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lab.Bode: Das Museum ist kein Sandkasten für Kuratoren

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lab.Bode revolutioniert die Vermittlungsarbeit in deutschen Museen – erst auf der Museumsinsel, später bundesweit. Heike Kropff, Leiterin der Abteilung Bildung / Kommunikation der Staatlichen Museen zu Berlin und Julien Chapuis, Leiter der Skulpturensammlung und des Museums für Byzantinische Kunst im Bode-Museum, erzählen, was lab.Bode ist, will und kann.

lab.Bode ist das Modellprojekt der Staatlichen Museen zu Berlin zur „Stärkung der Vermittlungsarbeit“. Was bedeutet eigentlich Vermittlung und warum ist sie so wichtig?

Julien Chapuis: Für viele Personen heutzutage erschließt sich ein Museum nicht von selbst. Vermittlung, wie ich sie verstehe, ist eine Brücke zwischen den Inhalten und den Besuchern und erlaubt es, eine sinnvolle Interaktion, eine Wechselwirkung zwischen den Besuchern und der Sammlung zu schaffen. Was sinnvoll ist, was diese Wirkung ist, das kann unterschiedlich gedeutet werden.

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Das lab.Bode in Aktion © SMB / Juliane Eirich, 2018

Wie schafft man es, diese Wechselwirkung zu erzeugen? Was sind die neuen Ansätze bei lab.Bode?

Heike Kropff: Bei der Bildungs- und Vermittlungsarbeit geht es darum, Museen in das Alltagsleben zu integrieren. Als soziale Orte, zu denen man geht, weil man hier etwas findet, mit dem man etwas anfangen kann. Das soll nicht nur für diejenigen gelten, die man hier sowieso vermuten würde, sondern auch für jene, die noch keinen Zugang zu den Häusern gefunden haben. Dagegen müssen wir wirken und wir müssen uns verändern. Dann stellt sich die Frage, welche Rolle die Vermittlungsarbeit in unserer musealen Praxis spielt. Also sind es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Bildung und Vermittlung, die am Ende des Prozesses, wie einer Ausstellungsgenese oder einer Sammlungsneupräsentation, Führungen entwickeln müssen? Reicht das? Das reicht natürlich nicht. Eine Chance bei lab.Bode ist, dass wir tatsächlich diesen Inreach überprüfen können: Wie kann die Bildung und Vermittlung Kuratoren in Prozesse der Vermittlungsarbeit einbeziehen? Wie können die Kuratoren vom Wissen der Kolleginnen und Kollegen der Bildung und Vermittlung profitieren? Wie kann man eine Annäherung bewirken? Andererseits geht es um diese große Öffnung für ein Publikum, das bisher hier noch nicht vertreten ist. Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer gehören bisher zu den Wenignutzern des Hauses und das wollen wir ändern.

Gibt es schon konkrete Ideen, wie man die Schulen ins Boot holen könnte?

Heike Kropff: Wir versuchen in Zusammenarbeit mit neun Berliner Partnerschulen herauszufinden, wie diese, auch politisch immer wieder geforderte, langfristige Zusammenarbeit zwischen Schulen und Museen gelingen kann. Das ist ja gar nicht so einfach, weil wir ganz unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichen Aufträgen haben: Schule hat Minutentakt, wir im Museum haben alle Zeit der Welt, Schule gibt Noten, wir sagen, alle Deutungen sind frei. Wie kriegt man das zusammen? Und wie müssen sich die Strukturen ändern? Weil lab.Bode auch ein Projekt der KSB ist, gibt es die Idee, eine Übertragbarkeit auf andere Museen zu generieren. Dazu soll ein Baukastensystem entwickelt werden, das bundesweit genutzt werden kann.

Julien Chapuis: Was ich mir erhoffe, ist eine höhere Identifizierung insbesondere der jüngeren Generationen aus Berlin mit dem Museum. Dass diese sich hier selbst erkennen und das Museum nicht nur als etwas Elitäres wahrnehmen, sondern sehen, dass es etwas mit ihnen zu tun hat.

Herr Chapuis, warum ist die Wahl eigentlich auf das Bode-Museum gefallen?

