Das Institut für Museumsforschung hat herausgefunden, wie Menschen in Deutschland auf eine Kultureinrichtung im Wandel blicken: Fragen an Direktorin Patricia Rahemipour
Museen in Deutschland genießen höchstes Vertrauen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie Ihres Instituts. Freude allerorten natürlich über diesen Rückenwind für die Museen. Noch nie war das Vertrauen in die ältesten und dauerhaftesten Institutionen Gegenstand einer Studie. Wie sind Sie zu Ihren Ergebnissen gelangt?
Patricia Rahemipour: Die Institution Museum war als solche selbst noch nie Teil einer eigenen Studie zum Thema Vertrauen. Es gibt natürlich spartenübergreifende Betrachtungen, der Kulturmonitor und ähnliches, die aber nie so spezifisch ausgerichtet waren. International sieht das jedoch anders aus. Schweden hat beispielsweise schon seit den späten 1980er Jahren regelmäßige Untersuchungen zum Thema Vertrauen in Museum unternommen. Vorbild für unsere Studie jedoch war eine Untersuchung aus den Vereinigten Staaten der American Association of Museums aus dem Jahr 2021. Das war für uns der Anlass, eine bevölkerungsrepräsentative Befragung zu beauftragen. Insgesamt waren etwas mehr als 1000 Menschen ab 16 Jahren Teil der Studie, die im Dezember 2023 durchgeführt wurde.
Zu welchen Ergebnissen war man denn in den Vereinigten Staaten gekommen?
Patricia Rahemipour: Das ist wirklich ganz interessant. Wir haben die Studie bei uns am Institut zum ersten Mal durch eine Präsentation von Colleen Dielenschneider wahrgenommen, die in einem Vortrag auf das hohe Vertrauen, das Museen in den Vereinigten Staaten genießen, hingewiesen hat. Auch dort sind die Museen im Ranking direkt nach der Familie und den Freunden und vor anderen Institutionen einzuordnen. Insgesamt ist aber der Abstand zu weiteren Institutionen nicht so groß wie in Deutschland.
Was ist mit dem Sozialkapital gemeint, von dem die Studie spricht?
Patricia Rahemipour: Zunächst einmal muss man hier vielleicht den Begriff des Sozialkapitals etwas eingrenzen. Sozialkapital bezieht sich auf Beziehungen, Netzwerke und sozialen Bindungen, die Menschen untereinander haben. Es umfasst Vertrauen, Zusammenarbeit, Unterstützung und den Austausch von Ressourcen innerhalb einer Gemeinschaft oder zwischen Individuen. Daher spielt das natürlich innerhalb der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Hier zeigt die Studie, dass die Museen eine Rolle einnehmen können, weil das Vertrauen in sie als Institutionen sehr hoch ist. Sascha Lobo hat in seinem Buch „Die große Vertrauenskrise“ ja deutlich gemacht, wie schwerwiegend der Verlust von Vertrauen ist. Die Museen dagegen haben dieses Vertrauen und sind beispielsweise schon deshalb geeignet, wichtige gesellschaftliche Themen zu verhandeln und damit umgekehrt Sozialkapital zu generieren.
Interessant ist ja, dass die Museen deutlich mehr Vertrauen genießen als politische Organisationen. Worauf führen Sie das zurück?
Patricia Rahemipour: Um diese Frage wirklich gut beantworten zu können, müsste man zunächst einmal weitere qualitative Untersuchungen durchführen, die sich genau hiermit beschäftigen. Aber natürlich habe ich so meine Vermutungen. Es geht darum, wie die Organisation Museum als Institution in der Gesellschaft wahrgenommen wird. Und hier sehen die meisten eine von der Öffentlichkeit getragene Institution, die eine große Beständigkeit repräsentiert und offensichtlich werden Museen als neutral wahrgenommen. Wir haben dazu natürlich auch Rückmeldungen von Museum Professionals bekommen, die völlig zu Recht sagen, dass Museen doch gar nicht neutral sind und sich auch zu Themen positionieren. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht um die Wahrnehmung von außen und die fokussiert vor allem darauf, dass die Museen – auch wenn sie Position beziehen – nicht mit einer „hidden agenda“ unterwegs sind. Ihnen wird nicht unterstellt, dass sie eine bestimmte Haltung einnehmen, weil sie ein bestimmtes Ziel verfolgen. Dahinter könnte aus meiner Sicht die Einschätzung stecken, dass die Museen forschungsbasierte Institutionen sind, die eben deshalb valide Informationen transportieren.

Das Institut für Museumsforschung hat herausgefunden, wie Menschen in Deutschland auf eine Kultureinrichtung im Wandel blicken: Fragen an Direktorin Patricia Rahemipour.
Foto: SPK / SMB / David von Becker
Unsere Demokratie braucht also die Museen dringender denn je. Was schlussfolgern Sie daraus?
Patricia Rahemipour: Aus der Tatsache, dass Museen als Institutionen ein hohes Vertrauen genießen, kann man ableiten, dass sie das Potenzial besitzen, unser demokratisches Miteinander zu stärken. Museen dienen als Orte des Wissens, der Bildung und des kulturellen Austauschs, und ihr hoher Vertrauenswert zeigt, dass sie als glaubwürdige Quellen von Informationen und Perspektiven angesehen werden. Dies ist besonders wichtig in einer Zeit, in der Desinformation und Fake News verbreitet sind. Museen können dazu beitragen, das Verständnis für komplexe Themen zu vertiefen, kritisches Denken zu fördern und eine informierte Gesellschaft zu schaffen. Außerdem haben die Museen eine Sonderrolle: Nur wenige Institutionen ermöglichen die Teilhabe bei der Wissensgenerierung und machen Prozesse, in denen Wissen entsteht, sichtbar. Darüber hinaus sind Museen auch objektbasierte Einrichtungen. Die Fragen, die wir an die Objekte in Museen stellen sind nicht immer neu, aber sie sind auf immer neue Art relevant. Das Vertrauen in Museen ist aus meiner Sicht daher der Beweis für die Relevanz von Museen schlechthin.
Weiterführende Links
- News "Museen genießen höchstes Vertrauen" (19.4.2024)
- Pressemitteilung "Deutschlandweite Studie: Museen genießen höchstes Vertrauen" (19.4.2024)
- Die komplette Studie zum Download
- Institut für Museumsforschung
- SPKmagazin-Beitrag: "„Wir müssen deutlicher erklären, warum Museen systemrelevant sind“
- SPKmagazin-Beitrag: „Wir forschen mit Museen“ – Patricia Rahemipour