museum4punkt0: Digitale Partizipation als Chance

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Die Relevanz von Kulturinstitutionen heute bemisst sich an den Partizipationsmöglichkeiten, die sie bieten: Zugänge zum Kulturerbe, Mitgestaltung, Teilhabe – wie lässt sich das Digitale, das per se partizipativ ist, für partizipative Vermittlungsangebote nutzen?

Digitale Partizipation zu ermöglichen, ist eine der drängendsten Aufgaben von Kultureinrichtungen – gerade vor dem Hintergrund der Pandemie. Die SPK setzt 2021 im Rahmen ihrer Projektarbeit im Verbund museum4punkt0 einen Schwerpunkt auf Möglichkeiten, Herausforderungen und Chancen digitaler Partizipation.

Das SPK-Steuerungsteam von museum4punkt0 möchte bedarfsgerechte Angebote machen, um möglichst viele Einrichtungen von der im Verbund gebündelten Expertise profitieren zu lassen. Zentrales Instrument ist die Veranstaltungsreihe „museum4punkt0 | impulse“. Die überaus gut besuchte digitale Auftaktveranstaltung „Digitale Partizipation! Aber wie?“ im Januar 2021 erreichte starke Resonanz und ergab einen ersten Überblick über die Bedarfslage. Viele Fragen und Wünsche konnte das Team mitnehmen, um in den folgenden Veranstaltungen die Möglichkeiten digitaler Partizipation gemeinsam mit Expert*innen und Kulturschaffenden aus den unterschiedlichsten Bereichen genauer auszuloten.

Dringend: digitale Teilhabe am kulturellen Erbe 

Im Austausch über Praxiserfahrungen –  verbundintern und weit darüber hinaus – hat sich die Dringlichkeit des Themas digitale Partizipation bestätigt. Die Teilhabe am kulturellen Erbe von Kulturinstitutionen wird als ausschlaggebend für deren Relevanz heute gesehen. Das Digitale bietet sich an für die Partizipation am Kulturerbe, da es per se partizipativ ist: Die Kommunikation in den Sozialen Medien lebt davon, Inhalte zu generieren und zu teilen. In Zeiten pandemiebedingt geschlossener Häuser sind digitale Zugänge noch dazu die einzigen Wege, die in Museen, Archive, Bibliotheken und andere kulturelle Einrichtungen führen. Partizipation im Sinne eines ernstgemeinten Angebots selbstbestimmter Mitgestaltung verlangt viel von den Institutionen, die wiederum immens von Co-Creation profitieren können.

Wie aber funktionieren digitale Partizipationsangebote in der Praxis? Wie lässt sich ein auf Zielgruppe und Institution passendes Partizipationsangebot konzipieren und umsetzen? Das SPK-Team von museum4punkt0 versteht seine Veranstaltungsreihe museum4punkt0 | impulse als Forum zum produktiven Austausch: Wissen teilen, um gemeinsam die Möglichkeiten digitaler Partizipation an unserem kulturellen Erbe zu erweitern und gerade auch kleinere Häuser auf dem Weg in die Digitalität mitzunehmen.

Digitale Partizipation! Aber wie? museum4punkt0 | impulse

„Extrem bereichernd“! 170 Kulturschaffende teilen Praxiserfahrungen, Ideen und Wünsche. Die hohe Anzahl der konstant Teilnehmenden und die gute Resonanz auf die Auftaktveranstaltung im Januar 2021 haben das spartenübergreifende Interesse am Thema digitale Partizipation überraschend deutlich bestätigt. Aspekte des Themas konnten in Expertinnen-Vorträgen und moderierten Diskussionen mit den Teilnehmenden herausgearbeitet, Bedarfe erkannt und Fragen zur praktischen Umsetzung formuliert werden. Um das Thema möglichst differenziert zu betrachten, wurde das Format der Fishbowl-Diskussion in den digitalen Raum übersetzt. Mit dem Einschalten der Kamera konnten sich die Teilnehmenden in die Diskussion einbringen. Kommentare aus dem Chat wurden von der Moderation aufgegriffen und von den Expert*innen ebenso berücksichtigt. Zudem hält eine ausführliche Nachlese im museum4punkt0-Blog die bereichernde Veranstaltung fest. 

Digitale Partizipation? Zum Beispiel so! Expertinnen zum Thema

Wenn man das Museum als einen Ort für Öffentlichkeit und für gesellschaftlichen Diskurs versteht, dann ist Partizipation ein vielversprechender und auch ein sehr lustvoller Weg, um in Dialog mit dem Publikum zu treten, um sich als Institution zu entwickeln und zu lernen, um diverser und vielfältiger zu werden, um relevant zu werden und relevant zu bleiben.

