
Stefanie Heinlein ist Kunsthistorikerin. Von 2002 bis 2022 war sie Pressesprecherin der SPK und schwerpunktmäßig mit der Baukommunikation betraut. Hier schreibt sie über Hermann Parzinger, den sie während seiner Amtszeit bis 2022 begleitete.
Foto: SPK/photothek/Thomas Koehler
Der Archäologe Hermann Parzinger ist mit seinem Amtsantritt als SPK-Präsident aus der Welt der Kurgane in den Weiten Sibiriens in die Welt der Kolklinsen auf der Museumsinsel gewechselt. Ob es ihm leicht gefallen ist, das wissen wir nicht.
Fest steht: Er konnte sich all die komplexen Bauthemen der Stiftung sofort zu eigen machen und praktisch von Tag Eins an den öffentlichen Diskurs hierzu maßgeblich mitbestimmen. Obwohl er auf die konkreten Bauprozesse an und für sich gar keinen so großen Einfluss nehmen konnte. Die Federführung dabei obliegt ja – wie so oft – dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
Dennoch war er es, der im medialen Kreuzfeuer stand, wenn sich der Baufortschritt verzögerte und Mehrkosten zu rechtfertigen waren. Doch Parzinger gelang es fast immer, in nahezu spielerischer Weise zu parieren und die Öffentlichkeit zu befrieden.
Erinnern wir uns nur an Phasen beim Bau der James-Simon-Galerie und beim Pergamonmuseum. Hier waren es ausgerechnet die Probleme in den »archäologischen Tiefen« der Museumsinsel, die die beteiligten Ingenieure verzweifeln ließen und die Fertigstellung des zentralen Eingangsgebäudes hemmten.
Aber die kritischen Fragen hierzu wurden ein ums andere Mal dem Stiftungspräsidenten gestellt. Aber auch in diesen schwierigen Zeiten machte Parzinger »bella figura«. Immer wieder kam Parzinger sein gut geschliffenes, rhetorisches Florett zugute. Und natürlich: seine meist positive Präsenz in den Medien sowie die Fähigkeit, seine Position auch spontan mündlich wie druckreif plausibel zu machen.
Und wenn dies eben mal auf spanisch, englisch, russisch oder französisch sein sollte, ja, dann bitte – auch kein Problem.
Glanz und Verdruss, Freude und Frust – beim Bauen liegen sie sehr nahe beieinander. Kaum ein anderes Projekt illustriert das besser als das Neue Museum. Jahre zäher Diskussionen, Proteste und Mahnwachen vor der Baustelle lagen hinter der SPK, als der neue Präsident Parzinger das von David Chipperfield Architects wiederhergestellte Neue Museum in Anwesenheit der Bundeskanzlerin im Jahre 2009 glanzvoll eröffnete.
Die Besucher, die Medien, die Fachwelt und die Politik waren sofort begeistert. Kaum mehr vorstellbar war plötzlich, mit wieviel harter Kritik das Projekt über Jahre hinweg konfrontiert gewesen war.
Die Museumslandschaft nach Krieg und Ost-West-Teilung neu zu ordnen und den Ansprüchen unserer Zeit anzupassen, war ein Staffellauf mehrerer Präsidenten. Der Masterplan Museumsinsel von 1999 ist bis heute die Blaupause. In der Ära Parzinger war die Errichtung der von David Chipperfield Architects entworfenen James-Simon-Galerie ein bedeutsamer Schritt, mit dem sich die Museumsinsel entscheidend weiterentwickeln konnte.
Die aufwändigen Arbeiten haben sich ausgezahlt. Das Haus dient als Empfangsgebäude für die Besucher*innen der gesamten Insel und bietet Gastlichkeit und Orientierung sowie Platz für Ausstellungen und Veranstaltungen. 2019 konnte die James-Simon-Galerie endlich eröffnen. Seither empfängt sie mit ihrer großen Freitreppe das Publikum. In der transparenten Formensprache unserer Zeit formuliet, fügt sie sich zwanglos in das historische Umfeld ein. Zu Recht wurde das Gebäude mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.

