Das flüchtige Tagebuch einer Präsidentschaft, die von einem Meilensteinfeld gesäumt wurde. Aber wie kamen die Steine dort hin? Die Geschichten stecken hinter den Bildern und in einem Alltag, für den man gerüstet sein musste. So oder so.

2008: Lehmann geht, Parzinger kommt
Am 29. Februar wird der ehemalige SPK-Präsident Klaus-Dieter Lehmann zu Füßen des Pergamonaltars verabschiedet und der Nachfolger Hermann Parzinger ins Amt eingeführt. In seiner Rede verspricht Kulturstaatsminister Bernd Neumann dem Neuen, dass große Aufgaben auf ihn warten würden: Humboldt Forum, Masterplan Museumsinsel, Generalsanierung Staatsbibliothek
Unter den Linden … Aber Parzinger besitze ja Kompetenz, Ausdauer und Weitblick.

2009: Das Neue Museum wird eröffnet
Nach gut zehn Jahren Planung und Restaurierung wird das Neue Museum am 5. März wiedereröffnet. David Chipperfield hat den Stüler-Bau wiederhergestellt, ohne die Spuren der Vergangenheit zu überschminken. Damit sind in Parzingers erstem Amtsjahr erstmals seit 70 Jahren wieder alle fünf Häuser der Museumsinsel geöffnet. Fotos: Zentralarchiv/Pierre Adenis

2010: Ulla und Heiner Pietzsch schenken ihre Sammlung
Am 17. Dezember schenkt das Ehepaar Ulla und Heiner Pietzsch dem Land Berlin ihre einzigartige Kunstsammlung, die rund 160 Werke namhafter surrealistischer Künstler*innen wie Salvador Dalí, Max Ernst, René Magritte oder Joan Miró umfasst. Sie wird der Neuen Nationalgalerie als Dauerleihgabe überlassen. Die Pietzsch- Sammlung soll ihren festen Platz im Neubau der Nationalgalerie »berlin modern« am Kulturforum bekommen. Foto: Urban Ruths
Photography

2011: 350 Jahre Staatsbibliothek zu Berlin
1661 öffnete die »Churfürstliche Bibliothek zu Cölln an der Spree« erstmals ihre Pforten. Diese Geburtsstunde der »Stabi« wird groß gefeiert: Mit einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum, die den Weg zur größten wissenschaftlichen Universalbibliothek in Deutschland nachzeichnet und einer Schau im Haus Potsdamer Straße. Dort bekunden prominente Köpfe ihre Verbundenheit mit der Stabi in künstlerischen Fotografien. Foto: Jörg F. Müller

2012: Das Archäologische Zentrum kommt hinzu
Ein wichtiges Ziel von Hermann Parzinger ist es, das Profil der SPK in Sachen Wissenschaft und Forschung weiterzuentwickeln. Nicht nur, dass die SPK 2012 Vollmitglied der DFG wird und sich an
Exzellenzclustern wie TOPOI beteiligt – mit dem Archäologischen Zentrum eröffnet am 31. Oktober neben der Museumsinsel ein wichtiger neuer Ballungsort der altertumswissenschaftlichen und
archäologischen Forschung - und danke des Zentralarchivs der Museen auch der Provenienzforschung; Foto: Ostkreuz /Thomas Meyer

2013: Ausstellung Bronzezeit – Europa ohne Grenzen in Russland
Vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine arbeiten deutsche und russische Museen einige Jahre gut zusammen – trotz und wegen der Beutekunstproblematik. Gemeinsam konzipieren sie etwa drei Ausstellungen, die die die kulturellen, gesellschaftlichen und religiösen Entwicklungen im Europa der Merowingerzeit, der Bronzezeit und der Eisenzeit nachzeichnen. Sie zeigen erstmals verloren geglaubte, kriegsbedingt verlagerte Kulturgüter der Berliner Museen in Russland. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in ihrer Eröffnungsrede zur Bronzezeit-Ausstellung, dass
diese nur stattfinden könne, weil man nicht gefragt habe, woher ein Exponat komme, sondern was wichtig sei. Knapp zehn Jahre später wird die deutsch-russische Kooperation in Trümmern liegen. Foto: Staatliches Puschkin Museum der Schönen Künste / Andrea Kudryavitskiy