Mehrere Menschen blicken und fotografieren durch eine Wand mit kleinen Löchern
Mitmachen statt anschauen: Kultureinrichtungen öffnen sich und profitieren immens von externer Expertise. © Stiftung Deutsches Meeresmuseum / Anke Neumeister, CC BY 4.0
Programmflyer
Auftaktveranstaltung der neu belebten Reihe museum4punkt0 | impulse, Konzeption und Moderation: Dr. Silke Krohn. © Stiftung Preußische Kulturbesitz / museum4punkt0 / Julia Rhein, CC BY 4.0
Grafik
Sprung ins Goldfischglas: Wir lassen in digitalen Fishbowls die Teilnehmenden am Expert*innen-Wissen partizipieren. © SPK / museum4punkt0 / Julia Rhein, CC BY 4.0
Grafik, auf der ein Handybildschirm und Insekten zu sehen sind
Bodentiere richtig bestimmen mit dem Onlineportal „BODENTIER hoch 4“. © Visualisierung: Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz / Fotos: J. Rosenberg 3. v. l., E. Iorio / Grafik: – D. Carrascal, CC BY 4.0
Eine Hand hält ein Post-it mit der Aufschrift "Museum für alle" vor einer Wand mit bunten Post-its hoch
Nutzer*innen gestalten das museum x.o. © Badisches Landesmuseum Karlsruhe / Uli Deck, CC BY 4.0
Möglichst viele mitnehmen und das Experiment wagen: Partizipationsangebote brauchen Rückendwind aus allen Bereichen einer Institution.
Möglichst viele mitnehmen und das Experiment wagen: Partizipationsangebote brauchen Rückendwind aus allen Bereichen einer Institution. © Stiftung Deutsches Meeresmuseum / Anke Neumeister, CC BY 4.0
Zwei Bildschirme, auf denen Seiten sozialer Medien geöffnet sind
Zwitschern, taggen, liken, linken: museum4punkt0 stärkt seine Kommunikationsplattformen und setzt in digitalen Veranstaltungen Impulse. © SPK / museum4punkt0 / Maite Kallweit, CC BY 4.0
Mehrere Menschen stehen auf einer Rolltreppe. Neben ihnen hängt das Skelett eines Tieres von der Decke.
Das SPK-Team von museum4punkt0 und Teams aus allen Teilen Deutschlands gemeinsam auf dem Weg in die Digitalität. © Stiftung Deutsches Meeresmuseum / Anke Neumeister, CC BY 4.0

In ihrem Impulsvortrag definiert Dr. Silke Feldhoff Partizipation als selbstbestimmtes Mitgestalten und Co-Autorenschaft: Nutzer*innen bringen eigene Inhalte sichtbar ein und teilen diese. Ein ernst gemeintes Partizipationsangebot ist personal- und damit kostenintensiv und es erfordert Zeit in der Konzeption und Umsetzung. Vor allem aber setzt es voraus, sich auf stark veränderte Arbeitsbedingungen einzulassen: die Bereitschaft, zu teilen und Deutungshoheit abzugeben, wirkt sich strukturell in die Institutionen hinein aus. Die Mühen der Überzeugungsarbeit, Offenheit und Konsensfindung lohnen sich aber, wie zahlreiche Praxisbeispiele zeigen. Kulturinstitutionen gewinnen, wenn sie externe Expertise wertschätzen und Räume öffnen, damit Besucher*innen zu Gestalter*innen werden können.

Wen wollen wir erreichen? Möglichst alle natürlich!

Zum Thema Mitforschen im Museum stellt Kristin Baber vom Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz die Anwendung „Bodentier hoch 4“ vor: ein digitales partizipatives Tool, das die Bürgerwissenschaften, also die Beteiligung von Laien an der Forschung antizipiert. Bodentieren haben es etwas schwerer als niedliche Pandas, Aufmerksamkeit zu erregen. Daher muss zunächst einmal Interesse für diesen Lebensraum geweckt werden. Ziel des Projektes ist es, Citizen Science mit digitalen Mitteln zu fördern und einen attraktiven, innovativen Zugang zu den Bodentieren und der Forschung zu bieten – für Laien und Experten. Das Online-Portal mit einer App bietet einen niederschwelligen interaktiven Bestimmungsschlüssel und vertiefende Informationen. Von verschiedensten Seiten wird bereits Interesse an der Anwendung bekundet: Im Interesse des Bodendiversitätserhalts wirbt der Verein der Freien Bäcker auf Brottüten für das Bodentierportal.

Kollektives Wissen ist größer als das der Einzelnen.

