Karen Tieth ist Leiterin der bpk-Bildagentur, des zentralen Mediendienstleisters aller SPK-Einrichtungen. Wie die bpk-Bildagentur genau arbeitet, was sich aus fotografischen Nachlässen machen lässt und dass interessante Bestände auch aus einem kleinen Koffer stammen können, erklärt sie im Interview.
Frau Tieth, was genau macht die bpk-Bildagentur eigentlich?
Karen Tieth: Wir sind zum einen ein Bildarchiv mit dem Auftrag zum Erhalt des Kulturerbes. Im Bestand befinden sich über 12 Millionen Motive aus Vor- und Nachlässen bedeutender Fotograf*innen sowie Verlagen. Damit bewahrt die bpk-Bildagentur eines der umfangreichsten und wichtigsten fotografischen Archive in Deutschland. Unser Sammlungsschwerpunkt liegt bei zeitgeschichtlicher Fotografie.
Karen Tieth © SPK / Jonas Dehn
Zum anderen bieten wir als Querschnittbereich Service für die Stiftung: Die bpk-Bildagentur bedient zentral für die SPK-Einrichtungen alle kommerziellen Anfragen nach Abbildungen. Indem wir die zahlreichen Anfragen bearbeiten und etwa auch rechtliche Klärungen übernehmen, entlasten wir die Einrichtungen der Stiftung in diesem Bereich deutlich. Darüber hinaus unterstützen wir die Einrichtungen der SPK in der Beschaffung von Bildmaterial für eigene Produktionen und beraten bei Fragen rund um die Nutzung von Abbildungen. Außerdem vertreten wir als Bildagentur auch andere nationale und internationale Kultureinrichtungen bei der kommerziellen Vermarktung ihrer Bilder über unser Bildportal.
Die Grundlage der bpk-Bildagentur wurde 1966 mit dem Ankauf des „Historischen Bildarchivs“ von Hermann Handke gelegt. Das „Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz“ sollte sich von Anfang an über die Vergabe von Nutzungslizenzen an den Abbildungen selbst finanzieren. Schnell wuchs die Nachfrage von professionellen Bildnutzern nach Abbildungen aus dem Kulturbereich und so übernahm das Bildarchiv zentral für die gesamte SPK die Abwicklung aller kommerziellen Anfragen. Gleichzeitig wurde das Angebot fortschreitend ergänzt durch Kooperationen mit anderen Kultureinrichtungen. Der Bildbranche fehlte eine zentrale Adresse, bei der man auf einen Schlag bedeutende Objekte aus Kultur und Wissenschaft findet – denn viele Nutzer wissen oftmals gar nicht, bei welchem Museum sie eigentlich suchen müssen, wenn sie bestimmte Abbildungen nutzen möchten. Seit 2017 wurde die bpk-Bildagentur dann außerdem finanziell durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien zum Ausbau des „nationalen Bildportals der Kultureinrichtungen“ gefördert. Das Portfolio wurde so kontinuierlich erweitert und die bpk-Bildagentur entwickelte sich immer weiter zu einer kommerziellen Agentur mit modernster Ausstattung.
Mit diesem besonderen Mix aus autorisierten und hochwertigen Abbildungen von so vielen verschiedenen Kultureinrichtungen, insgesamt schon über 200 aus dem In- und Ausland, zuzüglich der zeitdokumentarischen Fotografie, die wir auf unserem Portal anbieten, hat sich die bpk-Bildagentur in Deutschland eine Art Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Insgesamt haben wir jetzt knapp 1 Million Bilder online, die für jeden frei recherchierbar sind. Nur wer die Bilder direkt herunterladen und anschließend kommerziell nutzen möchte, muss sich vorher bei uns registrieren.
Als Bildarchiv beherbergen Sie auch eine Reihe von Vor- und Nachlässen. Wie arbeiten Sie mit diesen Beständen?
Im Speicherdepot Friedrichshagen bewahren wir die wertvollen Vor- und Nachlässe auf und kümmern uns um die sachgerechte Aufbewahrung unter konservatorischen Gesichtspunkten. Im Rahmen des Möglichen arbeiten wir mit und an den Beständen, um diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir hatten zum Beispiel eine schöne Zusammenarbeit mit der Abisag-Tüllmann-Stiftung. Im Rahmen dieses Erschließungsprojekts wurde der Bestand der Fotografin Abisag Tüllmann, der sich bei uns befindet, aufgearbeitet.
