Die Komponistin Zara Ali gewann beim Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb 2022 den ersten Preis im Fach Komposition. Im Interview erzählt sie, wie sie den Wettbewerb wahrgenommen hat – und worauf es wirklich ankam.
Was ist Ihr musikalischer Hintergrund und für welche Hochschule haben Sie am Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb (FMBHW) teilgenommen?
Zara Ali: Ich habe einen Master in Komposition an der Hochschule für Musik Detmold gemacht und bin auch für die HfM Detmold beim FMBHW angetreten. Davor war ich in New York an der Columbia University und habe bei den Komponisten Georg Friedrich Haas und Zosha Di Castri meinen Bachelor in Komposition gemacht.
Wie lief die Auswahl für den FMBHW an der Hochschule ab?
In Detmold gibt es ein Ensemble für zeitgenössische Musik namens Ensemble Earquake. Die Leiterin Merve Kazokoğlu hat mich gefragt, ob ich Interesse hätte, ein Stück für das Ensemble zu schreiben, mit dem wir an dem Wettbewerb teilnehmen könnten.
Also haben Sie das Stück geschrieben und es wurde entschieden, dass Sie im Wettbewerb die Hochschule vertreten?
Es gab damals an der HfM Detmold nicht viele Studierende im Bereich Komposition, ich war eine von dreien. Das Programm ist also sehr klein und so kam es, dass ich mich freiwillig gemeldet habe, das Stück zu schreiben.
Wie haben Sie sich auf den Wettbewerb vorbereitet?
Ich habe mich nicht wirklich vorbereitet, es kam alles sehr plötzlich. Ich war gerade ganz neu in Deutschland, ich kannte niemanden und es war meine erste Arbeit hier. Das war also eine wunderbare Gelegenheit für mich, hier Fuß zu fassen und ins Arbeiten zu kommen.
Wie haben Sie den Wettbewerb erlebt und wie kann man sich die Teilnahme als Komponist:in vorstellen?
In der ersten Stufe musste ich zunächst das Stück schreiben, das war zugleich die intensivste Phase. Es hat sehr lange gedauert, vermutlich hunderte Stunden. Entstanden ist das Stück „behave“ für Ensemble und Elektronik. In der zweiten Stufe wurde dann gemeinsam mit den Musiker:innen des Ensembles geprobt. Auch das war sehr intensiv, ich musste bei jeder Probe anwesend sein, denn mein Stück enthält viele elektronische Elemente und ich musste diese managen und quasi als Performerin dabei sein. Es gab auch sehr viele Fragen der Musiker:innen, denn das Stück enthält viele theatralische Elemente, die die Musiker:innen performen mussten. Ich musste ihnen also zeigen, wie sie Ästhetik, Spiel und Bewegung in Einklang bringen sollten, das war ebenfalls eine intensive gemeinsame Arbeit. Die dritte Phase war dann die Entstehung des Videos, das wir beim Wettbewerb einreichen mussten. Wir wollten eigentlich live in der UdK performen, aber es war die Hochphase der Pandemie und alle Veranstaltungen waren abgesagt, also mussten wir unsere Performance filmen und einreichen. Das war eine weitere Herausforderung, denn die theatralischen Elemente des Stückes auf Video festzuhalten war nicht einfach, zumal wir keine Schnitte und Close-Ups nutzen konnten. Nach der Einsendung des Videos mussten wir dann auf die Entscheidung der Jury warten. Als wir erfahren haben, dass wir gewonnen haben und zusätzlich den Sonderpreis der Freunde Junger Musiker erhalten haben, begann die fünfte Stufe: Das Abschlusskonzert. Trotz der Pandemie durften wir glücklicherweise nach Berlin reisen, um im Konzerthaus Berlin das Stück aufzuführen.
Waren Sie vor und während des Wettbewerbs nervös?
Oh ja, ich war nervös, vor allem beim Abschlusskonzert. Wir hatten nur zwei Tage Zeit von der Ergebnis-Bekanntgabe bis zum Konzert. Wir waren in Detmold und mussten alles planen, es gab also sehr viel zu tun. Meine Hauptsorge war, ob mit der Elektronik alles funktionieren würde, denn diese Systeme sind fehleranfällig und man muss im Vorfeld genau klären, dass im Konzertsaal dann alles funktioniert. Aber wir konnten mit dem Konzerthaus alles klären und am Ende lief alles gut.
Hat die Teilnahme am Wettbewerb Ihre Karriere gefördert? Haben sich dadurch neue Gelegenheiten ergeben?
Ich denke ja – mittlerweile bin ich an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main und bin dort im IEMA-Programm. Das ist ein renommiertes Stipendienprogramm und der Sieg im FMBHW hat sicher dazu beigetragen, dass ich es in dieses Programm geschafft habe. Was Aufträge angeht, bin ich noch eine recht junge Komponistin und ich glaube nicht, dass die Teilnahme am Wettbewerb wesentlich dazu beigetragen hat, meinen Namen zu einer Brand werden zu lassen. Die meisten Leute im Bereich der klassischen Musik haben wohl noch nicht von mir gehört, aber der Wettbewerb bot eine wunderbare Gelegenheit, Kontakte in der kleinen Welt der zeitgenössischen Musik zu knüpfen. Aber es liegt sicher noch viel Arbeit vor mir, auch wenn die Teilnahme am Wettbewerb ein guter Start für meine Zeit in Deutschland war.
Haben Sie Tipps für Nachwuchsmusiker:innen, die in Zukunft an dem FMBHW teilnehmen?
Ich würde sagen, schreibt kein Stück für den Wettbewerb – schreibt ein Stück, an das ihr wirklich glaubt! Ich habe während der Schreibphase meines Stückes nie daran gedacht, ob ich beim Wettbewerb gewinne oder verliere. Ich habe nur an die Musiker:innen gedacht, für die ich das Stück schreibe. Der Wettbewerb bietet eine gute Struktur, um hart zu arbeiten und Zusammenarbeit zu fördern. Aber am Ende des Tages ging es darum, ein Stück zu schreiben, das als Kunstwerk auch über den Wettbewerb hinaus bestehen kann. Man muss in allen Aspekten originell sein. In meinem Stück geht es nicht nur um Musik, es geht um den freien Willen und Technologie. Die elektronischen Elemente im Stück kontrollieren die Musiker:innen, es zeigt also ein sehr profundes Thema, das mir persönlich wichtig ist. Ich würde also zusammenfassend allen Künstler:innen empfehlen, eigenständig zu sein und sich ganz auf die eigenen Ideen zu konzentrieren, die in ihre Kunst einfließen.