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Die jüngste Überschwemmungskatastrophe in Spanien zeigte erneut: Die Auswirkungen des Klimawandels sind eine reale Bedrohung – auch für das Kulturgut. Die 7. Internationale SiLK-Tagung in der James-Simon-Galerie suchte unter dem Motto „Aus Krisen lernen – Vorbereitung auf zukünftige Bedrohungsszenarien“ nach Lösungen. Organisiert wurde die Tagung von Almut Siegel und Alke Dohrmann, die bei der SPK für das holistische Risikomanagement zuständig sind. Was das bedeutet, erklärten sie in ihrem Vortrag.

Almut Siegel und Alke Dohrmann tragen große Verantwortung – und haben viel zu tun: Zusätzlich zu ihrer Arbeit bei SiLK (SicherheitsLeitfaden Kulturgut) bauen sie in einem von BKM geförderten Projekt ein holistisches Risikomanagement in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf. Wie wichtig so ein Konzept ist, zeigten die zahlreichen Kulturgutzerstörungen durch höhere (oder auch menschengemachte) Gewalt wie der Großbrand im September 2004, der Teile der Weimarer „Herzogin Anna Amalia Bibliothek“ vernichtete, oder die Flutkatastrophe in Dresden im August 2002, die einen Schaden von 28 Millionen Euro bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) verursachte.

Porträt von zwei Frauen

Almut Siegel und Alke Dohrmann sind bei der SPK für das holistische Risikomanagement zuständig.

Foto: Karin Ries, © BBK

Niemand ist sicher: Holistisches Risikomanagement als Must-have

„Auch wenn diese Ereignisse nicht in der eigenen Einrichtung stattgefunden haben, so hat doch jeder verstanden, dass man gefährdet ist und etwas tun muss“, sagt Dohrmann. „Und auch bei der SPK sind schon viele Dinge passiert. Spektakuläre Ereignisse aus den letzten Jahren sind da der Diebstahl der Goldmünze aus dem Bode-Museum im Jahr 2017 und die Vandalismusvorfälle auf der Museumsinsel 2020.“ Letzteres war der Anlass dafür, dass sich vor vier Jahren bei der SPK die „Taskforce Risikomanagement“ gegründet hat, die das Projekt „Holistisches Risikomanagement“ beantragte.

Museumsdirektorin Friederike Seyfried zeigt der Presse im Neuen Museum die Flecken an verschiedenen Objekten
Museumsdirektorin Friederike Seyfried zeigt der Presse im Neuen Museum die Flecken an verschiedenen Objekten, 2020. © SPK / Stefan Müchler
Statue im Museum
Statue eines Mannes aus den Ausgrabungen in Assur (c. 2300-2200 v. Chr.) mit Spuren der öligen Flüssigkeit, 2020. © Staatliche Museen zu Berlin / VAM, Stefan Geismeier
Zwei anthropomorphe Särge, einer mit einem dunklen Fleck
Anthropomorpher Sarg des Hohepriesters Ahmose (3.-2. Jh. v. Chr.) mit Spur der öligen Flüssigkeit, 2020. © Staatliche Museen zu Berlin / Ägyptisches Museum und Papyrussammlung

Erster Schritt: Die Risikoanalyse

„Als wir im vergangenen August angefangen haben, für die SPK zu arbeiten, haben wir uns überlegt, welche Aufgaben wir in diesem Bereich übernehmen möchten und haben dazu eine Liste aufgestellt“, erklärt Dohrmann.

Zuerst geht es darum, in möglichst vielen Bereichen der Standorte der SPK eine Risikoanalyse durchzuführen. „Wir machen Begehungen mit den Mitarbeiter*innen, lassen uns die Einrichtungen zeigen und sprechen über die Schwerpunkte und Herausforderungen im Risikomanagement, um einen Überblick zu gewinnen, welche Themen die gravierendsten an den verschiedenen Standorten sind“, führt Dohrmann aus. Grundlage für diese Risikoanalysen ist u.a. der SicherheitsLeitfaden Kulturgut, anhand dessen Risikoabschätzungen vorgenommen werden.

Was ist SiLK?

SiLK (SicherheitsLeitfaden Kulturgut) ist ein kostenfreies Onlinetool für Museen, Archive und Bibliotheken zu Fragen der Sicherheit und des Schutzes von Kulturgut. Mithilfe von Fragebögen können Sammlungseinrichtungen eine Selbstevaluation durchführen und erhalten eine Auswertung mit Handlungsempfehlungen. Ergänzend gibt es weiterführende Hinweise, Dokumente, Links und Literaturempfehlungen. SiLK steht auf Deutsch, Englisch und Arabisch zur Verfügung.

Aus der Vergangenheit lernen: Die Schadensstatistik

Dohrmann erklärt weiter: „Ein ganz wichtiger Punkt ist auch eine Schadensstatistik. Das heißt, dass die Einrichtungen selbst dokumentieren, welche Vorfälle es gibt, um eine Datengrundlage zu haben, auf der man aufbauen kann. Es gibt zum Teil auch schon Daten zu Risikoanalysen, die von externen Stellen durchgeführt wurden und auf die wir zugreifen können.“ Daraus wollen Siegel und Dohrmann eine sowohl quantitative als auch qualitative Risikoanalyse erschließen, die sie dann in eine sogenannte Risikolandkarte übertragen. Aus dieser kann man dann ablesen, welche Risiken an welchen Standorten von besonderer Bedeutung sind, um daraus die entsprechenden Maßnahmen abzuleiten und diese Risiken möglichst einzudämmen.