Nicht weniger bedeutsam in der Ära Parzinger ist die Sanierung des Pergamonmuseums, die 2013 begonnen hat. Der Koloss in der Mitte der Museumsinsel ist ein Haus der Superlative – nicht nur aufgrund seiner Größe.
Das Gebäude wurde in der Weltwirtschaftskrise unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen auf unsicherem Grund errichtet, der noch auf die Eiszeit zurückgeht. Die im Zweiten Weltkrieg entstandenen Schäden konnte die DDR nur notdürftig beheben. Dementsprechend ist die Sanierung des Gebäudes für die Beteiligten mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Sowohl in technischer und logistischer als natürlich auch in finanzieller Hinsicht.
Die Sanierung erstreckt sich vom Fundament bis zum Dach und umfasst den Einbau zeitgemäßer Technik sowie die Ergänzung um einen vierten Flügel. Und: die Arbeiten dürfen nicht die fest installierten Architekturmonumente wie Pergamonaltar und Ischtar-Tor gefährden und erfolgten über Jahre hinweg bei laufendem Museumsbetrieb.
Mehr als 700 neue Mikropfähle, die bis zu 30 Meter in die Erde reichen und aneinandergereiht 14 Kilometer ergeben würden, sorgen mittlerweile für ein stabiles Fundament. Nicht zuletzt ist es auch dem erfolgreichen Wirken des scheidenden Präsidenten zu verdanken, dass der Abschluss der ersten Hälfte dieses Megaprojekts heute in Sichtweite ist.
Ab dem Frühjahr 2027 kann das Museum für Islamische Kunst im gesamten Nordflügel seine Schätze neu präsentieren und die Antikensammlung den Pergamonsaal und Hellenistischen Saal wieder bespielen.
Die Sanierungsarbeiten der Staatsbibliothek Unter den Linden waren gut zwei Jahre im Gange, als Hermann Parzinger sein Präsidentenamt an trat. Auch hier hatte er mit einem riesigen historischen Komplex zu tun, an dem noch deutliche Spuren des Krieges zu sehen waren.
Das Haus sollte nun zu einer hochtechnisierten Bibliothek ausgebaut werden: mit mehreren Lesesälen, mit Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen, einer für Nutzer*innen unsichtbaren Buchtransportanlage von 1,7 km Länge, einem Digitalisierungszentrum und Tresorräumen für das wertvolle Kulturerbe wie die Originalhandschriften von Bach, Beethoven und Mozart sowie als Herzstück einem großem zentralen Glaskubus, der den kriegszerstörten Kuppellesesaal ersetzt.
Überraschende Entdeckungen im historischen Bestand zwangen nicht selten zu Planänderungen und neuen Kalkulationen. Wiederum erfolgten alle Arbeiten – nach Plänen des Architekten HG Merz – bei laufendem Bibliotheksbetrieb. Sie konnten 2019 erfolgreich abgeschlossen werden. Heute erfreuen sich täglich viele Nutzer*innen an der modernen Bibliothek.
Für das Gebäude der Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße von Hans Scharoun waren bereits seit Jahren Maßnahmen zur Sicherung und Asbestbeseitigung notwendig gewesen, um den Betrieb aufrechterhalten zu können, als 2019 ein Wettbewerb das Architekturbüro gmp für die Grundinstandsetzung ermittelte.
Die umfangreichen Planungen sind seither im Gange. Allein die Dimensionen des Gebäudes mit seiner charakteristischen offenen Struktur (800 Leseplätzen, 5 Mio. Bücher, 650 Beschäftigte) lassen die Größe der Aufgabe erahnen. Das Haus war nicht nur nach vier Jahrzehnten Dauerbetrieb in die Jahre gekommen. Es steht seit dem Fall der Mauer in einem völlig veränderten städtebaulichen Umfeld, wird sich deshalb künftig großzügig nach Osten hin öffnen.
Wo bisher der Berliner Winterwind ganzjährig zu blasen schien, wird »berlin modern« ein Treffpunkt sein, der Kunsterlebnis und viel Gastlichkeit vereint
Preußen im Namen der Institution war für Hermann Parzinger schon auch eine ganz klare Verpflichtung. Die Herkunft der Sammlungen sollte stets präsent bleiben, auch wenn Parzingers Vision eine durch und durch moderne war: spartenübergreifende Wissenschaft, Vernetzung mit nationalen und internationalen Partnereinrichtungen, die SPK als außeruniversitäre Forschungseinrichtung groß machen.
