ein Tisch voller Bücher

„Nein – unterhalten wir uns doch!“Die Berlin-Istanbul Literaturtage in der Stabi

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Die Bilder von Derwischen vor Polizeiketten in voller Montur gehen derzeit um die Welt – die angespannte Lage in der Türkei war dann auch Thema in der Staatsbibliothek, wo am 21. Und 22. März die Berlin-Istanbul Literaturtage gastierten. Unter dem Motto „Tatort Berlin“ boten sie dem Publikum einen spannenden Einblick in den deutsch-türkischen Krimikosmos. Mit dabei waren renommierte Schriftsteller*innen und Verleger*innen aus beiden Städten.

Gleich zu Beginn des Auftakttalks im Wilhelm-von-Humboldt-Saal der Staatsbibliothek adressiert Festivalleiterin und Autorin Burcu Argat natürlich auch die politische Lage in der Türkei und die damit verbundenen Ängste und Sorgen, die sie erlebt und die an sie herangetragen wurden. „Sag doch die Veranstaltung ab!“, hat sie im Vorfeld oft zu hören bekommen. Aber sie ließ sich nicht beirren und hielt trotz der volatilen Situation in der Türkei, in Folge der Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters und Präsidentschaftskandidaten Ekrem İmamoğlu, an dem Format fest, das ja vor allem die kulturelle Verständigung zum Ziel hat. Das sei in diesen Zeiten wichtiger denn je, und mit Blick auf die Lage in der Türkei fügt Argat hinzu: „Es ist spannungsvoll – genau wie in Krimis!“ Und um die geht es dann auch.

 

Ein Verbrechen als Metapher

Unter den Gästen der Veranstaltung sind Schriftsteller*innen aus beiden Metropolen, deren Werke neben dem Verbrechen auch stets die gesellschaftliche Ebene im Blick behalten. Mit dem aus Istanbul stammenden Autor Barbaros Altuğ beispielsweise entspinnt sich schnell ein lockeres Gespräch, gesprenkelt mit Lesungen aus noch unveröffentlichten Arbeiten, was den Übersetzer ins Schwitzen bringt, so aber unterhaltsam bleibt. Der einleitende Wortwechsel von Burcu Argat und Barbaros Altuğ gibt den Ton an: „Wollen wir über Deine Bücher sprechen? – Nein, unterhalten wir uns doch!“

Drei Menschen sitzen auf einer Bühne umgeben vom Publikum
Der Auftakttalk war ein lockeres Gespräch zwischen Festivalleiterin und Autorin Burcu Argat (r.) und dem Autor Barbaros Altuğ (m.). Das Gespräch fand in Türkisch statt und wurde ins Deutsche übersetzt. Foto: SPK / Killisch
Zwei Menschen im Gespräch auf einer Bühne
Burcu Argat (r.) sprach auch über ihre persönliche Rolle als Autorin. Foto: SPK / Killisch
Drei Menschen sprechen auf einer Bühne mit Mikros
Barbaros Altuğ (m.) beschäftigte sich für sein neustes Werk mit realen Morden an homosexuellen Männern in der Türkei. Foto: SPK / Killisch
Ein Tisch voller Bücher
Am Büchertisch warteten die Veröffentlichungen der Festivalteilnehmer*innen auf das interessierte Publikum. Foto: SPK / Killisch

Man lernt viel über zeitgenössische türkische Literatur an diesem Nachmittag. So beschäftigte sich Altuğ für sein neustes Werk mit realen Morden an homosexuellen Männern in der Türkei. Auch wenn er das Ganze als Noir-Krimi vor der urbanen Kulisse Istanbuls verpackt, adressiert er in ihm auch das bleierne gesellschaftliche Schweigen und die kollektive Unlust, diese Verbrechen aufzuklären. Im Zuge seiner Recherche hat sich Altuğ auch viel mit offener und versteckter Homosexualität beschäftigt – von Thomas Manns „Tod in Venedig“, über Virginia Woolf bis zur „Madonna im Pelzmantel“ vom türkischen Schriftsteller Sabahattin Ali.

 

Schriftstellerische Identitäten zwischen Berlin und Istanbul

Auch Burcu Argats eigener bisher unveröffentlichter Roman bewegt sich in den Gefilden der Kriminalliteratur. Die Schriftstellerin und Festivalleiterin schreibt an einer deutsch-türkischen Spionagestory, verortet in Berlin am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Im Talk spricht sie aber auch offen über ihre eigene Rolle. Das Schreiben ist für sie gezwungenermaßen nur eins von vielen Standbeinen. Es sei schwierig, sich als Frau und Mutter allein mit dem Schreiben über Wasser zu halten. Argat greift damit ein Thema auf, dass in Literaturbesprechungen oft zu kurz kommt: Die persönliche Situation der Autor*innen.  

Die Berlin-Istanbul Literaturtage 2025 boten dem Berliner Publikum spannende Einblicke in eine literarische Welt, die auf Vernetzung setzt, in der Grenzen überschritten und die Gemeinsamkeiten zweier urbaner Räume betont werden, und die sich nicht nur aufgrund historisch-demografischer Entwicklungen näherstehen als viele denken. Letztlich sind es Menschen, die mit ihren Geschichten Brücken bauen und Kulturen näher aneinander bringen.


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