Tüllmann war eine bedeutende Fotografin der Zeit-, Kunst- und Theatergeschichte, die für große namhafte Verlage der ehemaligen Bundesrepublik gearbeitet hat. Unter der Projektleitung der stellvertretenden Leiterin der bpk-Bildagentur Christina Stehr wurden insgesamt über 80.000 Bilder (s/w-Abzüge und Farbdias) gesichtet, über 55.000 Original-Abzüge umverpackt und in Auswahl digitalisiert und erschlossen. Zur Unterstützung der zukünftigen Beschäftigung von Wissenschaftler*innen mit dem Werk wurden darüber hinaus über 8.500 Kontaktbögen digitalisiert und über 25.000 digitale „Arbeitsbilder“ der Originalabzüge erstellt. Noch in diesem Jahr werden wir eine eigene Website über Abisag Tüllmann mit umfangreichen Informationen und Materialien zu ihrem Leben und Werk launchen. Das ist dann kein kommerzielles Angebot, sondern richtet sich vor allem an Wissenschaftler*innen, Zeit- oder Fotohistoriker*innen und allgemein Fotointeressierte.
In ähnlicher Weise haben wir ein Projekt mit der S. Fischer-Stiftung zur Aufarbeitung des Nachlasses der Fotografin Leonore Mau. Langfristig ist auch hier geplant, diesen Bestand über eine eigene Webseite der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Das sind zwei Beispiele, die zeigen, was man aus Nachlässen machen kann, wenn die nötigen Mittel da sind. Ohne die großzügige Finanzierung durch die Abisag-Tüllmann-Stiftung und der S. Fischer-Stiftung wären diese Projekte nicht möglich gewesen. Bisher sind wir auf solche Unterstützung angewiesen, denn wir sind ein Regiebetrieb, der einzige in der Stiftung. Wir müssen uns zu 100 Prozent aus den eigenen Einnahmen finanzieren. Das betrifft alle Kosten, also u.a. IT-Kosten, Personalkosten, sämtliche Sachkosten und bisher auch den Bauunterhalt. Die Einnahmen erzielen wir mit der Vergabe von kostenpflichtigen Nutzungslizenzen für kommerzielle Nutzungen. Die Überschüsse können in die Weiterentwicklung der Agentur und in den Erhalt des Archivs und die Aufarbeitung von Nachlässen fließen, aber meistens bleibt nicht so viel übrig. Unser Anspruch ist aber dennoch, die uns anvertrauten Bestände stärker – auch über digitale Angebote – der Forschung und Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.
Wie finden die Vor- und Nachlässe den Weg zu Ihnen?
Zum einen beobachten wir selbst den Markt der Fotografie, stehen im Kontakt mit vielen Fotografen sowie Agenturen und sind sehr gut vernetzt über verschiedene Arbeitsgemeinschaften zur Fotografie und Archivnetzwerke. Viele ältere Fotografinnen und Fotografen stehen vor der Herausforderung, dass sie noch analog gearbeitet haben, also ein großes zu lagerndes Archiv haben, und nicht wissen, was sie damit machen sollen. Ihre Erben sind ebenso überfordert und so droht manches Archiv schlichtweg auf dem Müll zu landen. Viele kommen von sich aus auf uns zu, weil wir bereits viele bedeutende Vor- und Nachlässe haben, über einen sehr guten Aufbewahrungsort mit optimalen Bedingungen verfügen und es uns vor allem zur Aufgabe gemacht haben, dieses fotografische Erbe als wichtiges Zeugnis der Zeitgeschichte für die Nachwelt zu erhalten. Zudem sprechen wir auch gezielt Fotografinnen und Fotografen an.
Die Übernahme ist dann von verschiedenen Kriterien abhängig: Wie ist der Zustand des Materials, wie umfangreich ist das Archiv, gibt es Findmittel und Bildbeschriftungen? Ganz wichtig für uns: Wie ist die rechtliche Situation? Welche Urheberrechte, Eigentumsrechte oder ggf. Persönlichkeitsrechte sind betroffen? Entscheidend ist für uns auch, dass die Bilder handwerkliche Qualität und zeitgeschichtliche Bedeutung haben. Und schließlich müssen die Themen in unseren Sammlungsbestand passen – Kultur- und Zeitgeschichte von den Anfängen der Fotografie bis in die 90er-Jahre.
