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Reform-Tagebuch: Folge 6Reform konkret – Bildung und Vermittlung

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In der 6. Folge von Hermann Parzingers Reform-Tagebuch geht es um Bildung und Vermittlung

SPK-Präsident Hermann Parzinger

Hermann Parzinger ist seit 2008 Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Unter dem Titel „Reform-Tagebuch“ gibt er in „Politik und Kultur“, der Zeitung des Deutschen Kulturrats, Einblicke in die Transformation der Stiftung.

Foto: SPK / Herlinde Koelbl

Ein Sommermorgen in der Alten Nationalgalerie. Die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung hat schon ab 9 Uhr geöffnet. Einige Rentnerinnen laufen an einer Schulklasse vorbei, die vor Schadows Grabmal für den Grafen von der Mark auf dem Boden sitzen. Die Erstklässler erfahren, wie Friedrich zu seinen Farben kam und bekommen heraus, dass der "Watzmann" eigentlich eine Collage ist. Wenn sie dann zu Hause von ihrem Ausflug erzählen und ihre Eltern mal wieder zu einem Museumsbesuch anstacheln, dann ist viel erreicht.

Bildung und Vermittlung bei den Staatlichen Museen zu Berlin: Profilgenau und zielgruppenorientiert

Bildung und Vermittlung gehörten zu den ersten Themen, denen sich die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) gewidmet hat und dabei sehr schnell konkret wurde. Unsere Museen wollten diesen wichtigen Bereich nicht mehr weit weg von den Sammlungen zentral organisiert sehen, sondern direkt an die Häuser anbinden.

Ihr überzeugendes Argument: In den jeweiligen Museen selbst sollten profilgenaue Programme entwickelt werden, die die verschiedenen Zielgruppen von Kita-Gruppen über Schulklassen bis hin zu Eltern und Großeltern erreichen. Deshalb haben wir als einen der ersten Reformschritte schon im Sommer 2023 die Kolleginnen und Kollegen aus dem Bereich Bildung und Vermittlung in die einzelnen Museen integriert, damit sie die dort entstehenden Ausstellungen und Projekte von Anfang an begleiten und mitgestalten können. Seitdem ist die Vermittlungsarbeit, so meine ich, noch intensiver und erfolgreicher geworden.

Es geht für die Museen, Archive und Bibliotheken der Stiftung um einen gerechteren Zugang zu Bildung, Wissen und Kultur. Das hat für uns absolute Priorität!

Hermann Parzinger

Kulturelle Bildungsarbeit hat in allen SPK-Einrichtungen hohe Priorität

Generell ist die SPK in diesem Bereich ohnehin weit vorne. Auch in der Staatsbibliothek, im Geheimen Staatsarchiv und im Ibero-Amerikanischen Institut ist die kulturelle Bildungsarbeit in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgeweitet worden. Ob man durch die Otfried-Preußler-Ausstellung im Stabi-Kulturwerk ging, mit dem Dahlemer Archivkoffer unterwegs war oder mexikanische Druckgrafiken kennenlernte, all die Beispiele zeigen, dass sich die Häuser öffnen und immer wieder ganz gezielt nach neuen Ideen für ihre Programme suchen.

Das Staatliche Institut für Musikforschung (SIM) mit dem Musikinstrumentenmuseum hat im vergangenen Jahr über 400 Veranstaltungen, Führungen und Workshops angeboten. Nicht selten waren diese Formate für Kinder und Familien, zu denen auch die klassischen Familienführungen durch Museum und Philharmonie gehören, frühzeitig ausgebucht.

Gleiche Chance für alle

All die Erfolge, die wir auch als bundesweit wahrgenommene Plattform erzielen, zeigen, dass wir unseren gesellschaftlichen Auftrag ernst nehmen. Wir kennen die Bildungsunterschiede in unserem Land, wir wissen, wie groß die Kluft ist zwischen Kindern, denen vorgelesen wird und die ins Museum gehen, und den Gleichaltrigen, die all dies nicht haben. Es geht für die Museen, Archive und Bibliotheken der Stiftung um einen gerechteren Zugang zu Bildung, Wissen und Kultur. Das hat für uns absolute Priorität!

Was hat das alles mit mir zu tun?

Schon Friedrich Schiller und Wilhelm von Humboldt waren überzeugt, dass ästhetische Erziehung zur Bildung eines mündigen Bürgers beiträgt und damit gesellschaftsverändernd wirken kann. Heute geht es aber auch um Orientierungswissen und Urteilskraft, um Fakten von "fake news" unterscheiden zu können.

