Stätte untersucht sowie eine Vielzahl stratigraphischer Sondagen angelegt. Quellen für das Projekt waren Fotografien und Skizzen von Teobert Maler sowie auch Beschreibungen einzelner Gebäude und Monumente durch Archäologen wie George Andrews oder Nicholas Dunning. Dzehkabtún war vor 2012 nie Gegenstand archäologischer Grabungen.

Die Funde – vor allem Keramik – sowie die erhaltene Architektur und die freigelegten Monumente und Skulpturen belegen, dass der Ort mindestens vom Beginn der mittleren Präklassik (ab 1000 v. Chr.) bis zur Endklassik (ca. 950 n. Chr.) bewohnt war. Die Ergebnisse zeigen auch eine deutliche Regionalisierung der Wirtschaftsbeziehungen im Übergang von der Spät- zur Endklassik, verbunden mit Hinweisen auf Krisen bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bei einer gleichzeitigen Verschlechterung der Wasser- und Nahrungsversorgung.

Grabungshügel
Dzehkabtún: Grabung, Dokumentation und Konsolidierung einer endklassischen Plattform, 2013. © IAI
Grabungshügel
Dzehkabtún: Grabung, Dokumentation und Konsolidierung einer endklassischen Plattform, 2013. © IAI
Grabungshügel
Dzehkabtún: Grabung, Dokumentation und Konsolidierung einer endklassischen Plattform, 2013. © IAI

Befunde wie z.B. Deponierungen großer Meeresschnecken, die im Zusammenhang mit Wasser- bzw. Regenritualen interpretiert werden, erhärten die Annahme einer Zuspitzung der ökologischen und ökonomischen Krise im 10. Jh. n. Chr.

Die Ergebnisse der Forschungen in Dzehkabtún tragen wesentlich zu einem besseren Verständnis der Dynamik des Zusammenbruchs der klassischen Maya-Kultur außerhalb der großen Machtzentren des Tieflands bei.

Die bedeutendsten Funde aus sieben Jahren Grabungstätigkeit sind im Museo de Arqueología Maya - Fuerte de San Miguel in Campeche sowie in einem kleinen lokalen Museum in Santa Rita Becanchén zu besichtigen.

Person gräbt Objekt aus Boden
Dzehkabtún: Freilegung von Funden in situ, Dokumentation und Arrangement in Vorbereitung für die Ausstellung im Museum, 2015. © IAI
Objekt im Dreck
Dzehkabtún Funde, 2015. © IAI
Objekt mit Zacken, Detailaufnahme
Dzehkabtún Funde, 2015. © IAI

Santa Rosa Xtampak

Santa Rosa Xtampak war eine der bedeutendsten klassischen Maya-Städte im Zentrum der Halbinsel Yucatán. Etliche Gebäude sind gut erhalten. Obwohl eine intensive archäologische Forschung – im Sinne systematischer Grabungen – in Santa Rosa Xtampak noch am Anfang steht, konnte das von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien von 2020 bis 2022 finanzierte Kooperationsprojekt von IAI und INAH an diesem Fundort auf eine mehr als 180jährige Forschungsgeschichte aufbauen, die sich vor allem auf die noch stehende Architektur konzentriert.

2022 von der University of Houston erstellte LIDAR-Aufnahmen (Light Detection and Ranging – dreidimemsionales Laserscanning aus der Luft, mittels Kleinflugzeug, Drohne oder Hubschrauber) ermöglichen es, die gescannte Oberfläche virtuell vom sie bedeckenden Bewuchs zu befreien und damit ein detailliertes Oberflächenmodell des Fundortes zu erstellen. Dieses bietet dem Team von IAI und INAH die Möglichkeit, gezielt einzelne Fundstellen aufzusuchen und detailliert zu dokumentieren.

Angesichts der bisher nur fragmentarisch vorhandenen Dokumentation von früheren archäologischen Arbeiten in Santa Rosa Xtampak, ist eine – auf Basis von 19 Grabungsschnitten – gut dokumentierte und stratigraphisch untermauerte Chronologie ein grundlegendes Ergebnis des Projekts.

Die Analyse von 29.995 Keramikscherben und weiterer Funde wie Grabbeigaben liefern auf dieser Basis Anhaltspunkte, um die Stellung Santa Rosa Xtampaks in der Machtstruktur und den Handelsnetzen der Maya in der klassischen Periode besser zu verstehen. Die noch erhaltene Architektur des monumentalen Zentrums stammt überwiegend aus der Blütezeit der Stadt in der Spätklassik (ca. 650-900 n.Chr.).

