Derzeit lassen sich im Foyer des Kulturforums 84 Exponate von über vierhundert Schüler*innen bestaunen, die beim Schulwettbewerb „Junge Kunst für Hanau“ mitgemacht haben. Kunstlehrkräfte und ihre Klassen waren aufgerufen zum Themenkomplex Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus und anderen Formen von Ausgrenzung Kunstwerke einzureichen. Es gibt eine Vielzahl von talentierten Beiträgen – von Fotografien über Druckgrafiken bis hin zu Plastiken. Für das SPKmagazin haben einige Schüler*innen ihre Arbeiten und die Bedeutung dahinter vorgestellt.
„Junge Kunst für Hanau“ ist Teil des bundesweiten Aktionstags Hanau, der von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und der Initiative kulturelle Integration ins Leben gerufen wurde. Damit wird an die Opfer des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau vom 19. Februar 2020 erinnert und ein Zeichen gegen jegliche Form von Rassismus und Ausgrenzung gesetzt.
V.l.n.r.: Olena Zaloga mit Claudia Roth und Daryna Lokhiska, Klassenstufe 6 der Christian-Rauch-Schule (Bad Arolsen, Hessen), vor ihrer Zeichnung "Grenzenlose Schönheit" (2023, Buntstiftzeichnung, 42 x 60 cm).
Foto: Jule Roehr / Initiative kulturelle Integration
Die Zeichnung der Schülerin Daryna, aus der sechsten Klasse der Christian-Rauch-Schule in Bad Arolsen (Hessen), zeigt vier junge Frauen in traditioneller Kleidung verschiedener Kulturkreise. Daryna stammt ursprünglich aus der Ukraine, die sie infolge des russischen Angriffskriegs verlassen musste, und ist erst seit fünf Monaten in Deutschland. Zusammen mit ihrer Lehrerin, Olena Zaloga, spricht sie über ihre Zeichnung:
„Mein Bild heißt ‚Grenzenlose Schönheit‘. Das Motiv selbst hatte ich schon früh vor Augen. Drei Tage lang habe ich überlegt, wie ich es am besten zeichne, und dann habe ich einfach losgelegt. Ich habe mich schon immer für schöne Frauen interessiert – egal welcher Herkunft oder Aussehen. Aber mir ist auch aufgefallen, dass Frauen ungleich behandelt werden und aufgrund ihrer Herkunft herabgestuft werden. In unserer Welt ist es unmodern Grenzen aufzuziehen – durch das Internet sind wir ja alle vernetzt – und trotzdem passiert es tagtäglich. Eigentlich könnten wir eine Welt-Gemeinschaft sein und nicht im nur im eigenen Saft kochen. Rassismus ist eine Krankheit der Vergangenheit und wir wollen eine Zukunft ohne ihn.“
Olena Zaloga freut sich, dass Daryna an dem Projekt teilnimmt: „Ich habe eine Integrationsklasse mit 20 Kindern und leite spannende kulturelle Bildungsmöglichkeiten immer an meine Schüler*innen weiter. Für mich ist es sehr wichtig, dass auch sie am kulturellen und politischen Leben in Deutschland teilhaben können. Kunst und Musik wirken dabei besonders integrativ.“
Hermine Mensching (links) und Sofiia Karaieva vor ihren Grafiken (beide "Ohne Titel", 2023, digitale Collagen, 70 x 50 cm) besuchen die 10. Klasse des Ratsgymnasium Stadthagen (Niedersachsen).
Foto: SPK / Killisch
Hermine und ihre Klassenkameradin Sofiia besuchen beide die 10. Klasse das Ratsgymnasiums Stadthagen in der Nähe von Hannover. Beide sind versierte Nachwuchsgrafikerinnen und haben zwei Plakate entworfen.
Hermines Plakat arbeitet mit Fotografien von rassistischen und antisemitischen Demonstrationen und Ausschreitungen. Traurige Realität in Deutschland. „Mein Bild soll die Welt von heute darstellen mit all ihrer Diskriminierung, dem Antisemitismus und dem Rassismus. Aber in der Mitte des Bildes, in der leuchtenden Glühbirne, sind die Menschen dargestellt, die offen und vielfältig sind. Die so sind, wie sie sind und andere nicht aufgrund ihrer Herkunft diskriminieren. Das soll zeigen, dass wenn wir uns frei entfalten und andere Menschen nicht ausgrenzen, dass wir dann stärker leuchten als der Hass.“
Auch Sofiias Bild leuchtet in starken Farben. Sie verrät, dass Webdesignerin ihr Traumberuf ist. Gestalterisch hat sie den Slogan „You are diverse“ hervorgehoben. Das ist für sie die Kernmessage ihres Werks: „Mein Plakat habe ich als Erinnerung daran geschaffen, dass jede*r von uns vielfältig ist. Jeder Mensch ist ein kompliziertes und einzigartiges Puzzle, das aus vielen unterschiedlichen Teilen besteht. Unsere Eigenschaften, eigene Erfahrungen, individuelle Talente und Interessen vereinigen sich, um eine einzigartige Persönlichkeit zu erschaffen. Wir alle sind unterschiedlich und genau diese Diversität macht unsere Welt reicher und besser. Es wäre gut, wenn wir einander immer respektieren und uns gegenseitig inspirieren, Großes zu erreichen.“
Limar Chikh Saaid, hier vor ihrem Werk "l´unique MOI" (2023, Farbfotografie, 29,7 x 21 cm), besucht die elfte Klasse des Gymnasium Schönefeld (Brandenburg).
Foto: SPK / Killisch
Limars Beitrag ist eine selbstinszenierte Fotografie mit ihr im Mittelpunkt. Es geht um ein Thema, dass die Schülerin der 11. Klasse des Gymnasium Schönefeld (Brandenburg) persönlich sehr beschäftigt: „Wir haben uns in der Schule mit Diskriminierungen verschiedenster Art auseinandergesetzt. Mein Thema ist Islamophobie. Mädchen, die hier ein Kopftuch tragen werden von außen oft so wahrgenommen, dass sie kein normales Leben führen können bzw. keinen normalen Alltag haben – was natürlich nicht stimmt. Mit diesem Bild möchte ich ausdrücken, dass es auf unseren inneren Charakter ankommt und nicht nur auf das Äußere. Das Kopftuch ist ein Teil der Persönlichkeit und bedeutet nicht, dass alle, die es tragen, identisch sind und nur alle, die keins tragen, individuell. Egal ob mit oder ohne Kopftuch, jede*r von uns ist auf seine Weise einzigartig.“
Hintergrund
Am 19. Februar 2020 wurde ein rassistisch und rechtsextremistisch motivierter Anschlag in Hanau verübt. Dabei wurden neun Menschen getötet: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Sechs weitere Menschen wurden verletzt. Das Attentat in Hanau ist eines der gravierendsten Beispiele für Rassismus und Rechtsextremismus in Deutschland.
Die Ausstellung wurde am 13. Februar 2024 von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, Gero Dimter, Vizepräsident der SPK, und der stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats, Gabriele Schulz, gemeinsam mit Serpil Temiz Unvar, Mutter eines der Opfer und Gründerin der „Bildungsinitiative Ferhat Unvar“ eröffnet. „Junge Kunst für Hanau“ ist noch bis zum 28. Februar 2024 im Foyer des Kulturforums zu sehen.