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Ich möchte Teil einer Bücherbewegung seinDie Indie Stabi-Reihe

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Die Pandemie war noch nicht ganz vorbei, als im August 2022 eine neue Veranstaltungsreihe für mehr Bibliodiversität in der Verlagslandschaft aus der Taufe gehoben wurde: Indie Stabi lädt jeden ersten Dienstag im Monat einen unabhängigen, für den Berliner Verlagspreis shortgelisteten Verlag ein, sich im Dialog mit einem weiteren Indie-Verlag dem interessierten Publikum in der Staatsbibliothek zu präsentieren. Was es damit auf sich hat, erzählen die Initiator*innen Sarah Käsmayr von der Kurt Wolff Stiftung und Christian Mathieu von der Staatsbibliothek.

Indie-Bands waren eine coole Sache um die Jahrtausendwende: Musik von nachlässig schick angezogenen Leuten, deren Platten von kleinen unabhängigen Plattenverlagen herausgebracht wurden. Mittlerweile hat das Internet die Dichotomie Major-Musiklabelstar und Indie-Band nivelliert und aus den Indie-Freaks sind irgendwie die Hipster geworden. Und trotzdem bleibt Indie cool zumindest bei einem Blick in die unabhängige Verlagslandschaft, die tapfer artenreiche und spannende Indie-Literatur produziert – leider meist unter prekären Umständen. „Im Gegensatz zu Konzernverlagen steht bei unabhängigen Verlagen meist nur eine Person oder ein Kollektiv an der Spitze. Die Verlagsstruktur besteht also oft aus einem*r Verleger*in und einem meist sehr kleinen Team mit einem Netzwerk von freien Mitarbeiter*innen. Es sind inhaber*innengeführte Unternehmen“, erklärt Sarah Käsmayr.

Sie ist Buchgestalterin und Verlegerin des – unabhängigen – Augsburger Maro-Verlags und im Vorstand der Kurt Wolff Stiftung, einer Art Sprachrohr und Interessensvertretung für die Belange deutscher Indie-Verlage: „Zur Kurt Wolff Stiftung gehören inzwischen mehr als 130 unabhängige Verlage. Wir richten die Aufmerksamkeit auf die Arbeitsweise der ,Unabhängigen‘ und die Bücher, die in diesen Verlagen entstehen, indem wir beispielsweise auf den Buchmessen Lesebühnen kuratieren. Außerdem pflegen wir den Kontakt zur Politik, machen öffentlich, wie und unter welchen Bedingungen wir arbeiten und versuchen damit, in der Kulturpolitik das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass viele unabhängige Verlage prekär arbeiten – also dass wir von den Einnahmen, die wir über den Verkauf von Büchern generieren, nicht leben und nicht alle Ausgaben stemmen können“, erklärt Käsmayr. Derzeitiges Hauptziel der Stiftung sei es, die Politik dazu zu bewegen, eine strukturelle Verlagsförderung wie in Österreich oder der Schweiz auch in Deutschland zu etablieren: „Die Arbeit der unabhängigen Verlage ist keine rein wirtschaftliche, sondern vor allem eine kulturelle.“ 

Die Kurt Wolff Stiftung

Die Stiftung veröffentlicht jährlich auch den Katalog „Es geht um das Buch“, in dem über 100 Verlage sich und ihre Programme präsentieren. Der Katalog liegt in der Staatsbibliothek zur Mitnahme aus, in vielen Buchhandlungen oder kann online eingesehen bzw. bei der Stiftung bestellt werden.

Broschüre Wer bekommt was vom Buch? zum Download

Welche kulturelle Vielfalt diese unabhängige Verlagsarbeit produziert, was es trotz aller wirtschaftlicher Widrigkeiten für spannende Verlage gibt und warum sich darum eine Förderung mehr als lohnen würde, das zeigt nun die in Kooperation von Kurt Wolff Stiftung und Staatsbibliothek ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe ‚Indie Stabi – unabhängige Verlage stellen sich vor‘.

