Die Ostasienabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin präsentiert zwei sehr interessante südostasiatische Handschriftendatenbanken mit über 16.000 Digitalisaten von Palmblatt- und Sa-Handschriften aus Laos und Nord-Thailand in neuem Gewand
Die Staatsbibliothek zu Berlin ist ein Büchertempel mit verschiedensten Kammern. Während wenige Kilometer entfernt im Haus Unter den Linden die gerade eröffnete Schatzkammer des „Stabi Kulturwerks“ jahrhundertealten papiernen Schätzen huldigt, passiert in der Ostasienabteilung in der Potsdamer Straße durchaus Gegenteiliges.
Hier hat das Team von CrossAsia und der IT-Abteilung der Staatsbibliothek in den letzten Monaten u.a. Datenbanken mit Digitalisaten von auf Palmblättern und anderen Materialien eingekratzten buddhistischen und profanen Texten aus Laos und Nord-Thailand für den Fachinformationsdienst Asien über das Webportal CrossAsia nutzer*innenfreundlicher und zeitgemäßer zugänglich gemacht. Ursprünglich wurden die Datenbanken und die Webseiten der laotischen und nord-thailändischen Handschriften bereits im Jahr 2012 veröffentlicht, doch die Datenbanken ließen sich mittlerweile nicht mehr auf die aktualisierten Serverversionen migrieren, die Suchmöglichkeiten waren nicht optimal und die Präsentation insgesamt etwas aus der Zeit gefallen.
Bevor es aber die heute verfügbaren Digitalisate geben konnte, war es ein langer Weg. Die ersten Schritte waren zwei u.a. vom Auswärtigen Amt geförderte Wissenschaftsprojekte unter der Leitung der Südostasienkoryphäe Harald Hundius: Dieser hatte in einem ersten Projekt zwischen 1983 und 1992 buddhistische Klöster im Norden Thailands bereist und später zwischen 1993 und 2003 auch solche in Laos. Dabei war er auf der Suche nach Bibliotheken mit alten Handschriften. Diese wurden dann in Zusammenarbeit mit der lokalen Community gesäubert, katalogisiert und mikroverfilmt.
Das Portal CrossAsia der Staatsbibliothek zu Berlin
CrossAsia bietet Zugang zu Fachinformationen aus dem gesamten Fächerspektrum der Geistes- und Sozialwissenschaften aus und über Asien. Mit seinen verschiedenen Aktivitäten und Kompetenzen unterstützt CrossAsia die asienbezogenen Wissenschaften in Forschung und Lehre in Deutschland mit Bereitstellung digitaler und gedruckter Inhalte. Ein spezieller Leihservice ist europaweit verfügbar. Das Portal CrossAsia wurde als zentrale Anlaufstelle für wissenschaftliche Information in den asienbezogenen Wissenschaften von der Staatsbibliothek zu Berlin auch mit Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft aufgebaut.
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Ab 2012 bis 2013 erfolgte dann die sukzessive Digitalisierung. David Wharton war als technischer Leiter im Projekt für das gesamte Projektmanagement sowie für die englische und romanisierte Dateneingabe zuständig und arbeitete zusammen mit Justin Reese und Justin MacCarthy an der Gestaltung der Datenbank und der Webseite des Projekts.
Die insgesamt 12.000 Mikrofilmrollen verblieben natürlich erst einmal vor Ort, erläutert Tristan Hinkel, und die Verfilmung entspricht in gewisser Weise auch den Aufgaben dieser Klöster. Denn diese umfassen neben der Bewahrung der Handschriften und der Herstellung neuer Palmblattmanuskripte, auch das Kopieren und damit Erhalten der alten Texte. Solche Kopien eröffnen insbesondere im Vergleich mit anderen erhaltenen Textquellen weitere Räume für eine wissenschaftliche Betrachtung: Gibt es z.B. durch Vervielfältigung entstandene Unterschiede zwischen verschiedenen Textversionen?
Aufgabe der Staatsbibliothek zu Berlin im Kooperationsprojekt mit der National Library of Laos, der Universität Passau, und im Fall der Nordthailändischen Handschriften zusätzlich der Chiang Mai Universität und der University of Pennsylvania war die Unterstützung der Forschung, d.h. die Digitalisate und die Datenbank mit Präsentationsoberfläche auf ihren Servern zu hosten und zu pflegen. Weil knapp ein Jahrzehnt später Software und Präsentation nicht mehr kompatibel waren, musste alles neu umgesetzt werden. Nun ist man für die Zukunft jedoch erst einmal wieder gewappnet. Die beschreibenden Metadaten der 13.002 laotischen und 6582 nordthailändischen Handschriften wurden für standarisierte Nachweissysteme aufbereitet, mit DOI versehen und sind jetzt z.B. auch über den Stabikat verfügbar; für die Präsentation wurden iiif-Manifeste erstellt, die über eine moderne Plattform mit verbesserter Suche und Kategorienfiltern im CrossAsia Portal angeboten werden.
Diese iiif-Manifeste sind an kein Datenbanksystem gebunden und können – mit ihren ebenfalls vollständigen Metadaten – auch in anderen iiif-Viewern aufgerufen werden. Insgesamt hat die Migration der Daten und auch der Webseiteninhalte viel Mühe gemacht, aber die bessere Auffindbarkeit und Nutzbarkeit hat zu 4000 bis 6000 Seitenaufrufen an einem Wochenende geführt, berichtet Tristan Hinkel. Erst letztens habe ihm bei einer Konferenz in Paris jemand zudem versichert, dass der Umfang der digitalisierten Shan-Manuskripte auf der Seite „outstanding“ sei. Die Arbeit hat sich also gelohnt. Die Aufrufe kommen aktuell meist aus Südostasien und den USA.
Auch die begleitenden Webseiten zu den „Lao Manuscripts“ und „Northern Thai Manuscripts“ wurden migriert. Natürlich gibt es diese auch in laotischer bzw. thailändischer Sprachversion. Die Seiten bieten Informationen zu den Schriftkulturen, in denen die Handschriften entstanden sind, aber auch z.B. Fotogalerien der Klöster, sowie Ton- und Videodokumente von Rezitationen der Manuskripte. Auch wie so ein Palmblatt-Manuskript hergestellt wird kann man dort erfahren. Dazu werden die Palmblätter von den Bäumen geschlagen, dann eingekocht und getrocknet. Die Texte werden mit einem speziellen Griffel eingeritzt und um das Geritzte lesbar zu machen, mit Asche angerieben. Die einzelnen Blätter werden dann zwischen zwei Holzdeckeln aufgestapelt, die wiederum in spezielle Stoffe eingeschlagen – teilweise sogar eingenäht werden – um ihre Haltbarkeit zu erhöhen.
Die Ostasienabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin scheint den Sprung ins digitale Zeitalter also bravourös genommen zu haben – trotz ihres Alters, sie wird nämlich 2022 schon 100 Jahre.
Das wird natürlich gefeiert: Mit einer Vortragsreihe zu Themen im Zusammenhang mit ihrer Sammlung und den mit ihr verbundenen Forschern von chinesischen Schlachtenkupfern bis zu javanischen Handschriften. Und natürlich mit einer Ausstellung im eingangs erwähnten Bibliotheksmuseum Stabi Kulturwerk Unter den Linden.