Manchmal übernehmen wir riesengroße Bestände, mehrere Regalmeter breit, die nicht nur Fotografien umfassen, sondern oftmals auch begleitende Materialien, zum Beispiel Bücher, die mit den Fotos gemacht worden sind, Korrespondenzen oder persönliche Sammlungsgegenstände.
Wir hatten aber im letzten Jahr ein Beispiel, da passte alles in einen großen Holzkoffer. Der Sohn des Fotografen Fide Struck – bisher völlig unbekannt – hatte den Koffer mit dem fotografischen Nachlass seines Vaters jahrelang in der Wohnung aufbewahrt und erst nach Jahren geöffnet. Er fand ganz wunderbare Fotografien. Herr Struck kam dann mit dem Inhalt des Koffers zu uns und fragte, ob wir nicht Interesse daran hätten. Beim Sichten der Arbeiten dachten wir sofort, dass es sich um besonders lebendige Zeitzeugnisse und neues überraschendes Material handelt.
Kurz nach der Vereinbarung zur Übernahme des Nachlasses im Rahmen einer Schenkung zeigte das Altonaer Museum in Hamburg Interesse, gemeinsam mit der Stiftung F.C. Gundlach eine Ausstellung zu erarbeiten. Dafür wurden aus dem Bestand vor allem Hamburg-Motive ausgewählt: von der Börse, vom Fischmarkt, von den Gemüsebauern im Umland. Die Ausstellung „Fide Struck. Fisch – Gemüse – Wertpapiere“ ist ein großer Erfolg. Wir versuchen gemeinsam mit dem Sohn des Fotografen auch in Berlin einen Ort zu finden, um die interessanten Berlin-Motive aus dem Nachlass zu zeigen. Hieran sieht man, dass nicht immer die Menge des Materials entscheidend ist: Dieser Nachlass passt in einen Koffer, birgt aber einen unglaublichen Bilderschatz.
Welchen Weg nehmen die Vor- und Nachlässe nach der Übernahme?
Die Materialien übernehmen wir in unser Speicherdepot in Friedrichshagen. Dort lagern unter optimalen klimatischen Bedingungen und bestem Schutz alle historischen Vor- und Nachlässe, die die bpk-Bildagentur hat. Auch eine eigene Fotorestaurierungswerkstatt haben wir dort eingerichtet, damit wir im Bedarfsfall schadhafte Fotografien reparieren lassen können. Nach der Übernahme erfolgt eine Grundinventarisierung und Sortierung des Archivs sowie die erste Erstellung einfachster Findmittel und eine Beurteilung des Zustandes. Abhängig von Ressourcen und Mitteln erfolgt im nächsten Schritt eine inhaltliche Bearbeitung: Auswahl von relevanten Motiven zur Erschließung und Digitalisierung.
Das Speicherdepot in Friedrichshagen ist für uns ein Ort, um Wissenschaft und Forschung aktiv zu unterstützen. Das wollen wir in Zukunft noch ausbauen. In den Geschichtswissenschaften formiert sich der Bereich der visual history immer stärker heraus und erhält zunehmend Gewicht. Viele Jahre war es so, dass die Fotografie als historische Quelle etwas geringer gewertet wurde als eine schriftliche Quelle. Das hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Wir sehen darin eine große Chance, die von uns gesammelten Bestände bekannt zu machen und die Potentiale des Archivs aufzuzeigen. Da sind noch viele Schätze zu heben.
In der Erweiterung der Bestände arbeiten wir auch stetig mit dem Museum für Fotografie zusammen. Mit unseren Sammlungsschwerpunkten haben wir uns inhaltlich „aufgeteilt“: Im Museum für Fotografie wird eher die künstlerische Fotografie gesammelt, wir fokussieren uns auf die Pressefotografie bzw. dokumentarische Fotografie. Wir sind in ständigem Kontakt und stimmen uns bei Angeboten häufig ab. Es gibt außerdem immer wieder Projekte, die die künstlerische und zeitgeschichtliche Fotografie in den Sammlungen der SPK immer wieder in interessanten Ausstellungen zusammenbringen – so z.B. im Rahmen der Ausstellung „Berlin in der Revolution 1918/19 - Fotografie, Film, Unterhaltungskultur“ im Museum für Fotografie, in der viele Beispiele aus unserer Sammlung gezeigt wurden.