Und wenn man die unabhängige Verlagslandschaft als Biotop voller Nischen sehen möchte, dann ist die Stabi als „Gewächshaus“ für Bücher auf jeden Fall der passende Ort für solch eine Veranstaltung. „Die Staatsbibliothek ist erstmal eine Institution, die viele Bücher erwirbt. Und gleichzeitig ist sie ein Ort, an dem nicht nur wissenschaftliche, sondern auch literarische Texte geschrieben werden – teils sogar von so bekannten Autorinnen wie Judith Schalansky und Eva Menasse. Es ist ein richtiger Zyklus: Bei uns im Haus entsteht etwas, und das Endprodukt wird dann bei uns gesammelt“, erklärt der Mit-Initiator der Reihe von Stabi-Seite, Christian Mathieu. „Wir haben auch eine große Sammlung an Verlagsarchiven, mit dem Schwerpunkt auf Wissenschaftsverlagen“, so Mathieu weiter. „Die Stabi dokumentiert so den Entstehungsprozess von Büchern – denn Autor*innen schreiben bekanntlich Texte, die erst im Zusammenspiel mit zahlreichen weiteren Personen zu Büchern werden. Insofern ist es auch nur konsequent, wenn die Staatsbibliothek den am Prozess der Buchwerdung beteiligten Menschen eine Bühne gibt.“ Dieses Angebot nutzen die Verlage gern und zwar mit interessanter Wechselwirkung: Denn jeder von der Stabi eingeladene Verlag sucht sich einen Tandempartner für den Abend aus: „Natürlich sind die Probleme, die die Verlage haben, individuell, genau wie die Programme und die Arbeitsweise. Und trotzdem gibt es Parallelen – oder auch Widersprüche. Sowas aufzudecken, das war die Idee dahinter, wenn Indie Stabi zum Beispiel einen Lyrikverlag mit einem Graphic Novel Verlag zusammenbringt“, erzählt Sarah Käsmayr.

Fünf Menschen sitzen im steinernen Hof eines Hauses vor kleinen Tischen und reden in Mikros
Im Sommer finden die Indie-Stabi-Abende draußen statt, Foto: SBB
Menschen sitzen auf Stühlen und schauen auf ein Podium
"Jeder Abend ist anders und hat eine tolle Stimmung": das ist Indie Stabi, Foto: SBB
Blick in den Lesesaal einer modernen Bibliothek mit Oberlichtern
Hier entsteht so manches Buch: Der Lesesaal der Stabi Potsdamer Straße, Foto: Benne Ochs

Auch Christian Mathieu berichtet von überraschenden Konstellationen und erfreulichen Kooperationen: „Bereits die Paarung bei der Auftaktveranstaltung war eine ungewöhnliche Kombination. Wir haben als erstes den Wagenbach Verlag eingeladen –  denn sein historisches Archiv liegt in der Stabi. Die Verlegerin Susanne Schüssler hat sich für den Hörbuchverlag Speak low als Tandemverlag entschieden. Im Verlauf dieses Indie-Stabi-Abends entstand mit dem Verleger von Speak low die Idee, die charakteristische Klangkulisse der Stabi in der Potsdamer Straße zu dokumentieren. Im Januar stellen wir die geplante CD vor, inklusive Soundfiles im Open Access zum Download, dann kann man sich unser visionäres Scharoun-Gebäude quasi akustisch in die eigene Stube holen.“

Auch wenn nicht jede Indie-Stabi-Veranstaltung zu solchen neuen Kooperationen oder Projekten führt, lohnt sich ein Besuch allemal, wie Mathieu begeistert berichtet: „Jeder Abend ist neu. Natürlich sind es häufig identische Themen und Fragen, die verhandelt werden, und trotzdem ist jeder Abend anders und hat eine tolle Stimmung. Einfach weil diese Reihe von dem Herzblut der Menschen lebt, die ihren Verlag und ihre Buchprojekte präsentieren. Unabhängige Verlage haben immer ein Anliegen, das die Menschen antreibt, ihre Arbeit auch unter prekären Bedingungen zu machen. Und diese Verve ist einfach ansteckend, man spürt das im Publikum und hat auch schon zu Happening-ähnlichen Veranstaltungen geführt. Es ist einfach immer schön und zieht die Menschen begeistert in den Bann.“

Besagtes Herzblut der Indie-Verlagsmenschen und ihre Liebe für Literatur führt dann auch dazu, dass es trotz aller Widrigkeiten genügend geeignete Kandidaten für die Reihe gibt: Indie Stabi ist schon bis zum Juni 2024 durchgeplant. Und zum Schluss des Gesprächs berichtet Christian Mathieu dann noch von einem optimistischen Blick in die Kristallkugel: Der Bundesbeauftragen für Kultur und Medien, die auch den Deutschen Verlagspreis vergibt, habe er nämlich vorgeschlagen, gemeinsam die Indie-Stabi-Reihe zum Podium der Bibliodiversität im gesamten Bundesgebiet weiterzuentwickeln.


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