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Geheimer Rat in neuem GlanzZur Trockenreinigung von Archivgut

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Am Geheimen Staatsarchiv arbeiten Ingrid Kohl, Leiterin des Referats Bestandserhaltung, und die Projektkoordinatorin Elisabeth Heigl derzeit an der Konservierung von wichtigen Akten zur Geschichte Brandenburg-Preußens. Um welche Dokumente es geht und wie die Reinigung aussieht, erklären die Wissenschaftlerinnen hier.

Eine der wichtigsten Überlieferungen der Geschichte Brandenburg-Preußens wird derzeit im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA) vor dem Zahn der Zeit gerettet. Die Archivbestände des Geheimen Rates enthalten zahlreiche Aufzeichnungen und wertvolle Informationen über die konfliktreiche Einigung und territoriale Konsolidierung Brandenburg-Preußens im 17. und 18. Jahrhundert. Nun werden die Dokumente im Trockenreinigungsverfahren aufbereitet und für die Digitalisierung vorbereitet. Doch warum sind die Aufzeichnungen so bedeutsam für die Geschichte der Region?

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde Europa von zwei Konflikten erschüttert: Dem Polnisch-Schwedischen Krieg (1600-1629) und dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648). Diese Kriege zogen nicht nur die Mark Brandenburg in Mitleidenschaft, sondern auch die benachbarten Mächte des Heiligen Römischen Reiches und das Königreich Polen-Litauen. Während die Konflikte für uns heute klar voneinander zu trennen sind, müssen sie den Zeitgenoss*innen als einzige Abfolge existenzbedrohender Krisen erschienen sein – mit unabsehbaren Konsequenzen für den Fortbestand Brandenburg-Preußens. Diplomatische Verhandlungen innerhalb des Reiches, aber auch mit Polen-Litauen, dienten während dieser Zeit dem übergeordneten Ziel, den kurbrandenburgischen Territorialbesitz "zwischen Kleve und Königsberg" zu bewahren.

Der Geheime Rat war als oberes Entscheidungsgremium an der Gestaltung der Außenpolitik Brandenburg-Preußens, insbesondere an den territorialen Expansionsbestrebungen des Kurfürstentums, wesentlich beteiligt. Dies führte zu Konflikten um Besitzansprüche und Grenzverläufe mit benachbarten Territorien, aber auch bei der Mediatisierung – also der formalen Eingliederung – ehemals geistlicher Herrschaftsträger und ihrer Territorien. Zu letzteren zählen namentlich die Herrschaften Beeskow und Storkow, die bis ins 16. Jahrhundert hinein den Bischöfen von Lebus unterstanden; vor allem aber auch die Johanniterordensballei Brandenburg, deren Amtsgebiet auch Ländereien in Pommern, Sachsen und im Wendland umfasste. Was ähnlich gelagerte Konflikte mit anderen weltlichen Reichsterritorien betraf, so waren die Beziehungen zur Kurpfalz besonders brisant, denn Kurpfalz und Kurbrandenburg konkurrierten als "possidierende Reichsstände" um das Erbe des letzten Herzogs von Jülich-Kleve-Berg. Aus diesem Erbe entspann sich im Vorfeld des Dreißigjährigen Kriegs ein Erbfolgestreit von gesamteuropäischer Dimension.

Die historische Bedeutsamkeit dieser Ereignisse macht den Bestand des Geheimen Rates zu einer der wichtigsten kurbrandenburgischen Zentralüberlieferungen des 17. und 18. Jahrhunderts. Da die Quellen nach wie vor nicht vollständig erschlossen und somit noch nicht umfassend der Nutzung zur Verfügung stehen, wird ihre Verzeichnung, d.h. die archivfachliche Beschreibung und Aufnahme in die Datenbank, aktuell systematisch vorangetrieben.

Vor ihrer Verzeichnung müssen zahlreiche Teilbestände des Geheimen Rates allerdings zunächst konservatorisch bearbeitet werden, da sie derart verschmutzt und zum Teil von Schimmel befallen sind, dass eine archivarische Bearbeitung oder gar Digitalisierung nicht möglich ist (vgl. Abb. 1). Seit Jahrhunderten liegen die Akten lediglich in sogenannte Schürzen verpackt im Regal und sind somit Staub und Lichteinwirkung ausgeliefert (vgl. Abb. 2).

Die historische Bedeutsamkeit dieser Ereignisse macht den Bestand des Geheimen Rates zu einer der wichtigsten kurbrandenburgischen Zentralüberlieferungen des 17. und 18. Jahrhunderts.

