Frauen und Männer stehen vor einem Gebäude

Amtierender Hochmeister des Deutschen Ordens zu Besuch im GStA

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Frauen und Männer stehen um einen Tisch und betrachten Unterlagen
Eminenz Frank Bayard, der 66. Hochmeister des Deutschen Ordens, besichtigt bei einem Rundgang gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Konferenz das Geheime Staatsarchiv. © GStA PK / Jorid Rüdiger
Frauen und Männer besichtigen Unterlagen
Urkunden, Verträge, Rechnungen und Briefe, die für das Mittelalter wohl bedeutendsten Überlieferungen zum Deutschen Orden, werden heute im GStA verwahrt. © GStA PK / Jorid Rüdiger
Frauen und Männer stehen um einen Tisch herum und besichtigen Unterlagen des Deutschen Ordens
Es geht in den Überlieferungen des Deutschen Ordens um Waffenstillstände mit benachbarten Herrschaften, Städten oder Adeligen, die Verleihung von Land an Adlige sowie Rechte zum Fischfang oder Holzschlag. © GStA PK / Jorid Rüdiger
Zwei Männer betrachten Unterlagen
Die im Staatsarchiv befindlichen Quellen machen es möglichen, nahezu jeden Aspekt der Geschichte Preußens zu erforschen. © GStA PK / Jorid Rüdiger

Alle zwei Jahre treffen sich Historikerinnen und Historiker der „Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens“ zu einer internationalen Konferenz. Vom 19.-21. September 2024 fand sie erstmalig am Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA) statt. Mit dabei war auch Eminenz Frank Bayard, der 66. Hochmeister des Deutschen Ordens. 

 

 

Im Mittelpunkt der Konferenz standen die schwierige und vielschichtige Archivsituation der Bestände des Deutschen Ordens. Der zeitliche Bogen erstreckte sich vom 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart, der räumliche vom Heiligen Land über Preußen zu ausgewählten Balleien in Mitteleuropa bis hin zum Deutschmeisterarchiv in Mergentheim.

Herr Götz, Sie sind mit Ihrem Team beim GStA für die Überlieferungen des Deutschen Ordens verantwortlich. Was genau ist Ihre Aufgabe?

Johannes Götz:Unsere Kernaufgabe ist es, Bestände inhaltlich zu erfassen und zu beschreiben, um sie Benutzer*innen online zur Verfügung stellen zu können. Bei Fragen helfen wir, die gesuchten Dokumente zu finden. Darüber hinaus möchten wir aber auch unsere Überlieferungen bekannter machen. Wir wollen Interesse wecken und Besucher*innen motivieren, unsere Bestände für sich zu entdecken.

Warum wurde das Staatsarchiv als Tagungsort für diese Konferenz ausgewählt?

Johannes Götz: Im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz wird eine der bedeutendsten Überlieferungen des Deutschen Ordens aufbewahrt. Sie stammt aus dem ehemaligen Staatsarchiv Königsberg und ist als Folge des Zweiten Weltkriegs über Umwege in das GStA nach Berlin gekommen.

Die Deutschordensritter, die Templer und die Johanniter waren die drei geistlichen Ritterorden, die das Mittelalter mitprägten. Sie verbanden Geistliches und Militärisches miteinander. Die Ritter des Deutschen Ordens und auch die Johanniter wurden jedoch nicht mit ihrer Gründung militarisiert, sondern erst im Laufe der Zeit. Wie ist der Deutsche Orden entstanden?

Johannes Götz: Die Geschichte des Deutschen Ordens beginnt damit, dass Kaufleute aus Lübeck und Bremen im Verlauf des dritten Kreuzzuges 1190 vor Akkon,einem der wichtigsten Zentren der Kreuzfahrerstaaten, ein Feldspital einrichten. Ursprünglich widmeten sich die Brüder der Betreuung erkrankter Pilger und verwundeter Kreuzfahrer, später sahen auch sie ihre Aufgabe im Schutz der Pilger vor gewaltsamen Übergriffen bis hin zum Kampf gegen die Feinde ihres Glaubens.

Der polnische Fürst Konrad von Masowien wollte die Prußen christianisieren und Kaiser Friedrich II. hatte dem Papst einen Kreuzzug versprochen, die Lösung kam mit dem Deutschen Orden. Was passierte im Baltikum?

Johannes Götz: Bereits vor dem Verlust der christlichen Stützpunkte im Heiligen Land übernahm der Deutsche Orden neue Aufgaben in Europa.Vom polnischen Fürsten gerufen und durch den Kaiser unterstützt zogen die Ritter ins Gebiet der baltischen Prußen, von denen sich im Übrigen der Name Preußen ableitet. Der gesamte Orden stand unter der Leitung des Hochmeisters, der ab 1309 auf der Marienburg (heute Polen) residierte. In Preußen baute er eine Landesherrschaft auf, kultivierte das Land, gründete Städte und schuf attraktive Bedingungen für Siedler. Der Orden wurde ein bedeutender politischer Akteur in dieser Region und seine Aktivitäten trugen zur Formung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Landschaft in diesen Teilen Europas bei und hinterließen ein Erbe, das bis in die moderne Zeit nachwirkt.

