Ludwig Greven spricht mit Ralf Beste und Andreas Görgen über deutsche Museen und die Internationale Museumsagentur der Bundesregierung
Die Bundesregierung will eine Internationale Museumsagentur gründen. Was soll sie leisten?
Beste: Sie soll als Serviceagentur den deutschen Museen helfen, weltweit zu operieren. Sie soll unterrstützen bei internationalen Ausstellungen, beim Bau und Betrieb von Museen im Ausland, bei der Restitution von Kulturgütern und – ganz wichtig – beim gegenseitigen Lernen und der Ausbildung von Museumspersonal. Dafür gibt es schon das Museums-Lab, das künftig von der Agentur getragen werden soll. Gesellschafter der Agentur wird das Auswärtige Amt sein, zusammen mit der Beauftragten für Kultur und Medien. Beteiligt ist auch das Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit. Im Aufsichtsrat sitzen außerdem Vertreterinnen und Vertreter der Länder, denn die Agentur soll auch die Museen unterstützen, die sich in der Trägerschaft der Länder und Kommunen befinden. Es ist wichtig, dass alle Akteure mit an Bord sind.
Sind denn die deutschen Museen im internationalen Wettbewerb um Aufmerksamkeit und spektakuläre Ausstellungen so im Hintertreffen, dass sie Hilfe des Bundes benötigen?
Görgen: Für das, was die deutschen Museen können, sind wir im Ausland zu schwach unterwegs. Das Guggenheim-Museum hat Dependancen im Ausland, der Louvre hat einen Ableger in Abu Dhabi gegründet. Von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und anderen großen Museen gab es vor 20 Jahren Versuche, gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen. Das ist damals aber gescheitert. Deshalb war Deutschland bei der ersten Welle der Erweiterungen ins Ausland nicht dabei. Seit etwa 2010 gibt es eine zweite Welle. Das Centre Pompidou hat 2019 eine Dependance in China eröffnet. In Saudi-Arabien hat Frankreich mit Al-Ula eine ganze Region einschließlich mehr als einem Dutzend Museen erschlossen. Eine Reihe von Museumsneubauten in Afrika werden von Frankreich, Südkorea oder China unterstützt. Wir wollen hier einen eigenen, konzeptionell-kooperativen Ansatz entwickeln.
Was sind die Gründe, dass die deutschen Museen international nicht mithalten? Liegt das vor allem am Föderalismus? Tun sich zentralistische Länder wie Frankreich da leichter?
Görgen: Deutschland hat die reichste Museumslandschaft mit etwa 6.600 Museen. Wenn wir davon die Häuser der SPK und noch ein paar andere Museen in der Trägerschaft des Bundes abziehen, sind über 99 Prozent in Trägerschaft der Länder und der kommunalen Gebietskörperschaften. Für eine Kommune oder ein Land stellt sich die Frage, ob und wieweit können sie Gelder bereitstellen, damit ein Museum international arbeiten kann, oder ob das nicht Aufgabe der Bundesrepublik insgesamt ist. Das ist in Frankreich anders. Dort wird vom Zentrum aus gedacht, sozusagen vom Louvre und Centre Pompidou in die Peripherie, ob die Metz oder Shanghai heißt. Wir dagegen müssen umgekehrt von der Peripherie ins Zentrum denken, in Richtung Berlin – zu der neuen Agentur und von da ins Ausland.
Beste: Ziel ist, den Museen die Tür nach außen zu öffnen, damit sie einen Weg einschlagen können, den sie aus eigener Kraft womöglich nicht gehen würden. Das ist für eine Bundeseinrichtung leichter als für eine kommunale oder eine Länderinstitution.
Was wäre daran so schlimm, in der internationalen Konkurrenz nicht mitzuspielen? Es gibt ja schon jetzt Kooperationen mit Museen im Ausland, und viele Gäste kommen nach Deutschland, um sich hier die reichhaltigen Museen anzuschauen.