Besser haben als brauchen: Der Notfallplan

An dieser Stelle geht das Risikomanagement dann in die Notfallplanung über: „Die Notfallplanung ist natürlich ein weiterer Schwerpunkt. In vielen Einrichtungen wurde schon damit begonnen, bevor wir vor Ort waren,“ erzählt Siegel. „Diesen laufenden Prozess begleiten und unterstützen wir mit unserer Expertise. Zur Notfallplanung gehören z.B. Themen wie Priorisierung und die Frage der Bergung. Dazu haben wir Muster entwickelt.“ Notfallkoffer, die vom Rathgen-Forschungslabor zusammengestellt und vor Ort deponiert wurden, gibt es inzwischen in allen Einrichtungen der SMB. Dohrmann und Siegel sind dabei, diese zu ergänzen und auszubauen sowie die permanente Pflege zu organisieren.

Erst handeln, dann dokumentieren: Die Schadensdokumentation

Ein weiterer wichtiger Baustein in der Arbeit von Siegel und Dohrmann ist die nachhaltige und einheitliche Dokumentation von Vorfällen in den Einrichtungen der SPK, die bisher in Eigenregie erfolgte. „Trotzdem sind diese Auswertungen sehr hilfreich, weil man erkennen kann, dass z.B. das Thema Wasser ein ganz entscheidendes ist. Genauso wie auch der Vandalismus zunimmt, wie wir beobachten konnten,“ erläutert Siegel. Die beiden Wissenschaftlerinnen arbeiten daran, die Schadensdokumentation und -auswertung zu systematisieren und in der Anwendung zu vereinfachen, und haben dazu ein Aktivitätenmodul in der Museumsdatenbank entwickelt. „Im nächsten Schritt können diese mit weiteren Berichten und Informationen verknüpft werden, beispielsweise mit Bauschadensmeldungen oder Restaurierungsdokumentationen, sodass man eine ganze Historie der Schäden ablesen, umfangreich auswerten und weiterbearbeiten kann.“

Uns ist wichtig, dass unsere Erkenntnisse weitergetragen und genutzt werden können!

Wichtiger Baustein des holistischen Risikomanagements: Die Expertise der Mitarbeitenden

Die Wissenschaftlerinnen möchten außerdem die eingangs erwähnte Taskforce Risikomanagement wieder einberufen, ausbauen und als permanentes Gremium und regelmäßig tagende Gruppe etablieren. Ziel ist es, dort Vertreter*innen aus allen Bereichen der Stiftung zusammenzubringen, um übergeordnete Themen zu diskutieren und grundsätzliche Festlegungen zu treffen.

„Die entscheidende Gruppe sind die Risikobeauftragten der einzelnen Einrichtungen, die die Basisarbeit im Risikomanagement leisten, die Themen in die Häuser tragen und sie dort individuell anwenden und umsetzen,“ so Siegel. Sie und Dohrmann begleiten die Zuständigen und bringen sie in regelmäßigen Treffen zusammen. „Bei der Gelegenheit schulen wir in bestimmten Bereichen, schauen uns z.B. die Notfallboxen an und bilden zum Thema Risikoanalyse weiter. Aber es ist uns eben auch ganz wichtig, dass sich eine Basis formiert, die dieses Thema langfristig in den Einrichtungen vertritt und umsetzt.“

Gemeinsam lernen und handeln

Schulung und Weiterbildung sind laut Dohrmann und Siegel wichtige Aspekte im holistischen Risikomanagement. „Wir können hier auf unsere Erfahrungen und auch auf die Unterlagen und Materialien, die wir in SiLK erarbeitet haben, zurückgreifen und diese einbringen. Das ist eine der vielen Synergien, die durch die Arbeit für SiLK und das holistische Risikomanagement der SPK entstehen.“

Zudem würden aber auch externe Fachkräfte hinzugezogen. „Wir hatten zum Beispiel Robert Waller zu Gast, einen Kollegen aus Kanada, der für uns eine Schulung zur Risikoanalyse durchgeführt hat,“ erzählt Siegel. Netzwerke, so sagt sie, seien ebenfalls ein maßgeblicher Schwerpunkt in ihrer Arbeit. Die Staatlichen Museen zu Berlin sind z.B. assoziiertes Mitglied im Notfallverbund der Berliner Museen.

„Unser Netzwerk war bisher vor allem überregional angelegt, deutschlandweit, bundesweit, mit den übergeordneten Protagonist*innen. Jetzt gehen wir auch berlinweit vor, wir haben u.a. eine intensive Zusammenarbeit mit der Feuerwehr etabliert und sind im Runden Tisch Berlin Mitglied, den die Senatsverwaltung für Kultur veranstaltet,“ sagt Siegel. Dieses Netzwerk soll auch international ausgebaut werden, denn: „Uns ist wichtig, dass unsere Erkenntnisse weitergetragen und genutzt werden können!“

Die SiLK-Tagung wurde vom SiLK – SicherheitsLeitfaden Kulturgut in Kooperation mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, der Deutschen UNESCO-Kommission, der Deutschen Gesellschaft für Kulturgutschutz und Blue Shield Deutschland organisiert und durch die freundliche Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (SiLK-Tagung) und des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Festakt) sowie die Gastfreundschaft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ermöglicht.

 


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