2014: Die Humboldt-Tagebücher werden erworben
Alexander von Humboldt ist eine Art Säulenheiliger der Stiftung. Der reisende Forscher und preußische Strippenzieher verbindet die SPK-Einrichtungen bis heute, denn überall sind seine Spuren zu finden. Mit dem von öffentlichen und privaten Förderern ermöglichten Ankauf seiner Amerikanischen Reisetagebücher für die Staatsbibliothek zu Berlin werden diese Spuren um akribisch und kunstvoll geführte Zeugnisse eines unersättlichen Wissenwollens und Entdeckertums entscheidend erweitert.

2015: Rudolf Mosses »Liegender Löwe« wird restituiert
Ein weiterer wichtiger Meilenstein der Ära Parzinger ist der Ausbau der Provenienzforschung – wichtigste Prämisse, um Fälle von NS-Raubkunst aufarbeiten zu können. Insgesamt hat die SPK in
Parzingers Amtszeit 1572 Bücher und 223 Kunstwerke zurückgegeben – eines davon war 2015 der NS-verfolgungsbedingt entzogene »Liegende Löwe« von August Gaul aus der Sammlung des jüdischen Verlegers Rudolf Mosse. Die Skulptur wird zurückgekauft und begrüßt heute die Gäste der James-Simon-Galerie.

2016: Herzog & de Meuron gewinnen Wettbewerb für Neubau der Neuen Nationalgalerie
Mittlerweile heißt dieses große Bauprojekt, das der Neuen Nationalgalerie endlich ermöglicht, ihre Sammlung der Kunst des 20. Jahrhunderts inklusive der Schenkungen Pietzsch und Marx angemessen zu präsentieren und nebenbei das Kulturforum städtebaulich vollendet, kürzer und catchier »berlin modern«. Am 27. Oktober entscheidet das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron mit seinem Entwurf eines archetypischen und offenen Hauses den Realisierungswettbewerb für sich. Es freuen sich auch Kunstbibliothek und Kupferstichkabinett, die mit einziehen werden. Foto: Photothek/Thomas Trutschel

2017: Bundesweite Kulturvermittlung
Das bundesweite Projekt museum4punkt0 steht für digitale Kulturvermittlung und wird von Mai 2017 bis Juni 2023 durch die SPK koordiniert. Der Verbund vernetzt Kultureinrichtungen aus ganz
Deutschland. Über Institutionsgrenzen hinweg und disziplinübergreifend entwickeln einzelne Teilprojekte digitale Angebote für neue Arten des Lernens, Erlebens und Partizipierens im Museum. Und der Clou: Alle Erkenntnisse, Erfahrungen und Ergebnisse sind nachnutzbar. Neben m4p0 war auch lab.Bode ein innovatives und deutschlandweites Vermittlungsprogramm. Foto: Valerie Schmidt

2018: Der erste Einzug ins Humboldt Forum
»Logistische Meisterleistung« wird zum Wort des Jahres 2018: Seit Januar 2016 wird in Dahlem der Umzug der außereuropäischen Sammlungen ins Humboldt Forum vorbereitet. Noch ist das neue
alte Schloss im Bau, da werden schon Objekte restauriert und verpackt. Besonders herausfordernd ist ein Großobjekt wie das Luf-Boot, das in einer Kiste von 16 Metern Länge als Schwertransport
nach Mitte gefahren wird. Foto: David von Becker

2019: Die James-Simon-Galerie ist fertig
Am 12. Juli eröffnet die James-Simon-Galerie als zentrales Eingangsgebäude. Entworfen hat es der Hausarchiekt der »Insel«, David Chipperfield. Der moderne, elegante Tempel der Gastlichkeit und der Bildung wird von der Presse gefeiert. Und Berlin hat die schönste Freitreppe ever. Über die geht als erste Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Nachkommen von James Simon. Foto: David Chipperfield Architects /Ute Zscharnt

