Eine raumgreifende Architektur mit gewebten Sphären, die Objekte und ihre Kontextualisierung organisch verbinden. Mit „Geschichte(n) Tansanias“ eröffnet ein neues Highlight des Humboldt Forums.
Das Gebiet des heutigen Tansanias ist eine der am längsten besiedelten Regionen der Erde. Zwischen 3000 und 1000 v.Chr. entstand durch die Interaktionen von Wildbeutern, Viehzüchtern und Feldbauern ein komplexes wie faszinierendes Mosaik aus Sprachen und Gesellschaften. Strategisch günstig am Indischen Ozean gelegen, entstanden schon um das Jahr 1000 bis nach Asien reichende Handelswege. Sansibar und Handelsstädte an der ostafrikanischen Küste profitierten davon. Ihre Bewohnerinnen und Bewohner übernahmen durch den starken arabischen Einfluss mehrheitlich die islamische Religion, für den Handel fungierten sie als Mittlerinnen und Mittler zwischen dem maritimen Raum und dem Landesinneren. Ab Ende des 15. Jahrhunderts drangen die Portugiesen, und später andere europäische Mächte, mit Waffengewalt ein. Es folgten Jahrhunderte der Konflikte und Kriege, der Kolonialisierung und Fremdbestimmung.
Ein blutiges Verbrechen
Während der deutschen Kolonialherrschaft zwischen 1884 und 1919 war Tansania Teil der Kolonie „Deutsch-Ostafrika“. Zwischen 1905 und 1907 lehnten sich große Teile der Bevölkerung gegen die Kolonialmacht auf. In dieser Zeit sozialer und wirtschaftlicher Krisen gewann eine prophetische Bewegung an Bedeutung, die durch eine spezielle Medizin (maji = „Wasser“) Schutz und Unverwundbarkeit versprach und nicht nur namensgebend für den Aufstand wurde, sondern ihn geradezu antrieb. Diesem Krieg, den die Deutschen unterstützt durch Askari und weitere Hilfstruppen mit aller Brutalität nach dem Prinzip der verbrannten Erde niederschlugen, fielen Hunderttausende zum Opfer.
Die Ausstellung „Geschichte(n) Tansanias“ erzählt die Jahrtausende alte Geschichte des ostafrikanischen Landes und seiner Gesellschaften. Gleichzeitig widmet sich die Ausstellung den hier gezeigten und „Cultural Belongings“ genannten Exponaten, die Teil der rund 10.000 Objekte umfassenden Tansania-Sammlung des Ethnologischen Museums sind. Eine Anzahl hiervon ist leider untrennbar mit der damaligen Gewaltherrschaft verbunden. In dem Bewusstsein der daraus resultierenden Verantwortung hat die SPK in Vorbereitung des Umzugs der Sammlungen aus Dahlem in das Humboldt Forum nicht nur die Provenienzforschung intensiviert, sondern ist auch proaktiv an die relevanten politischen und kulturellen Institutionen in Tansania herangetreten. Seit gut zehn Jahren arbeitet die SPK nun bereits mit den tansanischen Partnern daran, einen gemeinsamen Umgang mit der Geschichte zu finden.
Kollaborative Geschichtsaufarbeitung
Die vom Ethnologischen Museum, der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss und dem tansanischen Nationalmuseum gemeinsam kuratierte Ausstellung thematisiert aber nicht nur die Herkunft und Bedeutung der Cultural Belongings, sondern stellt Fragen nach ihren Geschichte(n) und Kontexten in den Mittelpunkt, die in der kuratorischen Praxis bislang wenig Beachtung gefunden haben. Im Fokus steht hier besonders die Zeit der kolonialen Unterdrückung und Ausbeutung. „Geschichte(n) Tansanias“ wurde von Kuratorinnen und Kuratoren aus Daressalam, Songea und Berlin, sowie Vertreterinnen und Vertreter verschiedener tansanischer Communities kollaborativ entwickelt und wird in einer in Tansania entworfenen Ausstellungsgestaltung aus Holz und Naturmaterialien im zweiten Obergeschoss des Humboldt Forums gezeigt.
Geschichte(n) Tansanias
Ort
Wechselausstellungsfläche, 2. OG, Humboldt Forum
Öffnungszeiten
- ab Fr, 29. November 2024
- Mo, Mi, Do, Fr, Sa, So: 10:30 – 18:30 Uhr
- Di: geschlossen