Hermann Parzinger beim Humboldt Lab Tanzania

Ein großer Gesamtplan: Stückwerk vermeiden

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Was muss beim Umgang mit dem kolonialen Erbe in Deutschland politisch bis zur Eröffnung des Humboldt Forums im Herbst noch unbedingt auf den Weg gebracht werden?

Viele Maßnahmen sind von Politik, Museen und Öffentlichkeit bereits diskutiert worden. Mir schwebt eine Art Zehnpunkteplan vor:

Hermann Parzinger beim Humboldt Lab Tanzania

Hermann Parzinger beim Humboldt Lab Tanzania © SPK / photothek.net / Florian Gaertner

Erstens braucht es eine finanzielle und personelle Stärkung der Provenienzforschung an kolonialen Beständen in deutschen Museen.

Zweitens muss dies verbunden sein mit einer umfassenden Digitalisierung von Sammlungsobjekten und Erwerbungsakten, damit diese Informationen weltweit zugänglich werden.

Drittens müssen an den Universitäten entsprechende Studiengänge eingerichtet werden, die die Spezifika der Provenienzforschung im Hinblick auf koloniale Sammlungsbestände lehren.

Viertens bedarf es einer zentralen Anlaufstelle, die die Erkenntnisse der Provenienzforschung zusammenträgt und online zugänglich macht; das könnte beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste angesiedelt sein.

Fünftens braucht es zwischen Bund und Ländern klar abgestimmte Kriterien für Restitutionen.

Sechstens sollte die Rückgabe sog. Human Remains nach der Erforschung ihrer Herkunft Konsens sein und vordringlich umgesetzt werden.

Siebtens sollte ein Residency-Programm die dringend notwendige Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen aus den Herkunftsländern intensivieren.

Hermann Parzinger bei der Rückgabe von Grabbeigaben an die Chugach Alaska Corporation
Hermann Parzinger bei der Rückgabe von Grabbeigaben an die Chugach Alaska Corporation © SPK / photothek.net / Felix Zahn

Achtens braucht es einen Strukturfonds, der die Partnermuseen in den Herkunftsländern mit Capacity Building und Aus- und Weiterbildung unterstützt.

Neuntens sollten nach dem Vorbild der „Washingtoner Prinzipien“ international anerkannte Grundsätze für den Umgang mit dem kolonialen Erbe erarbeitet werden.

Zehntens braucht das Humboldt Forum einen geeigneten Ort der Aufklärung und des Gedenkens an die Opfer des Kolonialismus; das könnte mit einem künstlerischen Wettbewerb realisiert werden.

All das benötigt finanzielle Mittel, aber auch Entscheidungen zu den Rahmenbedingungen des Handelns von Museen. Beides ist nur auf politischem Wege zwischen Bund und Ländern zu erreichen. Einzelmaßnahmen bleiben Stückwerk, es braucht einen großen Gesamtplan.


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