Auch mit anderen Museen wie dem Willy-Brandt-Haus haben wir schon schöne Ausstellungen realisiert. Beispielsweise über die Fotografin Digne Meller Marcovicz, deren Nachlass sich ebenfalls bei uns befindet.
Aus Ihrem reichen Bildbestand machen Sie nicht nur Ausstellungen, sondern auch Bücher.
Wir haben schon seit vielen Jahren Publikationsprojekte mit Verlagen, zum Beispiel mit der Edition Braus, bei der jedes Jahr schöne Bücher zum Thema Berlin erscheinen. In einer sehr intensiven Zusammenarbeit überlegen wir gemeinsam, was es in unserem Bestand an interessanten Themen gibt. In den letzten Jahren entstanden so etwa die Bücher „Abgefahren“ zum Thema Mobilität und „Unter Strom“ über die fortschreitende Elektrifizierung Berlins. Wir stellen bei diesen Projekten das Bildmaterial zur Verfügung und beteiligen uns manchmal auch an den redaktionellen Beiträgen. Das ist eine sehr schöne Partnerschaft.
Zudem haben wir viele Buchproduktionen in Zusammenarbeit mit Verlagen realisieren können, die sich mit dem Werk einzelner Fotografinnen oder Fotografen beschäftigen. Zum Beispiel über Bernd Heyden, Konrad Hoffmeister oder Willy Römer. Die Publikationen sind ein guter Weg, um in Kooperation mit Buchverlagen auf die Schätze in unseren Beständen aufmerksam zu machen. Damit kommunizieren wir der Wissenschaft und Forschung, welch reichhaltigen Steinbruch es für die weitere Forschung im Bildarchiv der bpk-Bildagentur gibt.
Sie sind seit Anfang 2019 Leiterin der bpk. Wie war das erste Jahr für Sie?
Das Jahr ist vergangen wie im Flug. Das zeigt, dass es ganz vielfältige, spannende Aufgaben sind. Ich hatte das große Glück, in der bpk-Bildagentur auf ein tolles, hochmotiviertes Team zu treffen. Das macht meine Arbeit natürlich leichter. Die Mitarbeitenden sind zu Recht sehr stolz darauf, einen professionellen Service für die Stiftung und unsere Kunden zu bieten. Wir alle haben es uns zur Aufgabe gemacht, für unsere Einrichtungen ein verlängertes Aushängeschild zu sein, indem wir über das Portal auch Werbung beispielsweise für unsere Museen oder die Staatsbibliothek machen. Wir haben alle den Ehrgeiz, die Bild-Angebote interessant aufzubereiten – z.B. auch durch unsere Social-Media-Aktivitäten, den Galerieangeboten auf der Webseite und unseren Newsletter. Jedes Motiv, das am Ende in einem Buch gedruckt wird und als Quelle die SMB oder die SBB nennt, ist auch Werbung für die Bestände dort.
Etwas gewöhnungsbedürftig für mich sind die umfangreichen Dokumentationspflichten und längeren Prozesse, die die Vorgaben im öffentlichen Dienst mit sich bringen. Das ist für mich neu, ich versuche aber, diesen Rahmenbedingungen mit Verständnis zu begegnen und die tägliche Arbeit mit der nötigen Sorgfalt, Kreativität und Humor zu gestalten. Ansonsten empfinde ich es vor allem als Privileg, in einem Umfeld zu arbeiten, wo es um Kultur und Kulturerhalt geht, wo man mit vielen interessanten Menschen zu tun und vielfältige Aufgaben hat.
Was mir auch sehr gut gefällt: Dadurch, dass wir eine Querschnittabteilung sind, bin ich mit vielen Kolleg*innen innerhalb der Stiftung recht schnell in Kontakt gekommen. Das ist natürlich ein Vorteil, den ich in meiner Funktion habe. Ich bin sehr positiv aufgenommen worden, habe viel Unterstützung erfahren und hatte schon viele anregende Gespräche. Im Augenblick werden viele Dinge neu betrachtet und Veränderungen angestoßen. Das ist ein sehr guter Zeitpunkt, dazu zu stoßen und sich an der Transformation aktiv zu beteiligen.