Das traf auf fruchtbaren Boden bei den engagierten Nachwuchskräften in den Einrichtungen, manche aber fühlten sich in ihrem Elfenbeinturm bedroht. Alle Mitarbeitenden mitnehmen auf dem Weg in die Zukunft der SPK war für Hermann Parzinger ein Anspruch, allerdings gaben sich Anspruch und Wirklichkeit freilich nicht immer die Klinke in die Hand.
Ab 2008 gab es einige geniale Neuerungen wie der nach wenigen Jahren schon klassische Gartenempfang des Präsidenten und die Notturno-Konzertreihe mit dem Deutschen Symphonie-Orchester – Formate, die in der Villa von der Heydt mit Hermann Parzinger entwickelt wurden. Der Gartenempfang wurde zum Netzwerken von Fachwelt, Politik und Wirtschaft gleichermaßen genutzt wie geschätzt und die Zahl derer, die eingeladen werden wollten, wuchs von Jahr zu Jahr.
Aber auch jährliche Grillfeste der Mitarbeitenden auf der weitläufigen Terrasse vor den Fenstern des Präsidentenbüros erfreuten sich steigender Beliebtheit – die Villa von der Heydt wurde zu einem Ort des Austausches. Der Präsident zeigte sich nahbar.
Am Kulturforum glückte Hermann Parzinger 2014 ein wirklicher Coup. Aus der Baugrube wächst ein Museumsneubau für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Wenn man sich die hitzigen Debatten im Vorfeld vor Augen hält, so mag es einem fast wie das Zerschlagen des gordischen Knoten erscheinen, was dem SPK-Präsidenten hier gelang: eine Lösung für einen seit Jahrzehnten allseits beklagten Missstand der Berliner Museumslandschaft. Die Kunst der Moderne kann nun angemessen präsentiert werden.
Mit »berlin modern« entsteht nun nicht nur eine weitere Bühne für die Nationalgalerie mitsamt den Werken der Sammler Pietzsch, Marx und Marzona sowie für das Kupferstichkabinett und die Kunstbibliothek. Auch der jahrzehntelang beklagten Unwirtlichkeit des Ortes wird damit ein Ende gesetzt. Wo bisher der Berliner Winterwind ganzjährig zu blasen schien, wird das neue Museum ein Treffpunkt sein, der Kunsterlebnis und viel Gastlichkeit vereint.
Der Entwurf von Herzog & de Meuron sieht zwei sich kreuzende Boulevards im Innern vor. So wird das Haus nicht zur Barriere, sondern zu einer Art Kommunikator zwischen den Nachbarn Mies-Bau, Kirche, Philharmonie und Staatsbibliothek.
Im Laufe des Planungsprozesses sind ökologische Aspekte deutlich gestärkt worden. Das Dach soll einmal der Energiegewinnung dienen, Beton als Werkstoff wird reduziert eingesetzt, im Außenraum werden Bäume angenehmen Schatten spenden und eine Verbindung zum nahegelegenen Tiergarten herstellen.
Für das Funktionieren des SPK-Kosmos sind aber nicht nur die Großprojekte ausschlaggebend. Viele weitere Baumaßnahmen, oft im Kosten- und Zeitrahmen realisiert, tragen ebenso dazu bei. Hier können sie nur kurz erwähnt werden:
Eröffnung der Sammlung Scharf-Gerstenberg im Stülerbau Ost (2008) und des Kaisersaals im Museum für Fotografie (2010). Neubau des Archäologischen Zentrums gegenüber der Museumsinsel mit Bibliotheken, Werkstätten, Depots (2012). Funktionsertüchtigung der Museen Dahlem (2012). Erweiterung des Museums Berggruen (2013). Eröffnung des neu gebauten Bibliothek-Magazingebäudes in Friedrichshagen (2014). Neugestaltung von Foyer und der Mode-Galerie im Kunstgewerbemuseum (2014). Konzept für den Forschungscampus Dahlem (2017). Sanierung von Mies van der Rohes Neue Nationalgalerie (2021). Sicherung des Museumsstandorts Hamburger Bahnhof (2022). Beginn der Grundinstandsetzung des Museums Berggruen (2022). Richtfest für das neue Museumsdepot in Friedrichshagen (2023). Wettbewerbsentscheidung für Sanierung und Erweiterung der Gipsformerei (2023). Wiederherstellung der Kolonnaden auf der Museumsinsel (2010/2024).
