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Das Verbundprojekt Mecila: Ein Zwischenbericht nach vier Jahren

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Gero Dimter, Vizepräsident der SPK, im Gespräch mit Peter Birle, wissenschaftlicher Direktor des IAI, anlässlich der German Directorship in Presence des Ibero-Amerikanischen Instituts in São Paulo, Brasilien

Das Ibero-Amerikanische Institut hat im April 2023 die einjährige German Directorship in Presence des Verbundprojekts Mecila: Maria Sibylla Merian Centre Conviviality-Inequality in Latin America in São Paulo übernommen. Das erste Halbjahr hat Peter Birle das IAI vertreten und ist vor kurzem aus Brasilien zurückgekehrt. Die Direktorin des IAI, Barbara Göbel, hat ihn abgelöst und wird noch bis Ende März 2024 German Director in Presence sein.

Gero Dimter: Es ist jetzt vier Jahre her, dass wir zusammen in São Paulo waren und den Förderantrag für die Finanzierung der Hauptphase von Mecila durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erfolgreich verteidigt haben. Wie hat sich aus Ihrer Sicht das Projekt seitdem entwickelt, welche Highlights gab es seither?

Peter Birle: Nachdem wir 2019 das Projekt verteidigt hatten und im März 2020 noch die Eröffnungskonferenz in São Paulo stattgefunden hat, bekamen wir erst einmal die Folgen der Pandemie zu spüren. Die Covid-19-Pandemie hat natürlich auch für Mecila gravierende Folgen gehabt, weil 2020 all das, was eigentlich präsentisch stattfinden sollte, überhaupt nicht möglich war. Es gab keine Fellows, die ja im Prinzip den Kern des Verbundprojektes ausmachen, und auch sonst lag vieles auf Eis. Wir haben dann wie alle angefangen, virtuelle Veranstaltungen und Meetings durchzuführen, aber das ist natürlich nicht dasselbe. Erst 2022 herrschte relative Normalität; und als ich von April bis September dieses Jahres als German Director in Presence in São Paulo war, hatte ich das Privileg, die volle Normalität dieses Verbundprojekts miterleben zu dürfen. Wir hatten in der Zeit, in der ich da war, fünf Senior Fellows, vier Junior Fellows, drei Thematic Research Fellows, zwei Urban Narrative Fellows sowie sechs Doctoral Researchers, also insgesamt etwa 20 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern, die zwischen 6 und 9 Monaten in São Paulo verbracht haben. Die Zusammenarbeit mit dieser Gruppe war ein zentraler Bestandteil meines Aufenthalts in Brasilien. Als Mecila Principal Investigator, d.h. in der Rolle, die ich sonst im Projekt wahrnehme, bekommt man zwar auch viel mit, denn man reist einmal im Jahr für eine Woche zum Annual Meeting nach Brasilien und eventuell noch zu dem einen oder anderen Workshop in Lateinamerika. Aber für einen längeren Zeitraum in São Paulo vor Ort sein zu können und die Forschungsarbeiten der Fellows und Doctoral Researchers intensiver kennen zu lernen, hat natürlich noch einmal eine andere Qualität.

In den vergangenen Jahren hat sich die Zusammenarbeit innerhalb des Verbundprojektes enorm weiterentwickelt. Die fünf Partnerinstitutionen haben auch schon vorher kooperiert, aber diese Zusammenarbeit hat sich durch Mecila verstetigt und vertieft, insbesondere über die Arbeit in den verschiedenen Forschungsgruppen und die regelmäßigen Veranstaltungen. Innerhalb des Projekts gibt es drei Thematic Research Groups: Medialities of Conviviality, (Hi)Stories of Conviviality und Politics of Conviviality. In den letzten Jahren haben wir eine Reihe von Workshops durchgeführt. So fand im Juni 2023 in La Plata in Argentinien ein Workshop zum Thema „Knowledge, Medialities and Information Infrastructures: New Convivialities? Old Inequalities?“ statt. Im September 2022 hat das IAI in Berlin einen Workshop zum Thema „Latin American Knowledges in Circulation. Mediating Differences in Convivial Contexts” organisiert. Die Vorträge und Diskussionen im Rahmen dieser Workshops haben dem Projekt wichtige inhaltliche Impulse gegeben. Für uns als IAI waren sie auch wichtige Beiträge zu unserer Forschungslinie „Wissensproduktion und Kulturtransfer: Lateinamerika im transregionalen Kontext“. Bei den Mecila Annual Meetings kommt dann die ganze „Mecila-Familie“ zusammen und die Fellows präsentieren ihre Projekte. Auch dieser Austausch ist ein wichtiger Erfahrungsraum, den dieses Projekt bietet.