Die Deutschordensritter kamen, siegten und blieben. Was passierte nach der Eroberung?

Johannes Götz: Die Expansion des Deutschen Ordens führte zu Konflikten u.a. mit dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen.Und so kam es um 1410 zur Schlacht bei Tannenberg, bei der die Ritter des Ordens eine schwere militärische Niederlage gegen Polen und Litauen erlitten. Diese Schlacht wurde zu einem zentralen Bezugspunkt für nationale Identität und Geschichtsdeutung sowohl in Polen als auch in Deutschland. Sie trug zur Entstehung nationalistischer Mythen bei, die bis in die Zeit des Nationalsozialismus wirksam waren und die deutsch-polnischen Beziehungen nachhaltig belastet haben. Zunächst aber beschleunigte sie erst einmal den bereits eingesetzten Niedergang des Ordens. Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach, aus dem Haus Hohenzollern, hatte sich der Lehre Martin Luthers angeschlossen und säkularisierte auf dessen Anraten 1525 das Deutschordensland Preußen. Sein Hochmeisteramt gab er auf, wandelte Preußen in ein weltliches Herzogtum um, leistete dem polnischen Königs Sigismund I. den Lehnseid und wurde dafür mit der erblichen Herzogswürde belehnt.

Im GStA werden die für das Mittelalter wohl bedeutendsten Überlieferungen zum Deutschen Orden mit Urkunden, Verträgen, Rechnungen und Briefen verwahrt. Was genau ist dort in den Archiven zu entdecken?

Johannes Götz: Dort finden sich Dokumente, in denen es beispielsweise um Waffenstillstände mit benachbarten Herrschaften, Städten oder Adeligen, die Verleihung von Land an Adlige, Rechte zum Fischfang oder Holzschlag geht. Die Urkunden sind wirklich schön anzusehen, mit einem anhängenden Siegel dran. Rechnungen und Inventare von Niederlassungen des Ordens geben Auskunft darüber, welche Einnahmen erzielt oder Ausgaben getätigt wurden, von wem das Geld, die Naturaleinnahmen kamen oder an wen sie gingen. Und dann gibt es relativ viele Briefe, was ungewöhnlich für das Spätmittelalter ist. So erfahren wir z.B. aus den Briefen des Königs von Polen an den Hochmeister, womit jener sich beschäftigte und welche Themen ihn bewegten. Auch hatte die Kanzlei des Hochmeisters eine ausgehende Registratur, der man entnehmen kann, was verschickt wurde. Des Weiteren gibt es zu Büchern gebundene Abschriften der Briefe und Urkunden des Hochmeisters. Alle diese im Staatsarchiv befindlichen Quellen machen es möglichen, nahezu jeden Aspekt der Geschichte Preußens zu erforschen.

Können Interessierte in das GStA kommen und sich die Dokumente des Deutschen Ordens ansehen?

Johannes Götz: Ja, selbstverständlich. Wir laden jede*n ein, hierher zu kommen und sich die Dokumente im Original anzusehen. Jede*r kann kommen, egal ob Wissenschaftler*in oder nicht, absolut jede*r. Und auch, wenn man die Schrift nicht lesen kann, ist es trotzdem schön, sich diese Schriften einmal anzusehen. Das ist ja das Wunderbare am Archiv, dieses haptische Erlebnis, das auch mit dazukommt und der Gedanke „Boah“, wer hatte das alles in den Händen? Das sollte jeder einmal erleben.  

Haben Sie selbst ein Lieblingsstück, etwas, was Sie besonders fasziniert?

Johannes Götz: Als Archivar habe ich natürlich schon so meine Lieblingsstücke, die ich ganz toll finde. Eins wäre eine Statutenhandschrift aus dem 15. Jahrhundert, also ein Rechtstext für die Gemeinschaft. Ihr ist zu entnehmen, wie die Gemeinschaft strukturiert war und welche Regeln galten. Die finde ich sowohl optisch als auch inhaltlich ganz besonders spannend.

Was konnten Sie für sich von der Tagung mitnehmen?

Johannes Götz: Mirhat dieTagung wieder sehr deutlich gezeigt, dass der internationale Austausch unabdingbar ist, weil jeder etwas mitteilen konnte, was für einen anderen eventuell von Interesse ist. Der Deutsche Orden war ein Personenverband, der untereinander Beziehungen unterhalten hat und so ist es durchaus möglich, dass in einer abgelegenen Gegend, in der der Deutsche Orden aktiv war, Bemerkenswertes zu einem größeren Kontext zu Tage gefördert wird.


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