Görgen: Umgekehrt gefragt: Können wir nicht sagen, wir bauen nicht nur gute Autos und Windräder, wir haben auch hervorragende kulturelle Werke und Erzählungen anzubieten? Warum ist ein Land, das so stark vom globalen Markt abhängt, in der globalen Zusammenarbeit von Museen so wenig sichtbar? Dabei gibt es eine enorme internationale Nachfrage nach einer Kooperation mit uns.
Beste: Das British Museum oder Guggenheim sind starke Marken auch im Ausland, während der Zugang für viele größere, aber eben nicht riesige deutsche Museen schwieriger ist. Deren Chancen wollen wir mit Unterstützung der Museumsagentur verbessern. Zumal der große Bereich der Museen international ein Wachstumsmarkt ist.
Wenn das Auswärtige Amt die Federführung übernimmt, bedeutet das, dass die internationale Vermarktung der deutschen Museen ein Teil der Außenpolitik wird, in Konkurrenz zu autoritären Mächten wie China, aber auch zu befreundeten Ländern?
Beste: Die Agentur wird ein Bestandteil der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, mit der wir unsere außen- und sicherheitspolitischen Ziele verfolgen: nämlich Partner zu erschließen, Austauschgelegenheiten zu schaffen und Verständigungsmöglichkeiten zu suchen. Und mit der Agentur nutzen wir dafür eine der wertvollsten Möglichkeiten, die wir haben: unsere Museen.
Warum setzen Sie nicht auf europäische Kooperation statt auf eine eigene nationale Agentur?
Beste: Das ist eine Frage der Praktikabilität. Wir wollen ja einzelnen Museen bei der internationalen Vermarktung helfen, und da ist man auf nationaler Ebene näher dran. Wir haben, wie gesagt, ein föderales System mit verschiedenen Akteuren, Frankreich hat da eine andere Tradition. Da könnten wir zehn Jahre damit verbringen, einen Mechanismus zu finden, der allen passt. Damit wäre aber noch kein Bild ins Ausland bewegt.
Görgen: Warum trauen wir uns nicht zu sagen, wir haben ein eigenes deutsches Angebot, das sich unterscheidet von einem britischen, französischen oder belgischen? Wir leben doch in einer Welt, in der die kulturellen Narrative eine große Rolle spielen. Ich halte es für völlig legitim zu sagen, es gibt eine spezifische deutsche kulturelle Erzählung und Erzählweise, die europäisch ist, aber eben nicht allein. Zweitens: Wir wollen von anderen lernen, um dadurch international besser zu werden. Manche Museen in anderen Ländern sind moderner als deutsche, in der Technik, in der Erzählweise, im internationalen Austausch. In dieser Kooperation und in diesem Wettbewerb können wir selbst besser werden für die Arbeit hier in Deutschland. Und in einem weiteren Schritt überlegen, ob und wo es auch ein gemeinsames europäisches kulturelles Angebot gibt, wie z. B. beim europäisch-afrikanischen MuseumsLab.
Weshalb wird die Agentur eine GmbH und nicht eine Abteilung im Auswärtigen Amt?
Görgen: Nach Abwägung aller Fragen scheint uns das die effektivste Form. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir eine föderale Ausdifferenzierung mit unterschiedlichen Entscheidungsstrukturen haben. Das ist gut für unser Land, aber nicht für Partner im Ausland, weil die sich manchmal verlieren können zwischen 16 Bundesressorts und 16 Bundesländern. Das macht uns langsamer in der globalen Zusammenarbeit. Die Agentur hat den Vorteil, dass das Kulturressort und die beiden Ministerien, die sich um Außen- und Entwicklungspolitik kümmern, mit den Ländern und Kommunen in einer Agentur kooperieren und so die Komplexität von Bürokratien reduzieren. Die Agentur kann selbstständiger agieren.
Tragen die Bundesländer das mit? Oder gibt es da Widerstände?
Görgen: In mehreren kulturpolitischen Spitzentreffen und verschiedenen Runden ist das alles seit 2019 vorbereitet worden. Wir haben 50 Museen befragt, wo sie Bedarf sehen, wir haben die Länder um ihre Einschätzung und Mitwirkung gebeten und uns mit den bestehenden Institutionen wie dem Goethe-Institut, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder auch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und vielen anderen abgestimmt.