Julien Chapuis: In der Vorphase des Projekts habe ich Hortensia Völckers, der künstlerischen Direktorin der KSB, gesagt, dass es mein Wunsch ist, die Vermittlung hier zu stärken. Da hat sie erkannt, dass so ein Projekt im Bode-Museum auf fruchtbaren Boden fallen würde. Ich habe mich von Anfang an bereit erklärt, es hier zu machen, die Risiken einzugehen, Neuland zu betreten, Experimente zu machen.

Heike Kropff: Es war wirklich wichtig, dass wir einen Leiter eines Museums haben, der sagt, ich lasse mich auf einen Wandlungsprozess ein. Das machen nicht alle. Außerdem eignen sich die Inhalte des Bode-Museums gut für so ein Projekt. Die Sammlung ist sehr speziell in ihrer Zuspitzung, bietet aber dennoch eine Übertragbarkeit auf viele Sammlungen, die es in Deutschland gibt – durch die christlichen Motive, aber auch die Skulpturen. Diese Kombination aus Bildwerken und Objekten, die es hier gibt, ist spannend.

Julien Chapuis: Im Vergleich zur zeitgenössischen Kunst ist ältere Kunst schwerer zu vermitteln.

Heike Kropff: Die Objekte und Inhalte sind schon sperrig, das ist aber gut.

Julien Chapuis: Ein sehr erfolgreiches Vermittlungsprojekt im Hamburger Bahnhof hat das Nachmalen oder Nachproduzieren von Kunstwerken zum Inhalt. Also ein Tun, das sich direkt an der Sammlung orientiert. Das ist für die ältere Kunst viel schwieriger. Man kann schließlich schwer sagen: Heute schnitzen wir eine gotische Madonna aus Holz mit Blattgold. 80 Prozent der Sammlung hat eine christliche Thematik, die für viele Leute nicht zugänglich ist. Wenn wir es mit diesen Inhalten in diesem Haus schaffen – ein Haus, das wie eine Burg aussieht, dass man durch diese schwere Türe betritt und dann kommt einem dieses Reiterstandbild entgegen… Es ist ein Haus, bei dem die meisten Jugendlichen nicht wissen, warum sie da sind. Das ist die erste Reaktion: ‚Was habe ich hier zu suchen? Das hat mit mir nichts zu tun‘. Die Schwelle im Bode-Museum ist ziemlich hoch und wenn wir es hier schaffen, dann schafft man es in den Pinakotheken in München, im Wallraff-Richartz-Museum in Köln, im Städel in Frankfurt, und dann auch in Museen für zeitgenössische Kunst. Wenn die Vermittlungsformate, die hier erprobt werden, für diese Sammlung erfolgreich sind, dann sind wir einen großen Schritt weiter vorangekommen.

Heike Kropff: In Museen mit Zeitgenössischer Kunst traut man sich mehr, aus der Kunst heraus zu argumentieren. Ich stoße in anderen Häusern oft auf Widerstände, wenn wir freier mit den Dingen umgehen und nicht nur eine reine Wissensvermittlung machen wollen, sondern erstmal versuchen, einen Anknüpfungspunkt zwischen Publikum und den Inhalten zu finden.

Junge Menschen um einen großen Tisch beim lab.Bode
Arbeitsgruppe vom lab.Bode © SMB / Juliane Eirich, 2018
Kind im Foyer des Bode-Museums vor dem Reiterstandbild
Kind im Foyer des Bode-Museums © SMB / Ute Klein, 2018
Frau präsentiert

Sie suchen diese Anknüpfungspunkte jeder aus seiner Disziplin heraus. Frau Kropff, Sie von der museumspädagogischen Warte und Sie, Herr Chapuis als Kunsthistoriker. Wie funktioniert denn eigentlich diese interdisziplinäre Zusammenarbeit?

Heike Kropff: Wir in der Leitungsebene haben zusammen an diesem Konzept gearbeitet und das lief natürlich nicht nur harmonisch, war aber trotzdem eine sehr konstruktive und sehr wertschätzende Zusammenarbeit. Das wünsche ich mir auch für die Arbeit der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Bildung und Vermittlung in den Häusern: Auf Augenhöhe mit den Kuratoren und in direktem Austausch. Ideal wäre es auch, dass man weg kommt von der Reihenfolge, erst eine Ausstellungskonzeption zu machen und danach darüber nachzudenken, wie vermitteln wir jetzt die Ausstellung?