 

Nehmen Sie unterschiedliche Perspektiven der verschiedenen Partner aus Lateinamerika wahr?

Natürlich gibt es unterschiedliche Perspektiven, aber insgesamt ist mein Eindruck, dass wir bei vielen Themen, die wir im Rahmen von Mecila behandeln, oft näher beisammen sind, als ich das in anderen Kontexten erlebe, beispielsweise, wenn ich als Politikwissenschaftler beratend tätig bin. So scheint es mir in der deutschen Öffentlichkeit noch nicht angekommen zu sein, dass das, was wir hier als Zeitenwende erleben, in Lateinamerika nicht in einer ähnlichen Art und Weise empfunden wird. Bei den Kolleginnen und Kollegen von Mecila stelle ich aber fest, dass wir in vielerlei Hinsicht ein ähnliches Problembewusstsein haben, z.B. was die Herausforderungen angeht, mit denen Archive in der heutigen Zeit konfrontiert sind. Während meines Aufenthalts hatte ich die Gelegenheit, in Rio de Janeiro das Nationalarchiv zu besuchen, von dessen Seite es Interesse an einer Kooperation mit dem IAI gibt. Die Kolleginnen und Kollegen dort haben sich sehr viel Zeit genommen und mir alle Arbeitsbereiche des Nationalarchivs gezeigt. Das war für mich besonders spannend, da wir im IAI ebenfalls Sondersammlungen haben, für die ich als Leiter der Forschungsabteilung mit zuständig bin.


Die Tagung Anfang Oktober war ja praktisch Schlusspunkt Ihres halbjährigen Aufenthalts in Brasilien. Wie war die Dynamik, wie viele Teilnehmende gab es?

Das „Annual Meeting and Young Researchers Forum“ (AMYRF) war für mich in diesem Jahr insofern besonders spannend, als das IAI für die inhaltliche Vorbereitung und Organisation zuständig war. Als German Director in Presence und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Komites habe ich gemeinsam mit unserer Direktorin Barbara Göbel und drei weiteren Kolleginnen das Programm erarbeitet. Insgesamt haben ungefähr 70-80 Personen am AMYRF teilgenommen. Neben den angereisten Principal Investigators und Associated Investigators der Partnerinstitutonen hatten wir auch einige renommierte externe Wissenschaftler*innen eingeladen. Zusätzlich zum projektinternen Austausch fanden zwei öffentliche Veranstaltungen statt, eine davon im Goethe-Institut in São Paulo. Die Dynamik im Rahmen des mehrtägigen Austauschs war großartig.

Bei unserem Jahrestreffen nahmen diesmal auch Vertreterinnen und Vertreter eines weiteren Merian Centre teil, des Merian Centre for Advanced Studies in the Maghreb (MECAM) in Tunis. Auch mit ihnen haben wir Erfahrungen ausgetauscht. Zudem haben wir in einem gemeinsamen Workshop zum Thema „Asymmetries of International Knowledge Production and Circulation: Experiences, Best Practices and Challenges“ darüber gesprochen, wie die Merian Centre dazu beitragen können, Wissensasymmetrien zwischen Nord und Süd abzubauen.

Der Rhythmus des Verbundprojekts ist geprägt durch die Auftaktmeetings für die neuen Fellows und dann die Abschlussworkshops, die Annual Meetings?

Mit dem Auftaktworkshop im März, bei dem die neuen Fellows begrüßt werden, beginnen die akademischen Projektaktivitäten des Jahres. In den folgenden Monaten finden dann wöchentliche Forschungskolloquien statt, bei denen jeweils ein Fellow ihr oder sein Projekt vorstellt, das dann gemeinsam diskutiert wird. Zudem reisen weitere Mecila-Gastwissenschaftler*innen für kürzere Aufenthalte von bis zu zwei Wochen nach São Paulo an. 2023 waren dies beispielsweise die Kulturwissenschaftlerin Sophie Esch aus den USA, der indigene Intellektuelle Ángel Ramírez aus Ecuador und der Politikwissenschaftler Thomas Legler aus Mexiko. Mit diesen Gästen organisiert das Projekt jeweils einen Workshop sowie eine Distinguished Lecture. Die Workshops dienen der Zusammenarbeit mit den Fellows, bei den Distinguished Lectures kooperieren wir so viel wie möglich mit den Universitäten vor Ort. Dabei geht es auch darum, dem Projekt eine nachhaltige Ausstrahlung in die akademische Öffentlichkeit des Gastlandes Brasilien zu verschaffen. Zu den Projektaktivitäten gehören auch gemeinsame Exkursionen. 2023 fand beispielsweise ein Besuch des Museu das Culturas Indígenas (Museum der indigenen Kulturen) statt. Das ist ein von indigenen Mitarbeitenden kuratiertes Museum für indigene Kunst. Sehr spannend! Im Rahmen des diesjährigen AMYRF haben wir das Museu de Arqueologia e Etnologia (Museum für Archäologie und Ethnologie) der Universidade de São Paulo (USP) besucht. Dabei handelt es sich um ein kleines Museum mit beeindruckenden Depotbeständen, das vor ähnlichen Herausforderungen steht wie viele Museen in Deutschland, Europa und weltweit, die vom Umgang mit giftigen Konservierungsstoffen bis zu Restitutionsforderungen indigener Völker reichen.


Diesen Aspekt finde ich sehr spannend, dass insbesondere Museen und Institutionen des sogenannten Globalen Südens ähnlichen Herausforderungen gegenüberstehen wie wir. Hier einen Austausch herzustellen, um zu erfahren, wie sie damit umgehen, ist sicherlich sehr lohnend.

Ja, das finde ich auch. Wir können hier als IAI auch einen substantiellen Beitrag zur Vernetzung und zum Erfahrungstransfer in die SPK hinein leisten.

Es gibt ja einen starken Deutschlandbezug der lateinamerikanischen Länder, sei es durch deutsche Communities, die sich dort aufgrund von Auswanderung gebildet hatten; sei es durch Beziehungen, die über lange Jahre gewachsen sind. Beeinflusst das das Mecila-Projekt? Inwiefern können Sie aufbauen auf die Beziehungen, die das IAI traditionell in den Raum hat?

Es sind vor allem die starken Netzwerke, die das IAI hat, auf die wir aufbauen können. Zum Beispiel arbeiten wir seit vielen Jahren mit der Universidad Nacional de La Plata in Argentinien zusammen, die jetzt einer der Partner ist. Im Hinblick auf die Universidade de São Paulo (USP) ist es vor allem die Freie Universität Berlin mit dem Lateinamerika-Institut, die schon seit vielen Jahren enge Kontakte pflegt. Genauso auch mit dem sozialwissenschaftlichen Institut Centro Brasileiro de Análise e Planejamento (CEBRAP). Als IAI profitieren wir davon, dass wir durch Mecila über die Möglichkeit verfügen, unsere Kontakte und Netzwerke mit der USP, dem CEBRAP und vielen weiteren Institutionen in Brasilien zu vertiefen. In Mexiko hatten wir mit dem Colegio de México (COLMEX) schon einige Verbindungen, die sich nun weiter verdichtet haben. Auch mit dem zweiten vom BMBF in Lateinamerika finanzierten Maria Sibylla Merian Centre, dem Maria Sibylla Merian Centre for Advanced Latin American Studies in the Social Sciences and Humanities (CALAS) in Mexiko haben wir regelmäßige Kontakte etabliert. Selbstverständlich spielen auch die deutschen Communities eine wichtige Rolle für unsere Netzwerke. Wir sind mit zahlreichen deutschen Institutionen in Brasilien im Austausch, z.B. mit dem Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus (DWIH), dem Goethe-Institut, den politischen Stiftungen wie der Heinrich-Böll-Stiftung oder der Friedrich-Ebert-Stiftung. Es sind ganz viele und vielfältige Kontakte.

