Berlin ist nicht der Nabel der Welt – auch in anderen Bundesländern gibt es spannende Ausstellungsprojekte, beispielsweise in Thüringen. Um diese den Berliner*innen nahezubringen, wurde in der Staatsbibliothek Unter den Linden jetzt das „Weimarer Zimmer“ feierlich eingeweiht
Ein Zimmer für sich allein – das hat die Klassik Stiftung Weimar seit dem 10. Juli 2024 in der Bundeshauptstadt Berlin und zwar an keinem geringeren Ort als der Staatsbibliothek Unter den Linden. Wobei die Bezeichnung „Zimmer“ eher konzeptuell zu verstehen ist, besteht das „Weimarer Zimmer“ aus einem Pop-Up-Objekt, einem Bankregal voller Informationen zur Jahresausstellung der Klassik Stiftung „Auf/Bruch. Bauhaus und Nationalsozialismus“ und Sitzgelegenheiten zur Lektüre des dazugehörigen Magazins Klassisch Modern in Form von Liegestühlen im hinteren Foyer des imposanten und frisch renovierten Bibliotheksbaus.
Ulrike Lorenz, Präsidentin der Weimarer Klassik-Stiftung spricht gar von einem „Fenster und Fernrohr zugleich“, einem sich stetig verändernden Kommunikationsobjekt, dass eine der beeindruckenden Kulturaktivitäten in der thüringischen Landeshauptstadt präsentieren soll, bzw. den Blick der Berliner*innen vom eigenen, durchaus ereignisreichen kulturellen Alltag gen Weimar lenken soll, am besten gekrönt mit einem Besuch vor Ort. Man könnte meinen, der auf dem Pop-Up-Objekt gedruckte Satz „Ich tanze auf allen Wegen“ insinuiere subtil diese Einladung nach Weimar, aber nein, es handelt sich um Lyrik von Marianne Brandt, einer der bekanntesten Bauhäuslerinnen.
Denn neben Goethe, Schiller und Nietzsche ist Weimar vor allem für einen kulturellen Export berühmt: Das Bauhaus, die sagenumwobene Kunsthochschule. An dessen Mythos sägt allerdings die erste Jahresausstellung, die in Berlin beworben wird, ganz gut: Ging man bis dato davon aus, dass das Bauhaus, das ja 1933 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde auf der „guten Seite“ stand, zeigt die dreiteilige Ausstellung „Auf/Bruch. Bauhaus und Nationalsozialismus“ zum ersten Mal überhaupt, dass es doch einige Verflechtungen zwischen beiden gab und die Moderne janusköpfiger war, als man bis dato annehmen wollte. Am Einweihungsabend erzählt Kuratorin Anke Blümm in ihrem Vortag dezidiert von den Widersprüchen in den Arbeitsbiografien so mancher Bauhäusler – von Grethe Reichardt, die bereits vor 1933 Gunta Stölzl auch wegen ihres jüdischen Ehemanns aus dem Bauhaus geekelt hatte, von Herbert Bayers gestalterischen Höchstleistungen im Dienste der Nazis oder eben von Fritz Ertl, der am KZ Birkenau mitgeplant hatte.
Dieses Themenjahr wurde in Weimar sehr bewusst gewählt, auch weil Kulturinstitutionen eine Aufgabe hätten. Es habe auch mit dem Wahljahr 2024 zu tun und erinnere an den Rechtsruck in Thüringen 1924, in dessen Folge das Bauhaus Weimar verlassen habe, erklärt Präsidentin Lorenz. SPK-Präsident Parzinger betonte die enge Verbindung von SPK und Klassik-Stiftung. Das „Weimarer Zimmer“ werde dies noch einmal unterstreichen und zugleich den Anspruch hervorheben, dass die SPK auch ein Schaufenster für Einrichtungen aus den Ländern ist, erklärte Parzinger weiter.
Und so feiert man an diesem schwülen Juliabend bei Thüringer Rostbratwurst und Weißwein eine schöne neue Frucht des Kulturföderalismus.