Julien Chapuis: Es braucht viel Energie und Sitzfleisch. Aber weil wir alles in allen Details ausdiskutiert haben, stehe ich hinter jedem Wort der verschiedenen Sachen, die wir produzieren. In diesem Sinne ist es sehr konstruktiv, weil wir beide andere Erwartungen und Bedürfnisse und Expertise haben. Und das, was dann produziert wird ist etwas, das wir beide und die Kulturstiftung alle gleich tragen.

Heike Kropff: Im Rahmen von lab.Bode werden bundesweit 21 neue wissenschaftliche Volontärsstellen im Bereich der Bildung und Vermittlung geschaffen – Stellen, die es bisher nicht gab. Am Bode-Museum gab es beispielsweise eine halbe Stelle für Bildung und Vermittlung. Jetzt kommen plötzlich vier wissenschaftliche Mitrarbeiterinnen für Bildung und Vermittlung dazu. Das Verhältnis zwischen Kuratoren und Vermittlern ändert sich rapide und dadurch kommt etwas in Gang.

Julien Chapuis: Eine neue Mitarbeiterin im Bode-Museum ist Frau Lopéz-Fanjul, die Kuratorin für Outreach. Ihre Rolle ist es, die Bedürfnisse der Besucher in alle Arbeitsabläufe des Museums durchdringen zu lassen. Das bedeutet beispielsweise, Ausstellungsbeschriftungen zu hinterfragen, ob diese für den Besucher verständlich sind. Museum Outreach bedeutet, zu versuchen, Leute an das Haus zu binden, die vorher nicht da waren. Outreach bedeutet aber gleichzeitig Inreach, weil es darum geht, Kuratoren und die Leute, die schon seit Jahren hier sind, für die Bedürfnisse der Besucher zu sensibilisieren und allmählich dazu zu bringen, dass die Interessen der Vermittlung wirklich im Museumsalltag präsent sind. Es geht um eine Mentalitätsänderung innerhalb der Institution.

Was sind denn die Positionen? Vermittler und Kuratoren wollen doch meist etwas anderes. Die Vermittler wollen, dass die Besucher etwas mit den Sachen anfangen können. Was wäre dann die Position der Kuratoren?

Julien Chapuis: „Kurator“ kommt ja vom lateinischen Wort für „sich um etwas Sorge machen“, „curare“. Die traditionellen Gebiete sind Sammeln, Erforschen, Ausstellen. Kuratoren sind manchmal introvertierte Persönlichkeiten, die am Schreibtisch für sich arbeiten und sich nicht immer fragen, ob es verständlich ist, was sie tun. Erfolgreiche Kommunikation ist aber, wenn die Person, an die sich die Botschaft richtet, das versteht, was die Person, die die Botschaft gesendet hat, auch meinte. Es geht darum, Kuratoren dazu zu bewegen, sich wirklich zu hinterfragen, was sie tun, wie sie es tun und für wen. Die Hauptfrage ist: Für wen sind wir da? Das Museum ist kein privater Sandkasten, sondern eine öffentliche Institution mit einem Publikum und unsere Arbeit wird daran gemessen, dass das, was wir machen, verständlich ist.

Die Hauptfrage ist: Für wen sind wir da?

In Ihrem Imagefilm wird gesagt, dass das lab.Bode untersucht, wie das Museum von Morgen aussieht. Zum Museum der Zukunft gibt es ja einige Projekte in der SPK, u.a. das museum4punkt0. Gibt es da mögliche Kooperationen?

Julien Chapuis: Ich habe mehrfach mit dem Projektleiter von museum4punkt0, Markus Hilgert, dem Direktor unseres Vorderasiatischen Museums, darüber gesprochen. Er arbeitet an einer Änderung in den Arbeitsabläufen im Verständnis des Museums als Institution. Ich beschäftige mich eher mit einer Mentalitätsänderung auf menschlicher Ebene. Beide Projekte ergänzen sich und wir sind beide der Meinung, dass wir von dem Projekt des anderen viel zu lernen haben. Als ich vor 30 Jahren anfing zu studieren, hatte ich den Eindruck, dass Museen viel mehr wie Stadtstaaten waren. Heutzutage haben wir alle verstanden, dass wir viel stärker sind, wenn wir miteinander kooperieren, anstatt dass jeder für sich das Rad neu zu erfinden sucht. Wir können viel mehr voneinander profitieren, wenn wir zusammenarbeiten. Viele Herausforderungen an Museen sind die gleichen, überall.

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