„Back-Ups“ in Gips

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Am 18. Juli 2024 fand in der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin in Anwesenheit des Botschafters der Republik Guatemala, S.E. Jorge Alfredo Lemcke Arevalo, die feierliche Übergabe zweier Repliken an das guatemaltekische Museo Comunitarío Yalambojoch statt. Die von der Gipsformerei in Handarbeit angefertigten Gipsabgüsse von Objekten aus der Sammlung des Ethnologischen Museums dienen zukünftig der Vermittlung von lokalem indigenen Wissen.

Vorsichtig heben S.E. Jorge Alfredo Lemcke Arevalo, Botschafter der Republik Guatemala und Hermann Parzinger, Präsident der SPK, den großen Sonnenstein aus seinem Halterahmen und legen ihn sanft in die vorbereitete Transportkiste. Von hier wird die echtem Stein täuschend ähnelnde Replik in den nächsten Wochen ihre Reise über den Atlantik in den Norden Guatemalas antreten. Dort werden die handgefertigten Gipsabgüsse zukünftig im Museo Comunitarío Yalambojoch ausgestellt werden und der Vermittlung von lokalem indigenen Wissen dienen.

Abguss eines Sonnensteins auf einer Staffelei
Abguss des sog. Sonnensteins vom Sonnentempel aus Guatemala, Quen Santo, 2024, Gips, bemalt, 66 x 61 X 15 cm. © Staatliche Museen zu Berlin / Gipsformerei
Abguss einer Ahnenfigur aus Guatemala
Abguss einer Ahnenfigur aus Guatemala, Huehuetenango, Tres Lagunas, 2024, Zugang der Form 1896, Gips, bemalt, 90 x 37 x 28 cm. © Staatliche Museen zu Berlin / Gipsformerei
Siegel der Gipsformerei
Prägung der Berliner Gipsformerei. © SPK / photothek / Thomas Koehler

Die große Berliner Yalambojoch-Sammlung des Ethnologischen Museums geht auf den Altamerikanisten und Historiker Eduard Seler und seine Frau Caecilie Seler-Sachs zurück, die 1896 das heutige Guatemala bereisten. Vor Ort fertigte Seler auch sogenannte Papierabklatsche an – also negative Gussformen aus Papier, aus denen dann im Berlin Gipsabgüsse entstanden. Unter den abgeformten Kunstwerken waren auch zwei auf das Jahr 800–900 datierte Sandsteinobjekte: Ein sogenannter Sonnenstein aus dem örtlichen Sonnentempel sowie eine Ahnenfigur mit Halsschmuck. Auf Grundlage dieser Abgüsse erstellte die Gipsformerei noch vor 1900 beständige Stückformen, die bis heute zur Reproduktion in der Werkstatt verwendet werden können.

Zwei Männer hören einem anderen Mann zu, im Hintergrund Steinobjekte
Einleitende Worte sprach Miguel Helfrich, Leiter der Gipsformerei (re.). © SPK / photothek / Thomas Koehler
Ein Mann spricht, hinter ihm Steinobjekte
Miguel Helfrich, Leiter der Gipsformerei. © SPK / photothek / Thomas Koehler
Ein Mann spricht, im Hintergrund eine runde Steinscheibe
SPK-Präsident Hermann Parzinger. © SPK / photothek / Thomas Koehler
Menschen stehen im Halbkreis um einen sprechenden Mann
Übergabe zweier Repliken an das Museo Comunitarío Yalambojoch in Anwesenheit des Botschafters der Republik Guatemala. © SPK / photothek / Thomas Koehler
Mann spricht in einer Werkstattumgebung
S.E. Jorge Alfredo Lemcke Arevalo, Botschafter der Republik Guatemala. © SPK / photothek / Thomas Koehler
Mann spricht, im Hintergrund Steinobjekte in einer Werkstatt
Lars-Christian Koch, Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst im Berliner Humboldt Forum. © SPK / photothek / Thomas Koehler
Frau spricht, im Hintergrund Steinobjekte
Restauratorin Kai-Patricia Engelhardt. © SPK / photothek / Thomas Koehler

Die Anfertigung langlebiger Gussformen war im Nachhinein betrachtet ein großes Glück, da sich beide Objekte im Original leider nicht erhalten haben. Die Sonnenscheibe wurde von Seler auch im Original ausgeführt, gilt seit 1944 jedoch als Kriegsverlust. Die Steinfigur verblieb in Guatemala, ist aber heute ebenfalls verschollen.

Gruppenfoto in einer Werkstatt neben zwei Gipsabformungen
Übergabe zweier Repliken an das Museo Comunitarío Yalambojoch in Anwesenheit des Botschafters der Republik Guatemala (Mitte). © SPK / photothek / Thomas Koehler
Zwei Männer in Anzügen unterhalten sich
Lars-Christian Koch (li.) und Hermann Parzinger im Gespräch. © SPK / photothek / Thomas Koehler

Die Übergabe der Repliken ist Teil eines langfristig angelegten Kooperationsprojekts zwischen dem Ethnologischen Museum und dem Verein „Associación Awum Te“ als Träger des lokalen Gemeindezentrums im guatemaltekischen Yalambojoch. Der Verein betreibt das aus einer indigenen Initiative entwickelte Gemeindezentrum als kulturelles Forum für die lokalen Communities. Yalambojoch ist ein Dorf mit ungefähr 2000 Einwohnerinnen und Einwohner in der Gemeinde Nenton im Departmento Huehuetenango im Landesinneren Guatemalas. Die Bevölkerung ist überwiegend indigen und spricht mehrheitlich die Maya-Sprache Chuj.

Zwei Männer posieren neben zwei Objekten in einer Werkstatt
SPK-Präsident Hermann Parzinger (li.) und S.E. Jorge Alfredo Lemcke Arevalo, Botschafter der Republik Guatemala, mit den beiden Objekten. © SPK / photothek / Thomas Koehler
Zwei Männer halten eine runde Steinscheibe hoch
SPK-Präsident Hermann Parzinger (li.) und S.E. Jorge Alfredo Lemcke Arevalo, Botschafter der Republik Guatemala, mit dem Sonnenstein. © SPK / photothek / Thomas Koehler

Bestandteil des Kooperationsprojekts zwischen dem Ethnologischen Museum und dem Verein „Associación Awum Te“ ist neben der Bereitstellung von Repliken unter anderem die Umsetzung eines Ausstellungskonzepts für das Museum in Yalambojoch unter Einbindung von konservatorischer Expertise des Ethnologischen Museums in Berlin. Ziel der Zusammenarbeit ist die Förderung des Austauschs über die eigenen kulturellen Traditionen in Yalambojoch und der Region, unter anderem durch Einbindung der örtlichen Schule in ein entsprechendes museales Vermittlungskonzept. Hierbei dienen Erkenntnisse aus der Forschung von Eduard Seler als Grundlage. Die Übergabe der beiden Repliken ist eine der ersten „Rückgaben“ der Berliner Museen, die in Form von Abgüssen erfolgte und damit der große Bedeutung historischer Formen – sozusagen „Back-Ups“ in Gips – im Kontext eines geteilten Erbes sichtbar macht.


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