In Dahlem praktiziert ein Verein traditionelle japanische Teezusammenkünfte. Zukünftig wird er dies im Humboldt Forum tun – in einem neu entworfenen, einzigartigen Teehaus. Zu Besuch beim Urasenke-Teeweg-Verein.
Gedämpftes Licht taucht den kleinen Raum in weiche Farben, als die fünf Schüler des Berliner Urasenke-Teeweg-Vereins ihn mit andächtigen Schritten betreten. Mit weißen Socken an den Füßen und in Kimonos gehüllt, nehmen sie auf dem mit traditionellen japanischen Reisstrohmatten ausgelegten Boden Platz, wo sie nahezu reglos im Fersensitz verharren. Linkerhand erscheint durch eine Tür die Teemeisterin Nobuko Sōchō Sugai-Baumgarten. Freundlich nickt sie den Versammelten zu und schreitet dann zielstrebig in Richtung eines großen, mit Wasser gefüllten Kessels, der in einer Nische im hinteren Teil des ansonsten schlicht eingerichteten Raums über einer Feuerstelle schwebt. Vorsichtig gleitet sie auf die Knie und beginnt mit grazilen Bewegungen, den Usucha, einen schaumig-leichten Matcha-Tee anzurühren. Nachdem einige Minuten verstrichen sind, füllt die Meisterin die hellgrüne Flüssigkeit in eine Keramikschale zu ihrer Rechten. Wie auf ein Zeichen erhebt sich daraufhin die erste Schülerin und nimmt mit einer tiefen Verbeugung das weißglasierte Gefäß entgegen, bevor sie sich erneut in den Fersensitz begibt. Langsam führt sie die Schale zum Mund, trinkt mit geschlossenen Augen, den Kopf dabei tief in den Nacken gelegt. Drei Mal setzt sie an, dann ist die Schale geleert. Nun beginnt die Prozedur von Neuem und wiederholt sich, bis alle Anwesenden in den Genuss einer Schale Tee gekommen sind. Dazwischen wird Gebäck gereicht, Worte werden mit gedämpfter Stimme gewechselt.
Der Urasenke-Teeweg-Verein © Christoph Mack
Was hier im Teeraum in den ehemaligen Ausstellungssälen des Museums für Asiatische Kunst in Berlin-Dahlem dargeboten wird, ist eine japanische Teezusammenkunft, von den meisten Praktizierenden schlicht als Teeweg (chadō) bezeichnet. Die Anfänge dieses Rituals lassen sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Mit der Zeit ist die Teezeremonie eine Art Nationalsymbol geworden. So absolvieren fast alle japanischen Diplomaten einen entsprechenden Grundkurs. „Für die Praktizierenden ist der Teeweg eine Lebenshaltung, die unterschiedliche Elemente umfasst – unter anderem auch eine Schulung in Etikette. Die Handlungen sind stark durchchoreografiert. Welche Elemente der Choreografie in welcher Reihenfolge zur Geltung kommen, hängt vom Typ der Zusammenkunft ab“, erläutert Alexander Hofmann, Kurator für Kunst aus Japan am Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin. Die Betonung des choreografischen Charakters bestätigt den Eindruck einer künstlerischen Performance, der durch die bühnenartige Raum-in-Raum-Konstruktion des Dahlemer Teeraums noch verstärkt wird.
Auch Teemeisterin Nobuko Sōchō Sugai-Baumgarten, seit 2019 Präsidentin des Urasenke-Teeweg-Vereins Berlin, hebt den künstlerischen Charakter der Zeremonie hervor. Nach einem Kunststudium in Tokio und Düsseldorf und einer langjährigen Tätigkeit als bildende Künstlerin hat sie sich seit einigen Jahren ganz dem Teeweg verschrieben. Anders jedoch als viele Teemeister in Japan, die ihn häufig eher konservativ praktizieren, pflegt Sugai-Baumgarten eine flexiblere Herangehensweise: Sie verbindet Tradition und kreative Neuinterpretation auf intellektuelle Weise miteinander, bleibt dabei aber den Ideen verbunden, die den verschiedenen Teeschulen zugrunde liegen.
Passenderweise trägt der Teeraum in Dahlem den japanischen Titel „Bôki“, was wörtlich „die alltäglichen Angelegenheiten vergessen“ bedeutet. Seit 2005 werden hier regelmäßige Teezeremonien angeboten – eine Tradition, die das Museum für Asiatische Kunst im Humboldt Forum im neu errichteten Berliner Schloss fortführen wird, wie Alexander Hofmann erklärt: „Für das Humboldt Forum werden wir ein weltweit einzigartiges Teehaus realisieren. Der Entwurf stammt von einem Team um den Architekten Jun Ura aus Kanazawa und ist im Ergebnis gleichermaßen Kunstwerk wie Architektur. Das Teehaus wurde in enger Abstimmung mit einem japanischen Teemeister sowie mit Frau Sugai-Baumgarten und gemeinsam mit Kunsthandwerkern verschiedener Disziplinen konzipiert.“ Interessierte haben also auch in Zukunft die Möglichkeit, die Kunst der japanischen Teezusammenkunft zu bewundern oder auch direkt an einer Zeremonie teilzunehmen. Eine bessere Gelegenheit, dem Alltag zu entfliehen und kleine und große Sorgen zumindest zeitweise hinter sich zu lassen, findet sich kaum.
Alexander Hofmann
Der 1970 geborene Kunsthistoriker ist Kurator für Kunst aus Japan am Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin.