Die Kolonnaden auf der Museumsinsel feiern die Freuden der Symmetrie und sind ein wunderbarer Ort zum Denken in Bewegung: Offen, elegant und mit urban verlockenden Perspektiven
Die fünf Museumsgebäude auf der Museumsinsel laden mit ihren unglaublichen Schätzen zum Staunen und Bewundern ein, zum Lernen und Genießen: Altes Museum, Neues Museum, Alte Nationalgalerie, Bode-Museum, Pergamonmuseum. Aber weil das bei aller Liebe zur Kunst müde machen kann, gibt es nicht nur Cafés zum Ausruhen und Stärken, sondern auch eine charmante architektonische Klammer, die das Gelände markiert und für neue Kräfte sorgen will. Es sind dies die Kolonnaden, die nicht nur einen Hof zwischen Alter Nationalgalerie, Neuem Museum und Spree säumen, sondern am Wasser entlang auch noch ein Stück weiter nach Nordosten führen.
Wegen der Überdachung erlauben sie im Winter den Besucher*innen ein paar schöne Schritte zwischen Eis und Regen, im Sommer sorgen sie mit Schatten und einem leichten Lüftchen für ein wohltuendes Klima. Im 19. Jahrhundert gab es in den Kolonnaden sogar eine Erfrischungshalle. In den letzten Jahren wurde diese Tradition wiederbelebt und an einigen Sommerabenden mit Veranstaltungen – Gesprächsrunden, DJ-Sets und kühle Getränke – ergänzt. Die Aussicht ist erstklassig: Von den Kolonnaden aus kann man in der einen Richtung die goldene Kuppel der Synagoge in der Oranienburger Straße sehen, in der anderen den Fernsehturm.
Wenn das Herz des kulturellen Berlin auf der Museumsinsel schlägt, so sind die Kolonnaden dessen Herzkranzgefäße, die den Besucher*innen frische Energie schenken. So zumindest war der Plan, als die ersten Säulengänge auf der Museumsinsel zwischen 1841 und 1880 auf Basis eines Entwurfs von Friedrich August Stüler entstanden: Lustwandeln, Nachdenken, sich mit anderen austauschen, sich an der Symmetrie der Formen ergötzen, die Großstadt in aller Ruhe goutieren.
Wegen der neu hinzukommenden Gebäude, vor allem wegen des Pergamonmuseums, mussten die ursprünglich wie ein überdachtes „U“ um die Alte Nationalgalerie gereihten Kolonnaden allerdings bald entscheidend zurückgebaut werden. Und weil man rasch in Platznot geriet, wurden Wände und Fenster zwischen die Säulen eingebaut sowie Decken eingezogen. Die so entstandenen, zweigeschossig angelegten Räume dienten als Lagerstätten für Kunstgegenstände, später als Restaurierungswerkstätten, in denen noch bis Anfang der 2020er-Jahre beschädigte Skulpturen hergerichtet wurden. Auch ringsherum herrschte baulicher Wildwuchs – wo nötig, stellte man einfach neue Nutzgebäude zwischen die Museen, wie zu DDR-Zeiten etwa eine Kantine.
Die Spuren der Geschichte sollen sichtbar bleiben
Mit dem Masterplan für die Museumsinsel sollte das ein Ende haben und die originale, klare Baustruktur freigelegt werden. Und die Kolonnaden sollten wieder ihren einladenden Wandelgang-Charakter erhalten, frei stehen und zum Flanieren im Schatten der Weltkultur einladen. Es hat geklappt, doch der Prozess war höchst kompliziert und arbeitsintensiv. Zum Beispiel musste die Decke in genau bemessenen Abschnitten um jeweils zwei Zentimeter hydraulisch angehoben werden, um die aufgrund des schlechten Baugrundes um mehrere Zentimeter gekippten und abgesackten Säulen ausbauen, Kriegsschäden an der Konstruktion beseitigen und die Säulen anschließend wieder lotrecht einbauen zu können.
Überdies musste das Beleuchtungskonzept an die neuen technischen Anforderungen angepasst und nach den Maßgaben des Denkmalschutzes umgesetzt werden, denn die alten Kandelaber, deren Aufhängungen man noch an manchen Säulen sehen kann, taugten dafür nicht mehr. Die Säulengänge aus dem 19. Jahrhundert sind schließlich ein prägender Bestandteil der UNESCO-Welterbestätte.
Dem Ganzen ging jedoch die Generaldebatte voraus, wie die Rekonstruktion erfolgen sollte: Alles wie neu erscheinen lassen oder die Spuren der Geschichte erhalten? Man entschied sich für letzteres, wollte so viel wie möglich vom alten Bestand, von den ursprünglichen Materialien bewahren und wieder verwenden, um die Bauwerke in ihrer historischen Entwicklung zu zeigen. Und all das musste so behutsam wie möglich durchgeführt werden, um die angrenzenden Museen mit ihren kostbaren Exponaten und den vielen Glasvitrinen nicht zu gefährden.
Ralf Nitschke, Leiter der Stabsstelle Bauplanung in der Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin, unterstreicht zufrieden die einheitliche denkmalpflegerische Handschrift, „obwohl es mehrere Bauabschnitte gab und zwei Architekturbüros beteiligt waren“. Das Büro David Chipperfield Architects sanierte im Zusammenhang mit der Grundinstandsetzung des Neuen Museums den ersten Teil der Kolonnaden und nahm das Element des Säulengangs in moderner Form für die James-Simon-Galerie auf, während auf der anderen Seite Christina Petersen vom Büro Petersen, Gesellschaft von Architekten mbH für die denkmalgerechte Instandsetzung des zweiten Teils der historischen Kolonnaden sorgte. Die meisten von ihnen sowie der Kolonnadenhof wurden bereits seit 2010 sukzessive restauriert.
Das Bauwerk erzählt uns viel aus seiner Geschichte
Der letzte Abschnitt wurde nun im Mai vollendet. Christina Petersen ist glücklich, dass alles so gut geworden ist: „Vom Großteil unserer Arbeit werden die Besucher*innen nicht viel mitkriegen, denn etwa die dicken Kabelbündel, die teilweise für die Versorgung der Museen nötig sind, verlaufen im Gewölbekeller unterhalb der Kolonnaden. Die originalen Fußbodenplatten mussten für die Ausführung von Abdichtungsarbeiten ausgebaut und restauriert werden. So haben wir zum Beispiel die runden Löcher, die wir in ihnen vorfanden, verschlossen. Denn als die Gebäudeteile als Werkstätten genutzt wurden, führten da die Wasser- und Heizungsrohre durch.“
Brandschutz, Videoüberwachung, Elektroleitungen, all das gehörte zur Baumaßnahme, aber es sollte sich optisch nicht in den Vordergrund drängen. Deshalb wurde der Blitzschutz dank Kernbohrungen diskret in den Säulen untergebracht. Die Säulen wiederum wurden etwa von Ölfarbe und Teerresten gesäubert, so weit dies möglich war, ohne die Substanz zu zerstören. Auch die Kassettendecken wurden erneuert, wo dies erforderlich war, und zum Teil Edelstahltragglieder in die Architrave, also die Horizontalbalken, eingebaut, die nun wie im Brückenbau allfällige Dynamiken austarieren können.
Die Gebrauchsspuren der Zeit wurden nicht kaschiert: Helle neue Bauteile fügen sich an nachgedunkelte alte, Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg sind zu sehen. Die – werkstoffgetreue – Reparatur hatte Vorrang vor der Auswechslung von Teilen. „Alles, was zu erhalten war, haben wir erhalten“, erklärt Petersen: „Das Bauwerk soll einem seine Geschichte erzählen können. Und da gibt es viel zu erzählen.“
Ohne Hindernisse ging dieser sensible Umgang mit Tradition und Geschichte natürlich nicht ab. Aber Sven Ahlfeld, seit 2019 Projektleiter des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) vor Ort, gerät fast ins Schwärmen, wenn er davon erzählt, wie kreativ man zum Beispiel mit dem nicht vorhandenen Platz für die Baustelleneinrichtung und für die Auslagerung von Materialien umging – indem man ein teilweise zwei Meter über die Ufermauer auskragendes Arbeitsplateau errichtete und Materialien auf Schubleichtern auf dem Wasser deponierte, indes ein eigens errichtetes schwimmendes Leitwerk während der Bauzeit als Anprallschutz für die Schiffe installiert wurde.