Beste: Es bedarf für die Kooperation mit ausländischen Museen viel Know-how, von Zollfragen bis dazu, welche Rahmenvereinbarungen es braucht. Selbst große Museen sind damit oft überfordert, sie haben nicht die Fachleute dafür. Die Agentur soll daher auch ein Kompetenzzentrum sein, das ihnen diese Expertise zur Verfügung stellt.
Welche Museen haben Sie vor allem im Fokus?
Görgen: Wir reden von etwa zwei Dutzend, die dafür besonders infrage kommen. Dazu gehören natürlich die Sammlungen der SPK. Sie ist eine der zentralen Institutionen, die wir von Anfang an eingebunden haben, und hoffentlich sehen wir im Caspar-David-Friedrich-Jahr schon in Hamburg und Dresden erste Früchte.
Beste: Die anderen Mittler der auswärtigen Kulturpolitik wie das Goethe-Institut sind ebenfalls mit an Bord. Allein auch dafür, um Bedarfe zu ermitteln und Orte zu finden, an denen deutsche Museen mit Hilfe der Agentur tätig werden sollten.
In welchen Weltregionen sehen Sie den größten Nachholbedarf?
Beste: Wir erleben in der internationalen Politik gerade eine große langfristige Machtverschiebung. In den alten Machtzentren wie Nordamerika und Westeuropa sind wir traditionell stark vertreten. Aber die Gewichte verschieben sich in Regionen wie Südostasien, Afrika und Teile der arabischen Welt. Und wir sehen zugleich, dass sich auch die Praktiken der kulturellen Zusammenarbeit verändern. Ein Museum in den Ländern Afrikas beispielsweise ist anders als eines in Deutschland. Da lernen wir auch dazu, was eigentlich die Funktion eines Museums ist. Nämlich z. B. ein Ort des gesellschaftlichen Miteinanders – anders als bei uns, wo Einzelne ins Museum gehen und sich erbauen. Das heißt, mit der Arbeit der Agentur wollen wir nicht nur unsere Wert vermitteln, sondern auch von Ländern wie Nigeria lernen, wie man dort heute Museen baut und betreibt.
In der Auswärtigen Kulturpolitik wird wegen der Zeitenwende und anderer dringender Aufgaben kräftig gespart. Verträgt sich damit, eine neue Institution zu schaffen, die ja einiges kosten wird?
Beste: Wir sprechen von einer kleinen Agentur mit etwa zwei Dutzend Leuten, die weniger durch große Subventionen als durch konkrete Hilfen unterstützen sollen. Das Budget beschränkt sich auf einen einstelligen Millionenbetrag. Es soll genug sein, um in einigen Bereichen entscheidende Akzente zu setzen. Die Agentur soll perspektivisch profitabel arbeiten und dafür sorgen, dass es nicht nur für die Museen, sondern auch für sie selbst auf dem globalen Museumsmarkt auskömmlich ist. Dieses Geld kann dann wiederum den Radius erweitern.
Ein Museum im Ausland zu bauen, kostet aber eine Menge Geld.
Görgen: China hat vor einigen Jahren einen Plan für den Neubau von 3.500 Museen vorgestellt und baut ca. 40 Museen pro Jahr. Oder schauen Sie auf die arabische Halbinsel, auf die Türkei und andere Länder. Die fragen nicht um mitgebrachtes Geld, sondern die fragen nach Angeboten für ihre Investition in die kulturelle Infrastruktur. Bislang können wir dafür jedoch kein gebündeltes Angebot machen. Das würden wir gerne ändern.
Andreas Görgen ist Amtschef von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Ralf Beste ist Leiter der Abteilung für Auswärtige Kultur- und Gesellschaftspolitik im Auswärtigen Amt. Ludwig Greven ist freier Publizist.
Dieser Beitrag ist zuerst im Dossier „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ erschienen, das Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, beiliegt.