1772 – 1945 – 1983Seehandlung/Staatsbank – Altbank – Stiftung

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Vor 200 Jahren kam mit einem Schiff der Seehandlungsgesellschaft eines der heute bedeutendsten Ausstellungsobjekte nach Berlin: König Kamehameha III. (1813–1854) ließ dem König von Preußen (1770–1840) einen Federmantel überreichen. Jüngst hat der Präsident der SPK anhand dieses Kulturguts die Bedeutung der preußischen Handelsgesellschaft für die Sammlungen, insbesondere für das Ethnologische Museum unterstrichen (Parzinger, 2023).

Friedrich Wilhelm III. sandte seinerseits Geschenke nach Hawai’i. Um welche diplomatischen Gegengaben es sich im Einzelnen handelt, lässt sich aus den erhaltenen Archivalien im GStA PK ermitteln. Und nicht nur das: Quellen, die über die Entwicklung und die Tätigkeitsbereiche der 1772 von Friedrich dem Großen gegründeten Seehandlungsgesellschaft (ab 1918 Staatsbank) Auskunft geben, sind heute im Geheimen Staatsarchiv PK (GStA PK) und im Archiwum Państwowe w Szczecinie verwahrt.

Von der Ära Rother bis Altbank

Die Seehandlung war nicht nur im globalen Handel, sondern bis Mitte des 19. Jahrhunderts auch im agrarischen Sektor und im protoindustriellen Bereich tätig. Ihr Engagement bei Mühlen und Maschinenbauanstalten, im Textilgewerbe ebenso wie die Beteiligungen am Ausbau der Infrastruktur zu Wasser und zu Land sind anhand der Archivalien nachvollziehen.

Diese als Glanzzeit der Seehandlung geltende Periode ist von der Wissenschaft bereits teilweise erforscht. Der König von Preußen hatte die Seehandlung 1820 zum unabhängigen Geld- und Handelsinstitut erhoben und die Leitung Christian von Rother (1778–1849) übertragen. Mit der Unterstellung des Instituts in die Zuständigkeit des Finanzministeriums 1848 trat der geldwirtschaftliche Bereich in den Vordergrund. Die meisten der in Schlesien und Brandenburg gelegenen Landgüter und Industrieunternehmen sowie alle Schiffe wurden verkauft. Durch den rigiden Sparkurs von Rothers Nachfolgern und der erfolgreichen Geldpolitik nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 konnte das Geldinstitut während der Wirtschaftsdepression Mitte der 1870er-Jahre zur Verstaatlichung von privaten Eisenbahnen beitragen. Erfahrungen im Bankenwesen nutzten die Regierungen für Gesetzesvorhaben im Banken- und Sparkassenbereich und der Steuergesetzgebung.

1918 wurde die Institution in „Preußische Staatsbank“ umbenannt und in den folgenden Jahren reorganisiert. Während der Weimarer Republik hatte sie große Bedeutung für das Anleihegeschäft der preußischen Großindustrie.

Seit 1924 wurde die Bank von F. Schroeder geleitet, der seine Position bis 1945 behielt, was auf ein gutes Zusammenarbeiten mit der nationalsozialistischen Regierung hindeutet. Die Bank war maßgeblich an der „Verwaltung und Verwertung entzogener Wertpapiere“ aus jüdischen Vermögen beteiligt (Bähr, 2023). Auch der Anteil an der Finanzierung der Kriegsmaschinerie im Zweiten Weltkrieg geht aus den Jahresberichten hervor (Pufelska, 2023).

Das Ende des Zweiten Weltkriegs markiert auch das Ende der Staatsbank, deren Tresorräume im Mai 1945 von sowjetischen Soldaten geplündert wurden (Banken. Zerschlagen bis zur Dorfkasse, in: Der Spiegel 4.7.1951, S. 9-13). Auf Betreiben der Alliierten wurde die Staatsbank in eine ruhende Altbank umgewandelt, deren Abwicklung bis 1967 erfolgte; aber noch bis 1983 wurden verbliebene Konten und das Bankvermögen weiter verwaltet.