Christiane Lindner vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe hat mit ihrem Team ein neues Projekt im Verbund museum4punkt0 aufgenommen, das sich in das Konzept des Museums fügt: Neue Zugänge zu den Sammlungen, Besucher*innen werden zu aktiven Nutzer*innen – Nutzungsausweise statt Eintrittskarten! In den letzten Jahren wurden in mehreren Partizipationsprozessen neue digitale Formate gemeinsam entwickelt, wobei sich die die Gründung eines Bürger*innenbeirats mit 60 Mitgliedern besonders bewährt hat. Das neue Projekt museum x.o will das Museum im digitalen Raum näherbringen. Ziel ist eine digitale partizipative Plattform, die schnelle Reaktionen zulässt und Dialog mit den sowie den Austausch der Nutzer*innen untereinander ermöglicht. Die Plattform wird nutzer*innenzentriert als Framework entwickelt. Die Erfahrung zeigt: Geeignete Frameworks können sich quasi selbst pflegen und sind eine besonders gelungene Form der Partizipation: Die Nutzer*innen brauchen das Museum nicht, um Content zu erstellen.

Chancen und Herausforderungen digitaler Partizipation

„Einfach machen“! Bewährt hat sich für die Expertinnen, kleine Projekte als Experiment anzustoßen und in einem offenen partizipativen Prozess mit Kolleg*innen aus den unterschiedlichen Bereichen einer Kulturinstitution zu entwickeln. Oftmals gelingt es durch die Praxis – und den Sprung ins kalte Wasser –, Skepsis abzubauen und unerwartet bereichernde Erfahrungen etwa bei Kurator*innen zu erzielen. In einem zweiten Schritt können dann Projekte größer aufgezogen werden. Die Knappheit der Ressourcen ist eine große Hemmschwelle, gerade für kleinere Institutionen. Vertrautheit mit digitalen Vermittlungsangeboten, Social Media-Kommunikation und Partizipation ist keineswegs selbstverständlich vorauszusetzen.

Der Ausbau digitaler Kompetenzen und die Förderung digitaler Solidarität sind Aspekte des Themenfelds digitale Partizipation, die es zu berücksichtigen gilt. Auch hier tragen die Museen Verantwortung. Die nutzer*innenzentrierte Entwicklung von Anwendungen kann helfen, Bedarfslagen zu erkennen. Eine große Chance partizipativer Angebote ist die dauerhafte Bindung der Beteiligten an die anbietende Institution. Darüber hinaus bringen diejenigen, die aktiv mitgestaltet haben, oftmals Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld mit ins Museum: Familie, Freunde, Nachbarschaft. Partizipation kann hier eine besondere Wirkung hinsichtlich neu zu erschließender Zielgruppen entfalten.

Viele Kulturinstitutionen nehmen ihre Verantwortung wahr. Sie sind sich darüber bewusst, dass   Partizipation im Sinne von Teilhabe und Mitgestaltung letztlich über ihre Relevanz in der heutigen Zeit entscheidet. Soziale Relevanz ist wiederum das beste Argument für politische Sichtbarkeit, die Fragen der Ressourcenknappheit und gezielter Förderung beeinflusst. Im Rahmen der museum4punkt0-Veranstaltung wurde erneut bestätigt, wie hilfreich es – für große und kleine Institutionen – ist, sich über die Möglichkeiten digitaler Technologien für Kulturinstitutionen auszutauschen und Synergien zu schaffen.

Expertise weitergeben, aus der Praxis lernen, partizipieren!

Mit seiner 2021 neu belebten Veranstaltungsreihe museum4punkt0 | impulse entspricht die SPK dem Förderziel des Verbundprojekts, Wissen zu teilen. Praxiserfahrungen, Evaluationsergebnisse, nachnutzbare Anwendungen, Betriebskonzepte – die Projektergebnisse werden in ihrer ganzen Bandbreite an Museen und andere Kultureinrichtungen weitergegeben. Die Projektarbeit seit 2017 hat aber auch gezeigt, wie hilfreich der regelmäßige, interdisziplinäre und institutionenübergreifende Austausch im laufenden Arbeitsprozess ist. Seit 2021 sind die bislang assoziierten Partnerinstitutionen in die Förderung von museum4punkt0 aufgenommen.

Die Projektverlängerung mit neuen Teilprojekten in einem erweiterten Verbund und nicht zuletzt die Auswirkungen der Pandemie nimmt das SPK-Team als gesamtstaatliche Aufgabe ernst: Ziel seiner Projektarbeit ist es, möglichst viele Kulturinstitutionen teilhaben zu lassen. Dazu gehört auch, passgenauer auf Bedarfe zu reagieren und ansprechende Austauschformate anzubieten.

Aspekte zum Thema Digitale Partizipation werden aus den Rückmeldungen zum Auftakt der Veranstaltungsreihe aufgegriffen, um auf dieser Grundlage die folgenden öffentlichen Veranstaltungen zu konzipieren. Im Blog von museum4punkt0 wird laufend über Entwicklungen im Bereich digitale Partizipation berichtet. Um eine größere Zielgruppe erreichen, die von Ideen, Konzepten, Pilotprojekten und Praxiserfahrungen des Verbunds profitieren kann, informiert das SPK-Team von museum4punkt0 in den Sozialen Medien und bietet hier die Möglichkeit zum Austausch.


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