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„Alles ist Wechselwirkung…“ Mit Alexander von Humboldt im IAI forschen

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Ein neues Wissenschaftler*innen-Netzwerk, an dem das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) beteiligt ist, wird mit dem Humboldt-Alumni-Preis 2024 ausgezeichnet. Das IAI ist zudem Gastgeber für Stipendiaten*innen der renommierten Alexander von Humboldt-Stiftung.

Das Ibero-Amerikanische Institut (IAI) der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist eine international etablierte Brücken-Institution des wissenschaftlichen Austauschs zwischen Deutschland, Europa und Lateinamerika. Die Ko-Produktion von Wissen, die Durchführung gemeinsamer Forschungsprojekte sowie der Ausbau grenzüberschreitender Netzwerke der multidisziplinären Zusammenarbeit spielen hierfür eine zentrale Rolle. Von großer strategischer Bedeutung sind außerdem die mehr als 70 Gastwissenschaftler*innen, die das Forschungsprofil, das Publikationsprogramm und das breite Spektrum an wissenschaftlichen Veranstaltungen mitgestalten.

Aufgrund dieser Internationalisierungserfahrungen ist das IAI ein idealer institutioneller Partner für den Aufbau einer Plattform zur Vernetzung von Sozial- und Geisteswissenschaftlerinnen aus Lateinamerika und Deutschland. Die Idee für diese Initiative hatten Margarita Valdovinos (Universidad Nacional Autónoma de México) und Gisela Cánepa (Pontificia Universidad Católica del Perú), die beide mit Förderung der Alexander von Humboldt-Stiftung mehrere Forschungsaufenthalte am IAI durchgeführt haben, und Barbara Göbel, Direktorin des IAI.

Ziel des Network of Women from Latin America and Germany in the Humanities and Social Sciences ist es, sich gemeinsam mit der Situation von Frauen in den Wissenschaften auseinanderzusetzen, Perspektiven, Strategien und Erfahrungen auszutauschen und den transregionalen, generationenübergreifenden Transfer von Expertisen zu fördern. Das auf drei Jahre ausgerichtete Projekt war so überzeugend, dass es trotz des großen Wettbewerbs und begrenzter Programm-Mittel mit dem Humboldt-Alumni-Preis für innovative Netzwerkinitiativen 2024 ausgezeichnet wurde.

Für das IAI, aber auch für die SPK insgesamt, ist das Netzwerk eine großartige Möglichkeit, von anderen kulturellen, politischen und ökonomischen Kontexten zu lernen, über die Herausforderungen der Internationalisierung produktiv zu reflektieren und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu stärken.

Das Netzwerk ist – so wie die Forschungsaufenthalte der Gastwissenschaftler*innen – ein wichtiger Beitrag für die strategische Weiterentwicklung der Internationalisierung des IAI, insbesondere unter Einbeziehung des sogenannten „Globalen Südens“. Um hierfür eine systematische Datengrundlage zu schaffen, evaluiert das IAI zurzeit die Internationalisierung in allen Arbeitsbereichen für den Zeitraum 2015 – 2023. Dabei wird u.a. auch die vielfältige Mitwirkung der Gastwissenschaftler*innen am Veranstaltungsprogramm des IAI in den Blick genommen.

Zwischen 2015 und 2024 haben ca. 600 Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Disziplinen der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften Forschungsaufenthalte am IAI durchgeführt, darunter insgesamt 31 Stipendiat*innen und Preisträger*innen der Alexander von Humboldt-Stiftung. Dieser – auch innerhalb der SPK – sehr hohe Anteil an Exzellenzförderung unterstreicht das internationale Renommee des IAI als Gastinstitution für herausragende Wissenschaftler*innen. Darüber hinaus werden Forschungsaufenthalte durch das IAI-Stipendien- und Fellowprogramm sowie DAAD, DFG, BMBF und UNESCO, aber auch lateinamerikanische Förderer wie CAPES (Brasilien), Conacyt (Mexiko), Fondecyt (Chile) unterstützt.   

Die vier Alexander von Humboldt-Stipendiat*innen, die derzeit im Ibero-Amerikanischen Institut forschen, stellen ihr Forschungsprojekt hier vor:

Porträt eines Mannes neben einem Aufsteller vor Bücherregal

Martín Bergel, Universidad Nacional de San Martín / Conicet, Buenos Aires (Argentinien): Modernization of the Press, Intellectuals and Globalization: Global Moments in the Public Sphere of South American Capitals (1889-1929)

"In meinem Forschungsprojekt geht es um eine Geschichte der Globalisierung der Information im ausgehenden 19. Jh. und beginnenden 20. Jh. Im Zentrum steht die Frage, wie diese Entwicklung über verschiedene Akteure aus intellektuellen, journalistischen und kulturellen Kreisen in den drei urbanen Zentren Buenos Aires (Argentinien), Lima (Peru) und Rio de Janeiro (Brasilien) vorangetrieben wurde.