Verschmutzter Papierstapel
Stark verschmutztes Aktenpaket. Foto: GStA PK
Regal mit Aktenpaketen
Aktenpakete mit „Schürzen“ verpackt. Foto: GStA PK

Durch Sondermittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) über die Koordinierungsstelle zur Erhaltung des schriftlichen Kulturerbes (KEK) konnten zwischen 2021 und 2023 insgesamt 120 laufende Meter Akten des Bestandes Geheimer Rat gereinigt und archivfachlich verpackt werden.

Im GStA PK bereiteten die Restaurator*innen die anstehende Reinigung vor, indem sie die Zustände der Akten beständeweise in drei Schadenskategorien eingruppierten:

Schadenskategorie und Definition des Schadens und der Reinigungserfordernisse

  • Schadenskategorie 1: Wenig Verschmutzung, nur einzelne Bereiche oder max. 25 % der Akte verschmutzt, Papier intakt, geringer Reinigungsbedarf - Außenreinigung und Reinigung nach Bedarf
  • Schadenskategorie 2: Mittelstarke Verschmutzung, max. 50 % der Akte verschmutzt, Papier mit Einrissen und kleineren Fehlstellen und leicht abgebaut, mittlerer Reinigungsbedarf - Außenreinigung und Reinigung nach Bedarf
  • Schadenskategorie 3: Sehr starke Verschmutzung, über 50 % der Akte stark verschmutzt, Papier bereits sehr stark geschädigt / abgebaut, sehr hoher Reinigungsbedarf – seitenweise Feinreinigung

Bei einer Dienstleistungsfirma erfolgte daraufhin – den Kategorien entsprechend – die mechanische Trockenreinigung mit Hilfe von Sicherheitssaugern und Latexschwämmen. Durch die Reinigung wurden sichtbare Verschmutzungen deutlich reduziert und mikrobiologische Kontaminationen auf ein gesundheitlich unbedenkliches Grundmaß gemindert (vgl. Abb. 3 bis 6). Im Anschluss verpackten die Dienstleister*innen die gereinigten Akten in Jurismappen und Archivkartons, die der ISO Norm 16245 A entsprechen. Das bedeutet, dass sie chemisch langzeitstabil sind und die Archivalien somit optimal vor Staub, Licht, Klimaschwankungen und Umwelteinflüssen schützen (vgl. Abb. 7 und 8).

Im ersten Projekt (2022) wurden gerade die kleineren Teilbestände des Geheimen Rats gebündelt, in denen die oben beschriebenen Arrondierungsbestrebungen Brandenburg-Preußens im 17. Jahrhundert zusammenlaufen. Im anschließenden Projekt (2023) wurden drei mittelgroße Reposituren des Geheimen Rats zusammengefasst, welche die Außenpolitik Brandenburg-Preußens zur Zeit des Polnisch-Schwedischen Kriegs und des Dreißigjährigen Kriegs – aber auch darüber hinaus – dokumentieren.

Diese Bestände können nun also archivarisch erschlossen werden, sodass sie zeitnah interessierten Nutzerinnen und Nutzern zur Einsichtnahme und Auswertung zur Verfügung stehen.

Gereinigte Bestände

2022

I. HA GR, Rep. 29 Grenze gegen Lüneburg (5 lfm)
I. HA GR, Rep. 29 A Neu Grenzsachen (11 lfm)
I. HA GR, Rep. 31 Johanniterorden zu Sonnenburg (7 lfm)
I. HA GR, Rep. 38 Beziehungen zu Braunschweig-Wolfenbüttel (7 lfm)
I. HA GR, Rep. 40 Beziehungen zur Kurpfalz (14 lfm)
I. HA GR, Rep. 43 Herrschaften Beeskow und Storkow (7 lfm)

2023

I. HA GR, Rep. 1 Beziehungen zum Kaiser (23 lfm)
I. HA GR, Rep. 9 Polen – Beziehungen zu Polen (34 lfm)
I. HA GR, Rep. 24 Kriegssachen (16 lfm)

Verschmutzte Akte
Verschmutzte Akte vor der Trockenreinigung – besonders stark verschmutzt sind die Ränder der Akte. Foto: Fa. Paperminz GmbH
Akte nach der Trockenreinigung
Akte nach der Trockenreinigung. Foto: Fa. Paperminz GmbH
Mittelstark verschmutzte Akte
Mittelstark verschmutzte Akte vor der Trockenreinigung. Foto: Fa. Paperminz GmbH
Akte nach der Trockenreinigung
Akte nach der Trockenreinigung. Foto: Fa. Paperminz GmbH
Jurismappe
Jurismappe als neue Verpackung der Akte. Foto: GStA PK
Regal mit Beständen in Kartonagen
Bestände in Kartonagen verpackt nach der Trockenreinigungsmaßnahme. Foto: GStA PK

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