Hermann Parzinger verlässt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Marion Ackermann folgt: Beim Jahresempfang in der James-Simon-Galerie sprechen beide über die Tradition der Einrichtung und über ihre Zukunft
Der Jahresempfang der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war in diesem Jahr ein Feiertag aus institutionellen wie aus privaten Gründen. Zum einen wurde nämlich das neue Finanzierungsabkommen für die SPK durch Bundeskanzler Olaf Scholz sowie die Ministerpräsident*innen der Länder im Bode-Museum unterzeichnet. Auf dieser Grundlage wird die SPK ab 2026 zwölf Millionen Euro mehr pro Jahr erhalten – neun Millionen vom Bund, drei Millionen von den Ländern. Sie sind explizit für die Qualitätsverbesserung der Einrichtungen vorgesehen: „Wir sind dafür sehr dankbar, weil wir wissen, wie angespannt die Kulturhaushalte in Bund und Ländern derzeit sind. Wir verstehen dieses deutliche Plädoyer als Zeichen der Anerkennung für unseren Reformprozess“, so Hermann Parzinger, Präsident der SPK. Dafür gab es Applaus und bald auch ein „Happy birthday“-Ständchen, denn just am Tag des Jahresempfangs wurde Parzinger 66 Jahre alt. Es gab überdies eine schöne, große Torte. Sie kam aus dem Bundesland Sachsen, dessen Ministerpräsident Michael Kretschmer gerade Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, und wurde auf Wunsch des Gratulanten aufgeschnitten und dem Festpublikum serviert. Was soll man sagen – sie hat sehr gut geschmeckt …
Die entspannte und heitere Stimmung prägte den ganzen Abend, durch den die Moderatorin Shelly Kupferberg mit leichter Hand führte und der mit Reden von Parzinger, Kretschmer und der Stiftungsratsvorsitzenden, Staatsministerin Claudia Roth, eröffnet wurde. Man dankte Parzinger für 17 erfolgreiche Jahre im Dienst der SPK, unterstrich den Wert der Kultur für den Zusammenhalt der Gesellschaft, lobte das Engagement der rund 2000 Beschäftigten der SPK und ihren unermüdlichen Einsatz für die Kulturgüter von Weltrang sowie für die Besucher*innen, Motto: „Wir verbinden Menschen, Zeiten, Räume“.
Im vollen Auditorium der James-Simon-Galerie gab das in Berlin lebende Trio Folkadu mit seiner beschwingten Musik den Ton vor, ehe die Schwerpunkte im Programm der SPK mit ihren 25 Einrichtungen präsentiert wurden. Diese Institutionen alle kennenzulernen hat sich Marion Ackermann vorgenommen, die designierte Nachfolgerin Parzingers. Deshalb bekommt sie einen „wandernden Schreibtisch“, der mal hier und mal dort aufgeschlagen werden kann, damit sie sich ein gründliches Bild von Deutschlands größter Kultureinrichtung und deren Mitarbeitenden machen kann. „Ein wohlbestalltes Haus“ werde er ihr übergeben können, versprach Parzinger im Gespräch auf der Bühne. Durch die letzten drei Monate seiner Amtszeit würden sie gemeinsam gehen, solcherart eine kollegiale Übergabe und Übernahme vorbereitend.

Spaß am Welterbe und ein Slam für die Vielfalt
Im Zentrum der Veranstaltungen der aktuellen Saison wird das Jubiläum „200 Jahre Museumsinsel“ stehen. Am 9. Juli 1825 nämlich wurde der Grundstein für das Alte Museum nach dem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel gelegt, damals das erste öffentliche Museum in Preußen. „Vermitteln – verbinden – begeistern“, so heißt die Devise zum UNESCO-Welterbetag am 1.Juni, ab dem die Museumsinsel fünf Jahre lang gefeiert wird – als Fest für Berliner*innen und für alle, die hierher kommen. Jede Berliner Schulklasse, so der Wunsch von Matthias Wemhoff, Leiter des Gesamtprojekts, Direktor des Museums für Vor-und Frühgeschichte und Sprecher der Museumsinsel, soll in diesem Jahrfünft mindestens einmal auf der Museumsinsel gewesen sein und sich der Frage gestellt haben: „Was hat Welterbe mit mir zu tun?“ Allfällige Schwellenängste werden ein umfangreiches Bildungs- und Vermittlungsprogramm abbauen, wozu ein Familienpass, eine Gaming-App und das Teilhabeprojekt „Urban Gardening“ zählen. All das soll einfach „Spaß am Welterbe“ und dessen partizipativer Aufbereitung wecken, so wünscht es sich Sarah Fortmann-Hijazi, Projektmanagerin bei Multaka (Treffpunkt Museum am Museum für Islamische Kunst).

