
Dorothea Kathmann war von 1990 bis 2021 als Juristin bei der SPK tätig und leitete in der Villa von der Heydt die Präsidialabteilung.
Foto: SPK / S. Steiß
Im März strahlt die Villa von der Heydt im Berliner Tiergarten für gewöhnlich noch nicht in ihrer vollen weißen Pracht – beeindruckend ist diese Liegenschaft aber eigentlich immer, sowohl von außen als von innen. Das stellte auch Hermann Parzinger unumwunden fest, als er das Präsidentenamt im März 2008 übernahm und in diesen wohl schönsten Dienstsitz Berlins einzog.
Ob er zu Anfang ahnte, wie viele Stunden er hinter den klassizistischen Mauern verbringen würde? Wie viele auch schwierige und weitreichende Entscheidungen zu treffen waren für den großen SPK-Kosmos? Wie viele Gäste aus dem In- und Ausland er dort empfangen würde – Exzellenzen und Experten, Politiker, Künstler, aber vor allem fast täglich auch seine Mitarbeitenden in großer Zahl? Wie viele Krisen er dort zu bewältigen haben würde? Wie persönlich die Verbindung zu dieser Villa für ihn werden könnte?
Hermann Parzinger war von Beginn an ein Macher mit viel Elan, mit eigenem Stil und einem sehr speziellen Ordnungssinn. Ein preußischer Bayer. Ein Ordnungsfan, wie es ihn an diesem Präsidentenschreibtisch vorher so wohl noch nicht gegeben hatte. Kein Blatt Papier zu viel befand sich darauf und falls doch, war alles gut beschriftet. Was erledigt war, wurde sofort in ordentlich geführte Ordner abgelegt und war zu gegebener Zeit stets auffindbar.
Daran änderte auch die E-Akte nichts. Hermann Parzinger ist ein Papiermensch (zugleich natürlich technikaffin und handybesessen), er ist ein Bücherverrückter, schrieb selbst umfangreiche Werke über archäologische Welten – quasi als Ausgleich im Urlaub. Aber auch übergeordneten Themen wie dem Kulturgüterschutz, der in den Jahren seiner Präsidentschaft international immer wichtiger wurde, widmete er sich mit Leidenschaft.
Er wollte aufrütteln und deutlich machen, was Kultur für die Identität bedrohter Länder bedeutet. Im Kontext seiner vielfältigen Aufgaben als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit den Sparten Museen, Bibliotheken, Archive waren es die übergreifenden und immer wieder vereinenden Themen, die ihn umtrieben, die er nicht nur für sich, vielmehr mit Anderen diskutieren und voranbringen wollte. Die Geschichte der Menschheit war ihm immer der rote Faden.
Die Geschichte der Menschheit war ihm immer der rote Faden
Dorothea Kathmann über Hermann Parzinger
In der Villa von der Heydt gab es nach dem Einzug von Hermann Parzinger übrigens viele Veränderungen – die sehr preußenlastige Ausstattung mit Schlachtenbildern, Skulpturen und alten Karten wurde zwar modernisiert, nicht aber »geschliffen«. Die Einrichtung in der weitläufigen Eingangshalle folgte nun den Prinzipien von Offenheit, Stilsicherheit und Transparenz – lichtdurchflutet und mit schöner Kunst bestückt. Hier wartete man nun gern ein paar Minuten auf den Termin bei Hermann Parzinger.

Preußen im Namen der Institution war für Hermann Parzinger schon auch eine ganz klare Verpflichtung. Die Herkunft der Sammlungen sollte stets präsent bleiben, auch wenn Parzingers Vision eine durch und durch moderne war: spartenübergreifende Wissenschaft, Vernetzung mit nationalen und internationalen Partnereinrichtungen, die SPK als außeruniversitäre Forschungseinrichtung groß machen.
Das traf auf fruchtbaren Boden bei den engagierten Nachwuchskräften in den Einrichtungen, manche aber fühlten sich in ihrem Elfenbeinturm bedroht. Alle Mitarbeitenden mitnehmen auf dem Weg in die Zukunft der SPK war für Hermann Parzinger ein Anspruch, allerdings gaben sich Anspruch und Wirklichkeit freilich nicht immer die Klinke in die Hand.
Ab 2008 gab es einige geniale Neuerungen wie der nach wenigen Jahren schon klassische Gartenempfang des Präsidenten und die Notturno-Konzertreihe mit dem Deutschen Symphonie-Orchester – Formate, die in der Villa von der Heydt mit Hermann Parzinger entwickelt wurden. Der Gartenempfang wurde zum Netzwerken von Fachwelt, Politik und Wirtschaft gleichermaßen genutzt wie geschätzt und die Zahl derer, die eingeladen werden wollten, wuchs von Jahr zu Jahr.
Aber auch jährliche Grillfeste der Mitarbeitenden auf der weitläufigen Terrasse vor den Fenstern des Präsidentenbüros erfreuten sich steigender Beliebtheit – die Villa von der Heydt wurde zu einem Ort des Austausches. Der Präsident zeigte sich nahbar.
Haben Sie schon mal Kamelaugen gegessen?
Dazu trugen auch die vielen Geschichten bei, die Hermann Parzinger von seinen Grabungsreisen zum Besten geben konnte. Launig und humorvoll erzählte er zum Beispiel, wie es ist, wenn man von örtlichen Grabungspartnern als große Delikatesse Kamelaugen serviert bekommt und diese nicht ausschlagen kann. In solchen Momenten war er ganz nah bei seinem großen SPK-Team, und mehr Mensch als Präsident.
Im Alltag war die Villa der Ort, wo gefordert und gefördert wurde – es war dann weniger der angenehme Repräsentationsort, vielmehr echter Arbeitsplatz. Ein Arbeitsplatz, der von den meisten Mitarbeitenden aber wirklich geschätzt wurde, ein Ort der kurzen Wege, wo einem Hermann Parzinger auch mal unverhofft über den Weg lief, ein kurzes Hallo oder auch ein längeres »wie geht es« drin waren.
Hermann Parzinger war wahrlich kein »Frühstückspräsident«, vielmehr ein Schaffer. Was er tat, das tat er in hoher Schlagzahl, Mails kamen oft im Minutentakt zurück, Nachfragen wurden fast rund um die Uhr bearbeitet – egal, ob Weihnachten, im Urlaub oder am Geburtstag. Er war immer online. Mails, die mit »übrigens« begannen, wurden nach kurzer Zeit berühmt-berüchtigt. Hier wollte er Antworten, und zwar sofort! Genauso rasch wurden seine Rückmeldungen legendär, die mit einem »basta« endeten. Damit machte der Chef klar, so und nicht anders wollte er die Sache entschieden oder bearbeitet haben.
Das war für die Mitarbeitenden vielleicht nicht immer einfach, aber Hermann Parzinger trug stets die volle Verantwortung und stand dazu und hinter seiner Mannschaft. Das alles trug sich in der Villa zu. Ein Ort, wo kleinere und größere Arbeitsrunden zusammenfanden, wo diskutiert, wo gestritten, wo gerungen wurde, nicht zuletzt und sehr oft um die Zukunft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Hier tagte der Wissenschaftsrat 2019/20 ebenso wie vielfach auch der Stiftungsrat unter Leitung verschiedener Kulturstaatsministerinnen und -minister mit Vertretern des Bundes und aller Länder, hier wurde SPK-Geschichte geschrieben, bis zuletzt, in der langen Amtszeit von Hermann Parzinger, die im Mai 2025 nach über 16 Jahren endet.