Die Ergebnisse des Projekts spiegeln auch die Bedeutung des Ortes als (über)regionales Zentrum seit dem Beginn der mittleren Spätklassik wider. Einflüsse in Architektur und Keramik weisen auf enge Verbindungen in die südlichen Regionen Río Bec und Petén hin. Die deutliche Unterrepräsentation früh- und endklassischer Keramik in allen ausgegrabenen Bereichen bleibt dagegen bisher ungelöst und wirft Fragen für weitere Forschungen auf.

Objekt im Dreck
Frosch- (oder Kröten-)Anhänger aus dem Gehäuse einer Meeresschnecke in situ. Solche Anhänger scheinen vor allem Kindern mit ins Grab gegeben worden zu sein, nach vergleichbaren Funden in Dzehkabtún und aus der Region zu urteilen. Foto: Santa Rosa Xtampak: Grabbeigaben, 2022 © IAI
Froschobjekt auf Schreibtisch
Santa Rosa Xtampak: Grabbeigaben, 2022 © IAI

Dzehkabtún und Santa Rosa Xtampak in den Beständen des IAI

Die Ausstellung verdeutlicht die engen Bezugspunkte eigener und externer Forschungsarbeiten zu den Sondersammlungen und der Bibliothek des IAI, dessen Wissensarchiv zu Lateinamerika, der Karibik, Spanien und Portugal Referenzen und Quellen für die Wissenschaft beherbergt und diese zugänglich macht.

Teobert Maler (1842-1917) gilt als einer der bedeutendsten Forschungsfotografen des 19. Jahrhunderts im Mayagebiet. 1887 besuchte er Dzehkabtún und 1891 Santa Rosa Xtampak. 1902 veröffentlichte er in der Göttinger Zeitschrift Globus Fotografien und Beschreibungen zu beiden Fundorten.

Sein Nachlass enthält über 2.700 Fotografien, Manuskripte, Notiz- und Tagebücher, Skizzen und detaillierte Architekturzeichnungen zu Mayaruinen. Von 2017 bis 2019 konnte sein Nachlass im IAI, darunter auch empfindliche und zuvor unveröffentlichte Original-Glasplattennegative über ein BKM-gefördertes Projekt wissenschaftlich und formal erschlossen und über die Digitalen Sammlungen des IAI zugänglich gemacht werden.

Gebäude mit Dachkamm
Dzehkabtún / Gebäude mit Dachkamm, 2008. © IAI
Historisches Foto eines Steingebäudes
Die Gebäude, die Maler 1891 in Santa Rosa Xtampak und insbesondere 1887 in Dzehkabtún fotografierte, sind heute entweder weiter verfallen oder restauriert worden. Der Nachlass Teobert Malers im IAI erfährt durch die derzeitige archäologische Forschung eine aktuelle Kontextualisierung. © IAI, Nachlass Teobert Maler, N-0040 s 52

Eine weitere Referenz für archäologische Forschung im Mayagebiet ist der Nachlass des Altamerikanisten Eduard Seler (1849-1922), der nach einer Promotion über die Mayasprachen und einer Habilitation über die Bilderhandschriften Mexikos 1894 begann, am Königlichen Museum für Völkerkunde Berlin (heute Ethnologisches Museum – Staatliche Museen zu Berlin) zu arbeiten, dessen Amerika-Abteilung er ab 1903 leitete. Im Zuge seiner Reisen und ausgedehnter Aufenthalte in Mexiko, besuchte er 1912 kurz Dzehkabtún.

Sein Nachlass im IAI umfasst insbesondere seine Aufzeichnungen zu altmexikanischen Kodizes und indigenen Sprachen, aber auch zahlreiche Fotografien und Zeichnungen als Referenzen zu Fundorten.

Das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist eine international etablierte Brücken-Institution des wissenschaftlichen Austauschs zwischen Deutschland, Europa und Lateinamerika. Die Ko-Produktion von Wissen, die Durchführung gemeinsamer Forschungsprojekte sowie der Ausbau grenzüberschreitender Netzwerke der multidisziplinären Zusammenarbeit spielen eine zentrale Rolle in der Arbeit des Instituts.


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