Ich untersuche hierfür fünf „Weltnachrichtenmomente“, die in einer bislang unbekannten Geschwindigkeit zirkulierten. Ausgelöst wurde sie durch das Zeitalter des Telegrafen, die internationalen Nachrichtenagenturen, die industrielle Reproduktion von Pressebildern und eine Kultur des Nachrichtenkonsums in einer Größenordnung, die die vorhergehenden Rhythmen und Formate nachhaltig veränderte.

Für die komparative Untersuchung der Entwicklungen in verschiedenen lateinamerikanischen Städten sind die einmaligen Bestände des IAI unabdingbar; nicht allein die umfassenden bibliografischen Ressourcen, sondern auch die Pressebestände, die in dieser Vielfalt und historischen Tiefe nirgendwo anders so zur Verfügung stehen."

Foto: © IAI

Porträt einer Frau

Sophie Esch, Rice University, Houston, Texas (USA): Ecologies of War in Modern Latin American and African Literature

"Mein Forschungsprojekt befasst sich mit Tieren und bewaffneten Konflikten in Lateinamerika und im portugiesisch-sprachigen Afrika (1960er-2010er Jahre).

Ich analysiere Romane, Kurzgeschichten und Testimonial-Literatur aus Guatemala, Nicaragua, Kuba, Angola, Mosambik, Kolumbien, El Salvador und Mexiko.

Es geht mir um die Frage, welches Denken und welche Praktiken sie über Konflikt und Konvivialität zwischen Menschen und der mehr-als-menschlichen Welt widerspiegeln.

Die einzigartigen Sammlungen der Bibliothek und Sondersammlungen des IAI sind unentbehrlich für meine Arbeit; hierbei insbesondere die Fachliteratur auf Spanisch und Portugiesisch zu den Autor*innen, zu denen ich arbeite."

Foto: © Rice University

Porträt eines Mannes vor blauem Hintergrund

Facundo Damian Martín, Universidad Nacional de Cuyo (Argentinien), The Construction of Agroecological Food Systems in City-regions. Territorial and Socio-political Challenges

"Das Projekt untersucht vergleichend, unter welchen räumlichen, politischen, sozialen und institutionellen Bedingungen und mit welchen Akteurs-Konstellationen sich Ernährungssysteme sowohl in Argentinien als auch in Deutschland agrarökologisch ausrichten und nachhaltig transformieren.

Mit diesem Ziel werden zwei Stadtregionen untersucht, in denen sich die Transformation zu nachhaltigeren Ernährungssystemen zu einer wichtigen gesellschaftlichen und politischen Herausforderung entwickelt hat: die Metropolregion Mendoza in Argentinien und die Metropolregion Berlin-Brandenburg in Deutschland.

Der innovative Beitrag des Projekts liegt in dem Ansatz, durch einen standortübergreifenden, transdisziplinären Süd-Nord-Vergleich zu verstehen, wie Transformationen von Lebensmittelsystemen in Richtung Nachhaltigkeit zu Stagnationsprozessen und Konventionalisierung führen können.

Die außergewöhnliche Wissensinfrastruktur des IAI und die Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten, die das Institut bietet, sind grundlegend für meine vergleichenden Forschungen."

Foto: © Facundo Martín

Schwarz-weiß Porträt einer Frau

Mallory E. Matsumoto, The University of Texas at Austin (USA): Inscribing Religion: Classic Maya Ritual and the Spread of Hieroglyphic Writing

"Während eines 12-monatigen Aufenthalts am IAI habe ich an einem Buchprojekt gearbeitet, das sich mit der Schnittstelle zwischen Religion und Schrift im Wissenstransfer unter den klassischen Maya befasst.

Ohne die umfangreichen Bestände der Bibliothek und Sondersammlungen des IAI wäre dieses Vorhaben kaum möglich gewesen.

Bei der sorgfältigen Analyse von ausgewählten Hieroglyphentexten war das Bildmaterial aus dem Nachlass Teobert Malers besonders hilfreich.

Unter den diversen Gastwissenschaftler*innen am IAI habe ich auch noch neue Kontakte geknüpft, was meinen Berliner Aufenthalt insgesamt sehr bereichert hat."

Foto: © Diego Luis


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