Kulturelle Bildung ist auch die Suche nach Antworten aus der Geschichte auf heutige Fragen. Den enormen Vertrauensbonus, den gerade die Museen in den jüngsten Umfragen unseres Instituts für Museumsforschung erfahren haben, ist ein großartiger Ansporn, diesen Weg entschieden weiterzugehen.

Themen wie Klima, Migration, Urbanismus, Glaube oder Demokratie sind längst auch Metathemen unserer Einrichtungen. Dabei merken wir, dass gerade unseren jüngeren Besucherinnen und Besuchern Gegenwarts- und Lebensweltbezüge wichtig sind.

Die Grundfrage lautet doch: Was hat das alles mit mir zu tun? Nur wenn wir diese Frage beantworten können, werden auch Bedeutung und Relevanz unserer Sammlungen deutlich, werden Museumsinsel oder Kulturforum als wirklich lebendige und gesellschaftsrelevante Standorte wahrgenommen.

Praxisnahe Modellprojekte

Wichtig sind dabei insbesondere die großen Modellprojekte, in deren Rahmen virulente übergeordnete Fragestellungen der kulturellen Bildung in Museen in Zusammenarbeit mit dem Publikum praxisnah bearbeitet, ausgewertet, dokumentiert und in Transferstrategien überführt werden. Beispielhaft zu nennen sind hier: "READY TO ENTER! Schüler und Jugendliche gestalten die Neue Nationalgalerie", "4plus – Kindergartenkinder im Museum", "ACROSS GENERATIONS – Lernen von Kunst, Kultur und einander" oder "Von Moabit bis Pergamon und zurück – Ferien auf der Museumsinsel".

Modernes Gebäude auf der Berliner Museumsinsel

Haus Bastian – Zentrum für kulturelle Bildung

Haus Bastian ist ein Ort für ein breites Publikum: Schüler*innen und Studierende, Kinder und Familien, Jugendliche und Erwachsene. Sie finden hier in zentraler Lage einen idealen Startpunkt, um in alle 15 Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin auszuschwärmen und ihre Beobachtungen, Erfahrungen und Fragestellungen in kreativer Form nachzubereiten, zu erweitern und zu diskutieren. Neben großen regionalen wie überregionalen Bildungsprojekten, die hier umgesetzt werden, bietet Haus Bastian ein Forum, um über aktuelle und zukunftsweisende Fragestellungen der Bildungsarbeit wie gesellschaftliche Teilhabe, Inklusion oder politische Bildung zu verhandeln.

Foto: SMB / Juliane Eirich

Ein Haus für alle: Haus Bastian

Die SPK ist überdies in der glücklichen Lage, mit dem Haus Bastian gegenüber der James-Simon-Galerie ein Zentrum für kulturelle Bildung zu haben, das in den vergangenen Jahren auch bundesweit Maßstäbe in der Vermittlungsarbeit gesetzt hat. Dieses Haus bietet einerseits ein sammlungsbezogenes Programm für die Museumsinsel, entwickelt aber auch neue Veranstaltungs- und Bildungsformate für andere Häuser.

Und: Das Haus Bastian versteht sich als bundesweite Plattform und Multiplikator für Best-Practice-Beispiele aus der Bildungs- und Vermittlungsarbeit der Museen und Institute. Dazu gehören zum Beispiel auch Fortbildungsprogramme für Akteure der kulturellen, historischen und ästhetischen Bildung externer Institutionen.

Eine Frage der Ressourcen

Reform im Bereich Bildung und Vermittlung heißt für die SPK ganz klar: Stärkung der Häuser einerseits und Entwicklung übergreifender Initiativen, Programme und Projekte andererseits. Doch jede Reform stellt auch die Ressourcenfrage: Nicht jedes unserer Museen verfügt beim derzeitigen Stand über eine eigene Stelle für kulturelle Bildung.

In der Neuen Nationalgalerie etwa behelfen wir uns derzeit mit Zeitverträgen. Um es klar zu sagen: Das ist dem Weltrang unserer Sammlungen nicht angemessen. Eine bessere Ausstattung dieses Bereichs hat für die SPK deshalb absolute Priorität, weil die Wirkung in die Gesellschaft hinein heute und in Zukunft unsere vielleicht wichtigste Aufgabe ist.


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