Am 3. Oktober 2020 wurden vier Häuser der Museumsinsel Opfer eines Akts des Vandalismus, bei dem über 60 Kunstwerke beschmutzt wurden. Stefan Simon, Direktor des Rathgen-Forschungslabors, war einer der ersten, die informiert wurden. Im Interview erzählt er, wie sein Labor reagierte und wie der Spagat zwischen Dialog und Sicherheit in Museen gelingen kann.
Am 3. Oktober 2020 hat es einen Akt des Vandalismus an Kunstwerken der Museumsinsel gegeben – was passiert in so einem Fall hinter den Kulissen? Gibt es einen Notfallplan?
Stefan Simon: Es gibt Notfallpläne für verschiedene Eventualitäten und es gibt Anrufketten, die hier gut funktioniert haben. Wir wurden sehr früh informiert und ich habe auch direkt mit Michael Eissenhauer, dem Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, und weiteren Kolleg*innen auf der Museumsinsel gesprochen. Der 3. Oktober war ein Samstag und wir können uns, das hat diese Erfahrung gezeigt, darauf verlassen, dass in so einem Fall natürlich auch am Wochenende alle schnell einsatzbereit sind. Großes Lob gilt an dieser Stelle insbesondere unseren kompetenten und engagierten Aufsichten, die die Schäden frühzeitig bemerkt und gemeldet haben – das ist keine Selbstverständlichkeit.
Was genau passierte, nachdem alle informiert waren?
Ich war an dem Tag nicht in Berlin, deswegen habe ich meinen Stellvertreter Stefan Röhrs gebeten, an meiner Stelle vor Ort zu sein und sofort Proben zu nehmen. Die Proben waren abends bei uns im Rathgen-Forschungslabor, wo sie zeitnah analysiert wurden. Am darauffolgenden Montag hatten wir mittags ein Meeting mit der Polizei und den Direktoren der Museen und konnten bereits sagen, um was für eine Substanz es sich handelte und dass es in allen betroffenen Häusern dieselbe war.
Das heißt, Sie konnten mit Ihrer Arbeit direkt der Polizei helfen?
Von Hilfe kann man natürlich erst sprechen, wenn die Informationen auch zu einem Ermittlungserfolg führen. Aber wir arbeiten gut und eng mit der Polizei zusammen und wenn wir irgendetwas herausfinden, stellen wir diese Informationen sofort den Ermittlern zur Verfügung. Wir haben im Übrigen auch Proben aus dem Potsdamer Schloss Cecilienhof und aus dem Kreismuseum Wewelsburg in Paderborn analysiert, wo es dieses Jahr ähnliche Vorfälle gegeben hat. Neben der guten Zusammenarbeit mit der Polizei geht es uns aber natürlich auch um Fragen, die für die Museen besonders dringlich sind: handelt es sich eventuell um Substanzen, die für Besucher*innen oder Kolleg*innen gefährlich sind und wie lässt sich der Schaden schnell und sicher beheben?
Der Vorfall in Potsdam wurde erst Ende November öffentlich bekannt, deuten Ihre Ergebnisse auf einen Zusammenhang zwischen den Fällen hin?
Wir haben die Proben aus Potsdam und auch aus Paderborn analysiert und können sagen: In allen Fällen wurden für die Attacken ölige Flüssigkeiten verwendet. Es gibt also auf jeden Fall eine Gemeinsamkeit – was das genau bedeutet, ist Inhalt der polizeilichen Ermittlungen.
Das Rathgen-Forschungslabor
Als naturwissenschaftliche Einrichtung der Staatlichen Museen zu Berlin berät das Rathgen-Forschungslabor nicht nur dessen Sammlungen, sondern arbeitet mit nationalen und internationalen Partnern an kunsttechnologischen, archäometrischen und konservierungswissenschaftlichen Projekten zusammen. Dabei steht die materialanalytische Untersuchung von Museumsobjekten im Mittelpunkt. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte können allerdings auch naturwissenschaftliche Fragestellungen zur Denkmalpflege und zum besseren Verständnis sowie der Erhaltung archäologischer Stätten sein.