Im nächsten Jahr werden übrigens in Brasilien die 200 Jahre deutschsprachiger Einwanderung gefeiert. Da werden wir bei mehreren Projekten kooperieren.

Als ich 2019 mit Ihnen in Brasilien war, fand ich es bemerkenswert zu erleben, welches Renommee das IAl in Lateinamerika genießt. Das wurde in den Gesprächen immer wieder klar. Wie würden Sie die Bedeutung des Projekts für das IAI beschreiben?

Das Ibero-Amerikanische Institut ist schon immer eine sehr international ausgerichtete Institution gewesen, das ist sozusagen Teil unserer DNA. Wenn wir von Internationalisierung sprechen, dann meinen wir nicht, dass wir damit jetzt anfangen möchten, sondern es geht uns darum, bestehende internationale Kontakte weiter auszubauen und die Orientierung an international gültigen Standards weiter zu stärken. Ein Projekt wie Mecila bietet uns in diesem Kontext enorme Erfahrungs- und Lernräume. Ich betrachte es als großes Privileg, Teil solcher Austauschprozesse zu sein und auf diese Weise immer wieder Neues dazuzulernen. Und natürlich gibt Mecila dem IAI auch die Möglichkeit, sich international zu präsentieren – auch als Teil eines großen und spannenden Verbundes, der die SPK ist. Dank Mecila hat sich das Interesse am IAI als Forschungsort noch weiter erhöht. Wir merken das auch an einer wachsenden Anzahl von Stipendienbewerbungen aus Brasilien.


Ich will betonen, dass es auch für die SPK insgesamt ein wichtiges Projekt ist. Es stellt eines der Leuchtturmprojekte dar, von der Größe her, von der Vernetzung und den Partnern her, aber auch im Hinblick auf den Erfahrungswert. In der SPK haben wir ja auch andere Projekte in Lateinamerika in anderen Einrichtungen wie etwa das Amazonia Future Lab im Ethnologischen Museum, wo Frau Göbel als Direktorin des IAI im Board of Directors ebenfalls mitwirkt. Wir profitieren von den Erfahrungen aus den verschiedenen Projekten und lernen aus der Zusammenarbeit, auch wenn die Projekte unterschiedliche Zielrichtungen haben. Diesen Erfahrungstransfer über eine Verknüpfung auch in personeller Hinsicht. z.B. über den Board of Directors oder die Lenkungsgruppen, finde ich sehr wichtig.

Ich denke auch, dass alle diese Projekte sowohl für das IAI als auch für die SPK in vielerlei Hinsicht sehr gewinnbringend sind.


Ich habe im Programm der Jahrestagung geblättert, die Sie im Oktober hatten und habe festgestellt, dass einige spannende Themen dabei waren, die mich selbst auch interessiert hätten. Sie hatten beispielsweise referiert zum Thema Massenmedien und ihren Einfluss auf Zusammenleben und Ungleichheit. Der neugewählte Präsident von Argentinien Javier Milei hat seinen Wahlkampf überwiegend mit sozialen Medien geführt, wenn ich das richtig verfolgt habe.

Das ist korrekt. Milei hat die Wahlen zwar nicht nur wegen der erfolgreichen Nutzung von TikTok gewonnen, aber diese Plattform hat ihm sicherlich dabei geholfen. Und TikTok hat wegen Milei auch ein neues Mitglied bekommen, nämlich mich! Ein argentinischer Kollege, Juan Piovani von der Universidad Nacional de la Plata, der von Juli bis Oktober als Mecila Chair in São Paulo war und mit dem ich dort viel zusammengearbeitet habe, hatte bereits im September Befürchtungen geäußert, dass es zu einem Sieg des ultraliberalen Kandidaten Milei kommen könnte. Und so wurde ich neugierig und wollte mehr über diesen Politiker erfahren und habe mich bei TikTok angemeldet.