Gelungene Verbindung von Denkmalpflege und Inklusion
Ein besonderes Highlight im letzten Abschnitt der Rekonstruktion ist der Kopfbau, in dem der Bogen der Kolonnaden auslief. Es war ein ausgebauter Gebäudeteil, den der Architekt Seiler als Abschluss dieses Wandelganges entworfen hatte. Ralf Nitschke nennt es ein „architektonisches Pasticcio der DDR-Zeit im Stil Stülers“, entstanden als Neubau der 1950er-Jahre. Nun, da die Säulen frei stehen und in ihrem eleganten Schwung für jeden nachvollziehbar sind, bildete dieser Kopfbau allerdings eine unvermutete Wand, gegen die man niemanden laufen lassen wollte. Nach vielen Diskussionen und Abwägungen konnte der Herzenswunsch von Christina Petersen umgesetzt werden: Der Kopfbau wurde aus bautechnischen Gründen abgetragen und mit leicht veränderter, freier Säulenstellung wieder aufgebaut.
Die Kolonnaden führen nun in gesamter Breite stufenlos auf einen kleinen Platz hinter dem Pergamonmuseum fast bis zu der Platane, die dort tapfer die Zeiten überdauert hat. „Design for all!“, freut sich Ralf Nitschke: „Es gibt hier keine Trennung von Fußgänger*innen und Rollstuhlfahrenden. Diese bauliche Lösung ist ein besonders gelungenes Beispiel der Verbindung von Denkmalpflege und Inklusion.“
Zentrale Bedeutung wird ihr in den nächsten Jahren zukommen, wenn ein Teil des Pergamonmuseums schon wieder geöffnet, aber noch nicht durch den Haupteingang zu betreten sein wird. Dann wird der Zugang über die Kolonnaden erfolgen, die auch als Fluchtweg dienen werden. Das Licht dazu kommt von neu montiertem, abgehängtem Deckenlicht, einer extra erfundenen Leuchtkonstruktion, deren Schein nur den Fußboden und die Decke erhellt.
Einerseits wird so die Verkehrssicherheit garantiert und die Stolpergefahr minimiert, andererseits wird das Ensemble „nicht zu Tode angestrahlt“, wie es Nitschke umreißt. Leicht angeleuchtet sieht man nur die Kolonnaden und ihre baulich formulierte Bewegung wie in einer Vollmondnacht, weshalb das Label für das Beleuchtungskonzept der gesamten Museumsinsel den bezaubernden Namen „Mondlicht“ trägt.
Der ursprüngliche Bereich des Seilerschen Kopfbaus bleibt indes wie ein kleiner Balkon zur Spree hin erhalten, vom Weg durch eine geschwungene Sitzbank getrennt. „Das wird ein wunderbarer Platz für die Stadt“, ist sich Sven Ahlfeld sicher.
Von der Büste der Nofretete zu Böcklins „Toteninsel“, von Johann Gottfried Schadows „Prinzessinnengruppe“ über das Ischtar-Tor bis zu Auguste Renoirs „Wäscherin“ im Kolonnadenhof: Was für Reisen sind auf der Museumsinsel möglich! Und dann ein Sundowner in der Kolonnaden-Bar, mit dem Blick auf die Spree und dem Kopf in den Jahrhunderten, die hinter uns liegen: Besser im Berliner Hier und Jetzt kann man nicht sein, und schöner schon gar nicht.
Weiterführende Links
News vom 29.8.2024: Kolonnaden auf der Museumsinsel fertiggestellt