Was die preußischen Könige begannen, setzte der Stiftungspräsident fort.
Wie groß die Aufgabe der SPK ist, für die immensen Sammlungen eine angemessene Unterbringung und zeitgemäße, attraktive Präsentationsmöglichkeiten zu schaffen, macht nicht nur diese lange Reihe der Projekte deutlich.
Es kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Stiftung deutlich mehr als ein Viertel ihrer Ausgaben für das Bauen aufwendet. Der Stiftungspräsident hat die schöne Aufgabe, fortzusetzen, was mit der Bautätigkeit der preußischen Könige einmal begonnen hatte.
Viele der SPK-Gebäude prägen heute das Bild der Stadt. Sie stehen im Zentrum des öffentlichen Interesses, so manche heiße Diskussion hat sich an ihnen entzündet. Und wo streitet man leidenschaftlicher über Architektur als in Berlin?
Da ist es gut, wenn man, wie Hermann Parzinger, über ein schier unbegrenztes Energiereservoir verfügt. Aber auch über eine Antenne für gesellschaftliche Prozesse, die auf das Bauen Einfluss haben. Nicht zuletzt sein kluges strategisches Vorgehen, sein Verhandlungsgeschick und seine Entschlusskraft haben oft das Entscheidende bewirkt.
Und am Ende: Allein vierzehn Bau- und Sanierungsprojekte hat er in seiner fast siebzehnjährigen Amtszeit abgeschlossen und viele weitere in ein gutes Fahrwasser gelenkt. Was für eine stolze Bilanz.
Hermann Parzinger war wahrlich kein »Frühstückspräsident«, vielmehr ein Schaffer.
Im Alltag war die Villa der Ort, wo gefordert und gefördert wurde – es war dann weniger der angenehme Repräsentationsort, vielmehr echter Arbeitsplatz. Ein Arbeitsplatz, der von den meisten Mitarbeitenden aber wirklich geschätzt wurde, ein Ort der kurzen Wege, wo einem Hermann Parzinger auch mal unverhofft über den Weg lief, ein kurzes Hallo oder auch ein längeres »wie geht es« drin waren.
Hermann Parzinger war wahrlich kein »Frühstückspräsident«, vielmehr ein Schaffer. Was er tat, das tat er in hoher Schlagzahl, Mails kamen oft im Minutentakt zurück, Nachfragen wurden fast rund um die Uhr bearbeitet – egal, ob Weihnachten, im Urlaub oder am Geburtstag. Er war immer online. Mails, die mit »übrigens« begannen, wurden nach kurzer Zeit berühmt-berüchtigt. Hier wollte er Antworten, und zwar sofort! Genauso rasch wurden seine Rückmeldungen legendär, die mit einem »basta« endeten. Damit machte der Chef klar, so und nicht anders wollte er die Sache entschieden oder bearbeitet haben.
Das war für die Mitarbeitenden vielleicht nicht immer einfach, aber Hermann Parzinger trug stets die volle Verantwortung und stand dazu und hinter seiner Mannschaft. Das alles trug sich in der Villa zu. Ein Ort, wo kleinere und größere Arbeitsrunden zusammenfanden, wo diskutiert, wo gestritten, wo gerungen wurde, nicht zuletzt und sehr oft um die Zukunft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Hier tagte der Wissenschaftsrat 2019/20 ebenso wie vielfach auch der Stiftungsrat unter Leitung verschiedener Kulturstaatsministerinnen und -minister mit Vertretern des Bundes und aller Länder, hier wurde SPK-Geschichte geschrieben, bis zuletzt, in der langen Amtszeit von Hermann Parzinger, die im Mai 2025 nach über 16 Jahren endet.