2020: Lockdown
Die Corona-Pandemie trifft auch die SPK hart und sorgt für eines der krisenreichsten und nervenaufreibenden Jahre: Museen und Bibliotheken, Archive und Institute schließen teilweise monatelang. Auf einmal sind Vokabeln wie Systemrelevanz und Inzidenz, Abstandsregelung und Hygieneauflagen relevant. Im ersten Corona-Jahr erscheint am 13. Juli auch noch das Gutachten des Wissenschaftsrat, dass von »Dysfunktionalität« der SPK spricht und eine Auflösung empfiehlt. Schnell ist klar: die Einrichtungen stehen hinter ihrem Präsidenten und verteidigen den Stiftungsverbund. Der Reformprozess beginnt. Foto: photothek /Florian Gärtner

2021:So viel Mies wie möglich: Die Neue Nationalgalerie ist zurück
Die Wiedergeburt des Tempels der westlichen Moderne wird 2021 angemessen begangen: Nachdem die Neue Nationalgalerie mehr als sechs Jahre saniert wurde, wird in mehrmonatigen Etappen Eröffnung gefeiert: Zunächst pflanzt der Aktionskünstler Ben Wagin am 19. April drei Silberahornbäume an der Nordseite des Gebäudes – als Kompensation der beiden 1976 von ihm gepflanzten Schwarzkiefern, die den Sanierungsarbeiten weichen mussten. Zehn Tage später wird im digitalen Beisein des Architekten David Chipperfield der Schüssel übergeben. Am 25. Juni führen SPK-Präsident Parzinger und Leiter Joachim Jäger fast alle Ministerpräsident*innen der Länder durch den frisch sanierten Bau. Am 21. August startet dann die offizielle Wiedereröffnung mit großem Bahnhof. Foto: Simon Menges

2022: Die Benin- Bronzen werden zurückgegeben
Dass Provenienzforschung auch Objekte aus kolonialen Kontexten umfassen sollte und es auch hier zu Rückgaben kommen muss, wird zu einer Überzeugung in Hermann Parzingers Amtszeit. Zu einem Symbol wird die Restitution von 514 Benin-Bronzen aus den Sammlungen der SPK. Im Dezember 2022 werden die ersten zehn Objekte nach Nigeria zurückgeführt. Bereits im Juli waren anlässlich des Rückgabebeschlusses zwei Stücke übergeben worden. Ein Drittel der restituierten Sammlung verbleibt als Dauerleihgabe in Berlin. Die Benin-Bronzen wurden 1897 von britischen Truppen geplündert und gelangten so in europäische Museen. Foto: Photothek / Thomas Trutschel

2023: Das Kulturforum wird endlich grün
Ökologisch, ökonomisch und sozial: Die SPK will auf allen Ebenen nachhaltiger werden. Nicht nur, dass Stellen für Nachhaltigkeitsbeauftragte geschaffen werden, auch der Entwurf für »berlin modern« wird grüner. Die SPK gibt sich das Ziel, bis 2035 klimaneutral zu werden. Eine analoge Veranstaltung dazu ist 2023 der »Tag im Grünen« am Kulturforum: Die Anrainer des betonierten Kulturkraftfelds laden dazu ein, ihre eher unbekannten Gärten zu entdecken und zu feiern. Das Kulturforum zeigt sich mit musikalischen, kulinarischen und künstlerischen Darbietungen von unentdeckter grüner Seite. Foto: Photothek /Felix Zahn

2024: Parzinger geht, Ackermann kommt
Bei der Stiftungsratssitzung am 8. Juli wird beschlossen, dass die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, am 1. Juni 2025 die Nachfolge von Hermann
Parzinger antreten wird. Die erste SPK-Präsidentin bekommt einen »Laden übergeben, der gut in Schuss ist«, wie ihr Vorgänger sagt. Was er ihr mit auf den Weg gibt, klingt fast wenig nach Resümee: »Es ist ein forderndes, aber auch wunderbares Amt mit enormen Gestaltungsmöglichkeiten, gerade auch jetzt in einer Phase, in der sich dieser einmalige Verbund der Stiftung mit seinen Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsinstituten von Weltgeltung tiefgreifend verändern wird und man auch dafür sorgen muss, für die Zukunft in einem permanenten Prozess der Erneuerung und des Hinterfragens zu bleiben, um stets neue Kräfte freizusetzen. Dafür ist Marion Ackermann genau die Richtige.« Foto: Photothek/ Felix Zahn