Vom Archivale zur Analyse

Die Geschichte dieser Institution kann anhand des erhaltenen Schriftguts erforscht werden, das heute zu einem großen Teil im GStA PK verwahrt wird. Während des letzten Weltkriegs wurden Archivbestände aus dem Geheimen Staatsarchiv und Schriftgut aus der Registratur der Staatsbank ausgelagert. Diese Akten gelangten nach 1945 in die Zuständigkeit des Zentralen Staatsarchivs der DDR bzw. in das polnische Staatsarchiv an der Odermündung. Nicht in Sicherheit gebrachtes Registraturgut wurde aus dem Gebäude der Staatsbank geborgen und in Dahlem erwahrt.

Mit der Wiedervereinigung wurden die beiden Bestandsteile aus Ost und West wieder zusammengeführt. Normalerweise werden Archivalien nach dem behördlichen Aktenplan geordnet. Da dies bei der Seehandlung/Staatsbank jedoch nicht möglich ist, orientiert sich die Klassifikation an ihren Tätigkeitsfeldern und Zuständigkeitsbereichen.

Diese Ordnung lässt nicht nur nachvollziehen, wie die Institution im wirtschaftlichen und geldgeschäftlichen Bereich tätig war, sondern auch das gesellschaftliche Engagement wird greifbar. Die Seehandlung zahlte höhere Arbeiterlöhne als die Privatwirtschaft und lange vor Bismarcks Sozialgesetzen sorgte sie für Unterstützung im Krankheitsfall und Fürsorge für Arbeiterkinder. Auf Rothers Engagement sind ein Waisenhaus und die Versorgung von Witwen und Töchtern von Beamten und Offizieren, die im sog. Rotherstift eine Wohnstatt erhalten konnten, sowie das Leihamt für in Not geratene Berliner zurückzuführen. Die Seehandlung finanzierte außerdem für die Industrie Grundlagenforschung und vergab Kredite an Wissenschaftler und Forscher (Hannesen, 2023).

Von der Institution zur Stiftung

Dieser Tradition sieht sich die 1983 gegründete Stiftung Preußische Seehandlung verbunden, die kulturelle und wissenschaftliche Aufgaben in Berlin und mit dem Bezug zu Berlin durch Projektförderung und mit Stipendienprogrammen finanziert. Darüber hinaus werden Kunstschaffende im Bereich Theater, Literatur und Bildender Kunst mit hochdotierten Preisen ausgezeichnet. Die bekanntesten Preise der Stiftung sind dabei der Berliner Literaturpreis und der Theaterpreis Berlin.

Die Stiftung sieht sich jedoch auch für die Aufarbeitung der eigenen Geschichte in der Pflicht. Zwar fehlt es nicht an älteren Darstellungen, Denk- und Festschriften zum 150. und 160. Jahrestag, diese genügen jedoch modernen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht. Wissenschaftliche Untersuchungen befassen sich vorwiegend mit dem frühen 19. Jahrhundert, als die Schiffe der Seehandlung auf den Weltmeeren unterwegs waren.

Rund um das Jubiläum der Stiftung fanden daher mehrere Veranstaltungen statt, darunter Festvorträge (2023) und der Workshop ‚Desiderate der Forschung‘ (2024). Die moderne Forschung betont die Rolle der Seehandlung für die Binnenkolonisation in den im 18. und 19. Jahrhundert erworbenen preußischen Provinzen.

Die Zusammenarbeit der Seehandlung mit den preußischen Konsuln ist ebenso wenig untersucht (Töppel, 2022) wie ihr Anteil an der Kolonialisierung fremder Territorien während des deutschen Kaiserreichs, die Verflechtung im Berliner Bankenzentrum oder die Bedeutung als Geldgeber und Kreditvermittler für Preußen und andere Staaten sowie für die Industrie, die von Investitionen und Krediten ebenso profitierte wie der ländliche Raum in den östlichen Gebieten Preußens, der durch die Finanzierung von Siedlungsgesellschaften florierte.

Weder ist Rolle der Staatsbank für die Reparationszahlungen nach 1918 erforscht, noch die personellen Kontinuitäten bis in die NS-Zeit (Hannesen, 2023; Bähr, 2023). Da sich die SPK der Restitution und Rückgabe von Raubgut verschrieben hat, sollten auch der Handel mit den entzogenen Vermögenswerten sowie die Phase der Abwicklung aufgearbeitet werden. Aufgabe der historischen Wissenschaften bleibt unter den Aspekten vergangener und heutiger Zeiten die angemessene Analyse von Archivgut.


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