Wie vielschichtig und bunt das Angebot der SPK ist, zeigten in einem Slam fünf mutige Männer, die es bedauerten, dass keine Frau an diesem sportlich amüsanten Wettbewerb teilnahm. In genau drei Minuten stellten sie ihre Einrichtung und ein besonderes Highlight vor: Emanuele Marconi, der Leiter des Musikinstrumenten-Museums, slamte über neue Formate an seinem Haus („Knowing the past, preparing the future“), Andreas Schalhorn, Kurator am Kupferstichkabinett, gab verlockende Einblicke in die Ausstellung „Der blaue Reiter“, Peter Birle, der wissenschaftliche Direktor des Ibero-Amerikanischen Instituts, warb für Open Science in Europa und Lateinamerika, Sebastian Schmideler, Leiter der Kinder- und Jugendbuchabteilung der Staatsbibliothek, weckte Neugier auf die Präsentation der Comicsammlung Neuhaus mit ihren etwa 4400 Büchern und Heften aus der Zeit von 1951 bis 2022.
„Was sind das für Zeiten, wo / Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!“ schrieb Bertolt Brecht in dem 1939 publizierten Gedicht „An die Nachgeborenen“. Dies zitierte Florian Probst zwar nicht, aber es schwang latent in seinem Vortrag mit. Probst war 2024 Preußenstipendiat am Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Er organisiert mit „Wetter und Klima im 19. Jahrhundert“ eine „neue Temperaturreihe für Deutschland“ und fragt darin: „Wie kalt oder warm war es wirklich vor der industriellen Revolution – und was bedeutet das für unser Verständnis von Klima, Hungerkrisen und historischer Lebensrealität?“ Das brachte den Saal so in Schwung, dass für Probst der höchste Beifall auf dem „Applausometer“ gemessen wurde und er unter all den Gewinnern mit ihren bemerkenswerten Angeboten der erste Sieger wurde.

Mit ausgebreiteten Armen neues Publikum ansprechen
Wie schafft man es, möglichst viele Menschen in die SPK zu bringen, wie lässt sich Aufmerksamkeit und Leidenschaft wecken, wie kommen sich Mensch und Institution dauerhaft nahe? Das Thema Publikumsgewinnung wird für alle Einrichtungen relevant bleiben, obwohl man sich im vergangenen Jahr über gut 3,7 Millionen Besucher*innen freuen konnte und die Strahlkraft der SPK trotz des wegen der Renovierung geschlossenen Pergamonmuseums, zusätzlicher Schließtage und -zeiten sowie gestiegener Eintrittspreise hoch war. Im aktiven Austausch mit dem Publikum und in vielfältigen Formaten sollen zusätzlich neue Besucher*innengruppen angesprochen werden. Achim Bonte, Generaldirektor der Staatsbibliothek, sieht eine Möglichkeit für den niedrigschwelligen Zugang zum Beispiel in der Abschaffung der Jahresgebühr und der Öffnung an Sonntagen. Durch den gezielten Einsatz von ehrenamtlich Mitarbeitenden werden die Kapazitäten von Menschen meist im Ruhestand für die Stabi genutzt und es wird damit außerdem dem Problem der Einsamkeit und Isolation in der Gesellschaft effektiv begegnet. Rund fünfzig Ehrenamtler*innen oft mit Spezialkenntnissen - wie seltene Sprachen - helfen der Stabi derzeit, ihre Projekte umzusetzen.
Grenzen zu überwinden und in die Gesellschaft hineinzuwirken, ist desgleichen das Anliegen von Dagmar Hirschfelder, Direktorin der Gemäldegalerie. So zeichnet sich die derzeit laufende Ausstellung „Von Odesa nach Berlin. Europäische Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts“ durch einen dezidiert kulturpolitischen Hintergrund aus. Betont wird das ukrainische Kulturgut auch als Ausweis ukrainischer Identität. Explizit wendet sich die Schau an geflüchtete Ukrainer*innen in Deutschland, für die der Eintritt frei ist. Der Katalog, die erklärenden Texte in der Ausstellung und der Audioguide sind auf deutsch, ukrainisch und englisch verfasst. Überdies werden die Vermittlungsformate samt den Workshops für Familien in ukrainischer Sprache angeboten. Wie hier so auch sonst gilt das Augenmerk der Gemäldegalerie der zugewandten Erklärung ihrer Kunstwerke, der Vermittlung von Forschungsergebnissen und kunsthistorischer Einordnung. Es gibt per Audioguide eine neue große Highlight-Tour in neun Sprachen und einen Audioguide für Kinder.
„Mit ausgebreiteten Armen“ wolle man die Besucher*innen empfangen, so Achim Bonte, und so kann man insgesamt die Haltung der ganzen SPK beschreiben. Selbst wenn nicht alle mit Torte beglückt werden können wie beim letzten Jahresempfang Hermann Parzingers, wird Marion Ackermann mit ihrem Team weiterhin dafür sorgen, dass die Exzellenz und die Offenheit der Einrichtungen auch in Zukunft blüht und gedeiht. Denn, wie es Claudia Roth definierte: „Kultur kann Halt und Orientierung und Kraft geben“. Das ist für alle gut.