Welche Unterschiede konnten Sie in der Nutzung sozialer Medien zwischen Deutschland und den Ländern Lateinamerikas beobachten? Spielen die sozialen Medien dort noch eine größere Rolle als bei uns?

Ja, auf jeden Fall. In einem Land wie Brasilien geht die Nutzung von Internet und Social Media durch die ganze Bevölkerung. Gerade was Wahlkämpfe angeht, sieht man in den vergangenen Jahren eine enorme Bedeutung. Bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen von 2018, aus denen der rechtsradikale Kandidat Jair Bolsonaro als Sieger hervorging, haben Facebook und WhatsApp eine wichtige Rolle gespielt. Auch bei den Wahlen von 2022, die der jetzige Präsident Lula knapp gegen Bolsonaro gewonnen hat, war das der Fall. Bei den Wahlen in Argentinien kam jetzt TikTok eine vergleichbare Rolle zu. Interessant daran ist auch, dass vieles eher dezentral funktioniert. Javier Milei hat sich als „Anarcho-Kapitalist“ und „León der Löwe“ medienwirksam inszeniert bzw. seine oft jungen und medienaffinen Anhänger haben die kurzen Videos produziert und verbreitet, so dass er selbst gar nicht unbedingt aktiv werden musste. Die sozialen Medien erfreuen sich in Lateinamerika auch deshalb großer Beliebtheit, weil die traditionellen Mediensysteme noch viel stärker konzentriert sind als dies in Deutschland der Fall ist und weil die Qualität der Informationssendungen im Fernsehen oft sehr zu wünschen übriglässt. Für einige Bevölkerungsgruppen, die nur wenig Zugang zu den traditionellen Medien haben, beispielsweise für indigene Völker, bieten Social Media auch die Möglichkeit, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, was durchaus ein positiver Aspekt ist.


Wo können wir aus Ihrer Mecila-Erfahrung heraus als Deutsche und Europäer von Lateinamerika lernen?

Lateinamerika könnte für uns beispielsweise bei den Themen Open Access und Open Science ein Vorbild sein. Gerade was den offenen Zugang zu wissenschaftlichen Forschungsergebnissen angeht, ist Lateinamerika viel weiter als wir. In Europa sind es nach wie vor die großen Verlage, die den Markt der wissenschaftlichen Publikationen dominieren. Ihnen ist es gelungen, aus Open Access ein Geschäft zu machen, nämlich über die Author Fees. In Lateinamerika sind sehr viel mehr Zeitschriften offen zugänglich, was vor allem damit zusammenhängt, dass die Forschungsfinanzierung dort größtenteils staatlich ist. Dadurch haben Regierungen die Möglichkeit, als Bedingung vorzugeben, dass die Ergebnisse staatlich geförderter Forschungsprojekte im Open Access zur Verfügung gestellt werden müssen. Als Folge davon erscheint viel mehr im Open Access. Im IAI verfolgen wir mit unserem Publikationsprogramm im Prinzip eine ähnliche Linie.


Und wie geht es weiter mit Mecila? Die aktuelle Förderperiode dauert ja noch bis Ende 2026.

Eine Verlängerung muss 2025 beantragt werden. Bei dem Verlängerungsantrag gilt es darzustellen, was wir in der Zusammenarbeit mit der USP, dem CEBRAP und den anderen Institutionen auf dem Weg zur Verstetigung bereits erreicht haben. Die Idee des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ist ja, dass die Merian Centre nach dem Anschub durch eine Förderung von maximal zwölf Jahren eigenständig funktionieren sollen. Wenn der Verlängerungsantrag erfolgreich ist, erhalten wir noch einmal eine dreijährige Finanzierung, das wäre dann von 2026 bis 2029. Danach muss sich Mecila in irgendeiner Form selbst tragen, falls es nicht bis dahin andere Förderformate gibt. Die Finanzierung von Mecila erfolgt derzeit zu hundert Prozent über Deutschland. Das hat zwar den Vorteil, dass das Verbundprojekt dadurch weitgehend unabhängig ist von den Entwicklungen in der Wissenschaftspolitik in den jeweiligen Ländern in Lateinamerika.Aber wenn diese Länder in Zukunft mehr Einfluss auf die Formate der wissenschaftlichen Zusammenarbeit nehmen wollen, werden sie sich auch stärker finanziell engagieren müssen. Die Erfahrung zeigt, dass bereits ein relativ bescheidenes finanzielles Commitment in dieser Hinsicht große Wirkung entfalten kann.

Mit dem Rektor und verschiedenen Arbeitsbereichen und Abteilungen der Universidade de São Paulo hatten wir bereits einige Treffen, in denen wir über Formate der Zusammenarbeit nachgedacht haben, die Grundlage einer Verstetigung sein könnten. Beispielsweise gibt es die Idee, an der USP regelmäßig ein Mecila-Seminar anzubieten. Auch ist geplant, dort einen German Corner einzurichten, in dem sich wichtige deutsche Wissenschaftsinstitutionen präsentieren können. Außerdem denken wir an einen Austausch von Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftlern.


Wenn man Mecila mit einer Pflanze vergleichen möchte, dann denke ich zuerst an einen Baum, der immer tiefere Wurzeln schlägt. Oder vielmehr an einen Pilz, der unterirdisch ein großes Netzwerk mit anderen bildet und davon lebt. Das was ihn stark macht, das sind die fein verästelten Netzwerke in alle Richtungen, die ihm wie Mecila helfen, möglichst stabil auch in Zukunft zu überdauern.

Und dank des weit verzweigten Geflechts im Boden ist es den Pilzen möglich, an immer neuen Stellen aus der Erde zu schießen, wie immer wieder neu entstehende Ideen aus neuen Zusammenhängen. Ein schönes Bild!

Das Verbundprojekt Mecila (Maria Sibylla Merian International Centre for Advanced Studies in the Humanities and Social Sciences Conviviality-Inequality in Latin America)

Das Verbundprojekt Mecila (Maria Sibylla Merian International Centre for Advanced Studies in the Humanities and Social Sciences Conviviality-Inequality in Latin America) besteht seit 2017 und hat seinen Hauptsitz in São Paulo (Brasilien) mit weiteren Knoten in La Plata (Argentinien), Mexiko-Stadt (Mexiko), Köln und Berlin.

Das Zentrum erforscht vergangene und gegenwärtige Formen des sozialen, politischen und kulturellen Zusammenlebens in Lateinamerika und der Karibik und will zu einem besseren Verständnis von Konvivialität in vielfältigen und ungleichen Gesellschaften beitragen.

In einem Konsortium deutscher und lateinamerikanischer Institutionen arbeitet das IAI zusammen mit der Freien Universität Berlin, der Universität zu Köln, der Universidade de São Paulo (USP), dem Centro Brasileiro de Análise e Planejamento (Cebrap), dem Instituto de Investigaciones en Humanidades y Ciencias Sociales (IdIHCS/Conicet) der Universidad Nacional de La Plata und El Colegio de México. Mecila wird finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF, Bundesministerium für Bildung und Forschung). Ziel der Förderlinie der Maria Sybilla Merian International Centre for Advanced Studies in the Humanities and Social Sciences des BMBF ist die Wissensproduktionen des sogenannten Globalen Südens nachhaltiger mit denen des sogenannten Globalen Norden zu verzahnen.

Nach einer dreijährigen Vorphase und einer erfolgreichen internationalen Evaluation des Verbundprojekts hat im April 2020 die sechsjährige Hauptphase von Mecila begonnen, die mit insgesamt rund 12 Mio. EUR durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Das IAI koordiniert das Teilprojekt: „Medialities of Conviviality and Information Infrastructure“.  Von April 2023 bis April 2024 liegt die German Directorship des Projekts beim IAI.


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